Ungleichheit

„Migrant:innen bleiben immer unter sich“

Migrant:innen sollen sich anpassen, aber bloß nicht zu sehr – sonst gelten sie als unsichtbar. Sie sollen sich zurückhalten, aber wenn sie unter sich bleiben, spricht man von Parallelgesellschaften. Sie sollen hart arbeiten, aber niemals erwarten, wirklich dazuzugehören. Fleiß allein reicht nicht – ihre Identität sollen sie gleich mit aufgeben.

Du kommst in ein Land. Du kennst niemanden. Alles ist fremd für dich. Die Sprache, das Essen und zusätzlich werden einem gefühlt immer Steine in den Weg gelegt. Würdest du dich nicht freuen, wenn du in deinem Umfeld Leute hättest, die deine Sprache sprechen, die verstehen können, wie du dich fühlst, die dir vielleicht helfen können mit ihren Erfahrungen?

Diese Person, nennen wir sie Nadira, bekommt glücklicherweise eine 40h Stelle als Pflegerin. Am Abend, nach der Arbeit, besucht Nadira noch ihren Deutschkurs, den muss sie selbst zahlen, kann ihn aber nicht immer besuchen, denn sie hat ja noch ihre Kinder zu Hause. Tag täglich kassiert Nadira beim Billa schiefe Blicke wegen ihres Akzents – Freizeit hat sie so gut wie keine. Ihr Mann arbeitet ebenso Vollzeit. Für Hobbies oder andere Freizeitaktivitäten bleibt da nicht viel Zeit. 

Diesen Spagat aus all den Verpflichtungen müssen viele Familien stemmen – leider sehen wir nicht die ganzen Strapazen, die sie durchmachen. Aber ihre volle Leistung, die nehmen wir gern. Sie sollen doch einfach mal mehr arbeiten, dann würden sie eines Tages auch ein gutes Leben haben, sie sollen immer fleißig sein und sich ja integrieren. Und dabei sollten sie so schnell wie möglich ihre gesamte Identität aufgeben und sich anpassen. 

Unsere Definition von Leistung setzt viel zu spät an, denn Nadira und viele andere leisten bereits genug. Trotz der Steine, die ihnen in den Weg gelegt werden – nur sehen wir das leider zu oft nicht, weil es uns nicht betrifft. 


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