Wieso der Schulbeginn die schlimmste Zeit des Jahres ist
Der Schulstart sollte etwas Schönes sein, für die Kinder, aber auch für uns Eltern. Für Daniela Brodesser ist der September die Zeit der schlaflosen Nächte, schreibt sie in der neuen Folge der Armutprobe.
„Wir haben keine Ratschläge gebraucht“
Als einzige von 40 Elternteilen zu sagen: „Wir können uns das nicht leisten“, das ist einfacher gesagt als getan. Ich hatte damals nicht den Mut, über die Armut zu sprechen. Die Vorurteile der anderen hatte ich verinnerlicht. Ich hätte besser planen müssen. Ich hätte auf mein Handy verzichten können. Ich habe versagt.
Also bin ich still geblieben und habe gehofft, das Geld doch noch irgendwie zusammenkratzen zu können. Auch um die Kinder vor Spott in der Klasse zu schützen.
Inzwischen gelingt es mir aufzustehen. Ich weiß mittlerweile, dass Armut kein Versagen einer einzelnen Person ist. Das ist nicht immer leicht, aber ich tue es für die anderen Mütter und Väter, die beim Elternabend sitzen und still bleiben, aus Angst und Scham.
Wir haben keine Ratschläge gebraucht, wie wir hätten sparsamer leben können. Jeder Mensch, der von Armut betroffen war, weiß, wie sparen geht. Was wir gebraucht hätten, wäre ein soziales Netz, Kinderbetreuung, sichere Jobs mit Perspektiven – das hat gefehlt und fehlt immer noch.
Schule sollte etwas Schönes sein, für die Kinder, aber auch für uns Eltern. Für mich ist sie es leider nicht. Obwohl wir die schlimmste Zeit hinter uns gelassen haben, zeigt mir das Bildungssystem in der Krise wieder einmal, dass es für Menschen wie uns nicht geschaffen ist. Trotzdem versuche ich wie jedes Jahr, den Schulstart für meine Kinder so reibungslos wie möglich zu gestalten. Sie sollen sich auf das Lernen konzentrieren, Spaß daran haben, ihre FreundInnen wieder zu sehen. Und dieses Jahr werde ich im Schnee zumindest Winterschuhe tragen können.
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