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Ungleichheit

Der Faschismus von heute ist … der Faschismus

This Machine Kills Fascists - (Foto: Katie Moum/Unsplash)

Natascha Strobl analysiert für MOMENT politische Sprache und Ideologien.

Der ehemalige AfD-Politiker Bernd Lucke versucht sich dieser Tage wieder als Universitätsprofessor. An seinem ersten Arbeitstag wurde er vor seiner Vorlesung mit der Tatsache konfrontiert, dass er vor einigen Jahren eine rechtsextreme Partei begründet hat, die der gesamten rechtsextremen Szene zu enormen Aufschwung verholfen hat.

Dieser Protest, den man gerechtfertigt oder auch nicht finden kann, wurde in den sozialen Medien sehr bald mit der Methodik der Burschenschaften in der Zwischenkriegszeit oder den NS-Studenten verglichen, die jüdische Professoren aus der Universität geprügelt haben. Schon bei der Diskussion um Herbert Grönemeyer wurde dessen Brandrede gegen Nazis mit der Agitation Joseph Goebbels’ verglichen.

 

„Antifaschismus ist der eigentliche Faschismus“ 

Dahinter steckt eine Strategie zur Abwertung antifaschistischen Protests, die in der extremen Rechten sehr beliebt ist. In einer Umkehrung werden AntifaschistInnen zu den eigentlichen FaschistInnen gemacht. Das spiegelt sich auch in dort beliebten Bezeichnungen wie „Rotfaschisten“ oder „SAntifa“ wider. Die Idee dahinter ist, dass in der heutigen Zeit die eigentliche Gefahr von AntifaschistInnen ausgeht. Das Ausmaß ist so gravierend, dass die AntiFa in dieser Erzählung quasi die Nazis von heute sind. Damit sollen einerseits linke Proteste komplett delegitimiert werden, andererseits macht es die Gegner der AntiFa zu Opfern – wie die Opfer des historischen Faschismus – und zu WiderstandkämpferInnen gegen einen angeblichen neuen Faschismus. 

Es findet also eine Selbstdarstellung als Opfer und eine Selbstheroisierung mit dieser Strategie statt. Wenn die AntiFa die Nazis sind, dann sind die AfD oder die FPÖ die „neuen Juden“. Diese Vergleiche finden sich immer wieder bei VertreterInnen beider Parteien, etwa als sich H.C. Strache über die Proteste gegen den Burschenschafter-Ball in Wien empört hat oder als die AfD sich über den Beschluss des HSV empört hat, AfD-Mitglieder aus dem Verein auszuschließen.

„Wir sind die neuen Juden“

Dieser Vergleich hält der (historischen) Wirklichkeit natürlich in keinster Weise stand. Faschistische Studenten haben in der Zwischenkriegszeit in Deutschland und Österreich jüdische Professoren unter Johlen aus der Uni geprügelt. Juden und Jüdinnen waren eine immer verwundbarere Gruppe, die diskriminiert, verfolgt und letztendlich systematisch ermordet wurde. 

Eine Universität ist kein von der Gesellschaft losgelöster Raum. Handlungen sind keine einzelnen Punkte in der Geschichte, sondern eingebettet in gesellschaftliche Machtverhältnisse. Die Situation mit einem Begründer einer rechtsextremen Partei, der dafür kritisiert wird, ist nicht dieselbe wie die einer gesellschaftlichen Gruppe, an der Völkermord begangen wurde. 

In diesen Vergleichen wird ja nicht nur die Situation der Zwischenkriegszeit verglichen, sondern drohend der Holocaust und Shoah gedanklich verknüpft. Das heißt, wir sollen immer mitdenken, dass es heute so enden kann wie damals. Nur dass angeblich heute nicht Juden und Jüdinnen in Lager gesperrt und vernichtet werden könnten, sondern AfDlerInnen und FPÖlerInnen. 

Grönemeyer und Goebbels

Dazu wird eine falsche methodische Analogie gebildet. Bei Grönemeyer ist es die Situation, dass ein Mann in einem dunklen Raum steht und rumschreit. Weil Goebbels durch Geschichtsunterricht und TV-Dokumentationen allgemein im Gedächtnis vieler präsent ist, ist es einfach daran anzuknüpfen und eine Brücke zu schlagen. So wie der damals rumgeschrien hat, so macht es Grönemeyer heute. So wie damals Vorlesungen gestört wurden, so passiert es heute. Beides sind aber nur lose methodische und punktuelle Analogien, die sowohl Ideologie als auch Resultat, Umstände und Inhalt außer Acht lassen.

Grönemeyer ruft nicht zum Krieg auf und das Resultat seiner Rede ist nicht eine mörderische nationalistische Stimmung. Die StudentInnen in Hamburg haben niemanden halbtot geprügelt und das Resultat ist nicht, dass eine verwundbare gesellschaftliche Gruppe um Leib und Leben fürchten muss. 

Die extreme Rechte arbeitet somit in verschiedenen Bereichen daran, den Widerstand gegen alten und neuen Faschismus als etwas Unnötiges und Ungehöriges zu diskreditieren. Mal bezeichnet der AfD-Rechtsaußen Björn Höcke das Berliner Holocaust-Mahnmal als „Denkmal der Schande“, während FPÖ-SpitzenpolitikerInnen friedliche Sitzblockaden gegen das europaweit größte rechtsextreme Vernetzungstreffen mit der Verfolgung der Jüdinnen und Juden vergleichen. 

Aber diese Erzählungen sind längst nicht mehr allein strategische Mittel der extremen Rechten. Wie die Reaktionen in den sozialen Medien zu Grönemeyer und Lucke zeigen, sind diese längst in der sogenannten Mitte der Gesellschaft angelangt.

 

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