Klimakrise
Arbeitswelt

Sara Weber will, dass wir für das Klima weniger arbeiten: “Arbeit muss sich grundlegend verändern”

Sara Weber beschäftigt, was Arbeit und Klimakrise miteinander zu tun haben. Und sie sagt: da muss sich dringend etwas ändern. Im Gespräch mit MOMENT.at erklärt sie, weshalb wir weniger arbeiten sollten, was die Vier-Tage-Woche mit dem Klima zu tun hat und wie wir selbst zur Veränderung beitragen können.

MOMENT.at: Wie sieht für sie Klimagerechtigkeit in der Arbeitswelt aus?

Sara Weber: Wichtig ist es, Entscheidungen zu treffen, die gut für die Umwelt, für das Klima, aber auch für die Menschen sind. Entscheidungen, die klimagerecht, aber auch sozial gerecht sind. Das auszubalancieren ist die große Herausforderung. Um die Klimakrise zu bekämpfen, können wir so einen großen Bereich wie die Arbeit nicht aussparen – das funktioniert nicht. Einfach so weitermachen wie bisher können wir auch nicht. Wir sind jetzt schon zu spät dran. Die Art, wie wir arbeiten, muss sich grundlegend verändern. Damit man bei diesem Wandel jede:n mitnimmt und zeigt: Hey, wir profitieren alle davon.

MOMENT.at: Wie beeinflusst die Klimakrise unsere Arbeitswelt?

Weber: Der Einfluss der Klimakrise auf unsere Arbeit ist wahnsinnig groß. Wir sehen in Mitteleuropa schon jetzt, dass die Klimakrise sich massiv auf unser Leben auswirkt. Höhere Temperaturen, extreme Wetterereignisse – das beeinflusst natürlich auch unsere Arbeit. Für Menschen, die im Sommer draußen arbeiten und nicht in klimatisierten Räumen, ist diese Hitze gefährlich. Und da spreche ich nur von Mitteleuropa. Im globalen Süden ist der Einfluss der Klimakrise und die damit einhergehenden Probleme immens viel größer, wenn dadurch Ernten ausbleiben, ganze Berufszweige unter Druck geraten und Menschen aus ihrer Heimat fliehen müssen, weil sie dort nicht mehr sicher leben können. 

Umgekehrt beeinflusst unsere Arbeit natürlich auch die Klimakrise. Dass die Wirtschaft das Klima durch Emissionen und den Verbrauch von Wasser und Rohstoffen beeinflusst, ist ja mittlerweile bekannt. Die Klimakrise und unsere Arbeitswelt beeinflussen sich also gegenseitig.


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MOMENT.at: Sie schreiben über die “Hustle-Kultur” in der Arbeitswelt, die häufig idealisiert wird und fordert, dass hartes und ständiges Arbeiten der Schlüssel zum Erfolg sei. Wie wirkt sich diese Einstellung auf die Klimakrise aus? 

Weber: Dieses Mantra hat natürlich negative Auswirkungen auf die Klimakrise. Die Art, wie wir arbeiten, strebt nach immer mehr Produktivität, immer mehr Leistung. Immer höher, immer weiter, mit dem Ziel, dass wir immer mehr konsumieren können und die Wirtschaft damit auch immer weiter wächst. Wir sind aber einfach nicht in einer Situation, in der unsere Wirtschaft immer weiter wachsen kann und wir unendlich weiter konsumieren. Dieses “alle müssen möglichst viel arbeiten, um sich möglichst viel leisten zu können”, das wird so nicht mehr lange funktionieren.  

MOMENT.at: Hat unser Wirtschaftssystem, wie wir es heute kennen und der Mythos des ewigen Wachstums ausgedient?  

Weber: Es so aufrechtzuerhalten wird schwierig, weil wir es einfach an sehr vielen Stellen massiv umbauen müssen. Wir haben auf der Erde begrenzte Ressourcen, weshalb wir ganz grundlegend neu denken müssen, wie unsere Wirtschaft funktioniert.

“Mit jedem Tag, an dem wir die Klimakrise politisch und wirtschaftlich ignorieren, wird es schlimmer.”

Sara Weber

MOMENT.at: Trotzdem nehmen immer mehr Unternehmen ihre selbst gesteckten Klimaziele wieder zurück. Gleichzeitig fragen sich vor allem jüngere Menschen immer häufiger, wofür sie in Zeiten der Klimakrise überhaupt noch arbeiten. Muss die Wirtschaft nicht alleine schon deswegen klimafreundlicher werden – damit sie überhaupt noch genug motivierte Arbeitskräfte findet, die eine Arbeit suchen, die ihren Werten entspricht?

Weber: In Zeiten des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels wird das zunehmend wichtiger. Junge Menschen wollen eine gewisse Sinnhaftigkeit in ihren Jobs. Natürlich gilt das nicht für alle, aber viele wollen deutlich stärker als andere Generationen wissen, warum sie ihre Arbeit eigentlich machen und dass sie die Welt nicht zum Schlechteren verändern – sondern idealerweise zum Besseren. Aber wir sehen auch diesen politischen Umschwung, den es gerade in diversen Ländern auf der Welt gibt. Eine Abkehr vom Klimaschutz, eine Abkehr von sozialer Gerechtigkeit und ein stärkerer Fokus auf Geld, auf Wachstum und auf Profite. 

Mit jedem Tag, an dem wir die Klimakrise politisch und wirtschaftlich ignorieren, wird es schlimmer. Ich glaube, da treffen gerade zwei Welten aufeinander. Zum einen das letzte Aufbäumen eines alten Systems, mit dem Wunsch, an der Vergangenheit festhalten zu können. Auf der anderen Seite eine jüngere Generation, mit dem Wunsch nach Aufbruch und Veränderung und vor allem mit einem Wunsch nach einem zukunftsfähigen Leben.  

MOMENT.at: Kann die Vier-Tage-Woche dabei helfen, die Klimakrise zu lösen?

Weber: Die US-amerikanische Ökonomin Juliet Schor vertritt die Ansicht, dass sich die Klimakrise ohne eine Reduktion von Arbeitszeit in den großen Industriestaaten nicht lösen lässt. Wenn wir uns ansehen, welchen Einfluss die Arbeit auf das Klima hat und welche Stellschrauben man drehen kann, dann ist eine verkürzte Arbeitszeit auf jeden Fall ein Faktor. 

Die Vier-Tage-Woche alleine wird die Klimakrise aber nicht lösen. Dafür ist das Thema viel zu komplex.  

MOMENT.at: Wie würde das Klima von einer verkürzten Arbeitszeit konkret profitieren?

Weber: Ein ganz banaler Grund ist, dass Pendelwege wegfallen. Der überwiegende Teil pendelt mit dem Auto in die Arbeit, und zwar alleine. Aber es bedeutet auch weniger Strom- und Wasserverbrauch im Büro, wenn im Sommer die Klimaanlage und der Computer aus bleiben oder man im Winter nicht heizen muss.

MOMENT.at: Nutzen Menschen Ihre Freizeit tatsächlich klimafreundlicher, wenn sie mehr Zeit haben? 

Weber: Wir wissen aus Studien, dass wir klimafreundlicher leben, wenn wir mehr Zeit haben. Man geht dann eher zu Fuß oder fährt mit dem Fahrrad, verbringt seine Freizeit mit Hobbys, die weniger energieintensiv sind und engagiert sich auch eher ehrenamtlich. Ich kenne das von mir. Habe ich Zeit, dann gehe ich auf den Markt und koche selbst. Das ist natürlich viel sinnvoller, als mir eine Tiefkühlpizza reinzuschaufeln, weil ich gestresst bin. 

MOMENT.at: Wie stellt man sicher, dass die Arbeitszeitverkürzung nicht nur für gut bezahlte Büroangestellte funktioniert und so die Ungleichheit weiter zunimmt?

Weber: Generell zu sagen, für manche Branchen geht es nicht, halte ich für eine faule Ausrede. Dann hat man sich einfach nicht genug Gedanken darüber gemacht, wie es doch gehen kann. Es muss ja nicht unbedingt eine Vier-Tage-Woche von Montag bis Donnerstag sein. Für manche Branchen und Berufsgruppen ist das tatsächlich nicht umsetzbar. In einem Krankenhaus kann man nicht sagen, wir bleiben freitags geschlossen. Aber dass in verschiedenen Betrieben Arbeit unterschiedlich organisiert ist, ist auch jetzt schon ganz normal. Gerade in der Pflege ist der Fachkräftemangel groß und viele

Mitarbeiter:innen arbeiten gar nicht Vollzeit. Zum einen, weil es vermehrt Frauen sind, die immer noch den Großteil der Sorgearbeit leisten und zum anderen, weil viele von ihnen sagen, dieser Job ist so anstrengend, dass ich ihn nicht 40 Stunden pro Woche machen kann. Wenn man sich ansieht, wie ausgebrannt viele Menschen sind und wie wenig die Arbeitswelt für viele Menschen funktioniert, brauchen wir Lösungen, die die Menschen nachhaltig entlasten. 

MOMENT.at: Wie vermeidet man bei einer Arbeitszeitverkürzung, dass alle Mitarbeiter:innen nach wenigen Monaten in ein Burn-out schlittern, weil sie dieselbe Arbeit in weniger Zeit unterbringen müssen?

Weber: Das ist natürlich das große Risiko. Man kann als Unternehmen nicht einfach sagen, ab morgen machen wir Vier-Tage-Woche. Es ist ganz wichtig, dass man schon vorher auf die Strukturen schaut und sich ansieht, womit eigentlich Zeit verschwendet wird. In klassischen Bürojobs geht zum Beispiel wahnsinnig viel Zeit für Meetings, Kommunikation, Dokumentation und Reporting verloren. Und dass nicht jedes Meeting sinnvoll ist, wissen wir mittlerweile alle. Wenn die Leute das Gefühl haben, sie verschwenden Zeit, wirkt sich das negativ auf die Motivation und damit auch auf die Produktivität aus. 

Um sicherzustellen, dass nicht alle ausbrennen, weil sich die Arbeit immer weiter verdichtet, ist es daher wichtig, mit den Mitarbeitenden gemeinsam zu entscheiden, wie das funktionieren kann. Wenn man sich Tests von Unternehmen ansieht, die das erfolgreich umgesetzt haben, dann bemerkt man, dass die Arbeitsstrukturen dort ganz grundlegend geändert wurden.

MOMENT.at: Auch Homeoffice und Remote Work sind ein großes Thema, wenn es darum geht, die Arbeitswelt klimagerechter umzugestalten. Während Corona war das Konzept zwangsläufig weit verbreitet. Mittlerweile wirkt es, als wären diese Modelle nicht mehr so beliebt bei Arbeitgeber:innen. Ist unsere Gesellschaft noch nicht bereit für diese Konzepte?

Weber: Die Katze ist aus dem Sack und geht auch nicht wieder rein. Die große Frage bei dieser Entwicklung ist, wie sie gestaltet werden muss, damit sie sinnvoll ist. Was ich für nicht sinnvoll halte, ist, wenn Menschen ins Büro fahren, um dort in Meetingräumen zu sitzen und den ganzen Tag in Videocalls abzuhängen. Damit ist niemandem geholfen. Während der Pandemie haben wir ein krasses Extrem gesehen, wo wir teilweise fünf Tage die Woche komplett remote gearbeitet haben. Jetzt pendelt es sich wieder ein und das ist in Ordnung. Wenn Unternehmen sagen, dass zwei bis drei Tage pro Woche im Büro sinnvoll wären, dann stimmt das in vielen Fällen auch. Man arbeitet ganz anders zusammen, wenn man sich persönlich kennt, wenn man sich in echt sieht und wenn nicht alles nur eine Videokonferenz ist. Ich glaube, da brauchen wir einfach andere Modelle, die stärker darüber nachdenken, wofür es sinnvoll ist, im Büro zu sein und wofür nicht?

MOMENT.at: Sind Remote Work und Homeoffice aus Klimasicht überhaupt immer die beste Wahl? 

Weber: Das ist tatsächlich etwas kompliziert. Ein guter Punkt ist natürlich wieder der Wegfall von Pendlerwegen. Andererseits benötigt man zu Hause mehr Energie, weil das Licht an ist, die Heizung oder die Klimaanlage. Wenn es keine feste Vereinbarung gibt, kann es sein, dass Licht und Heizung trotzdem auch im Büro laufen, obwohl kaum jemand da ist. Weil dann der individuelle Energieverbrauch steigt, wäre es in diesem Fall vermutlich sogar klimaschädlicher, als wenn alle in einem Großraumbüro sitzen.

MOMENT.at: In Ihrem aktuellen Buch “Das kann doch jemand anderes machen!” diskutieren Sie unter anderem die Auswirkungen von KI auf die Arbeitswelt. Sie schreiben, dass die Vier-Tage-Woche dank KI nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zu noch radikaleren Arbeitszeitverkürzungen sein könnte. Werden wir bald nur noch 15 Stunden arbeiten?

Weber: Das wäre schön, halte ich aber aktuell für unrealistisch. Die 15 Stunden pro Woche, die der Ökonom John Maynard Keynes vor hundert Jahren für das Jahr 2030 vorausgesagt hat, wären ein sehr großer Sprung, von dem ich mir nicht vorstellen kann, dass er so kurzfristig noch kommt. Wenn wir die Technologie aber sinnvoll und vor allem auf eine Art und Weise einsetzen, die nicht nur den Profit von einigen Wenigen stärkt, sondern wirklich für eine gerechtere Verteilung sorgt, halte ich es für gut möglich, dass wir durch KI eine Reduktion von Arbeitszeit sehen – auch über die Vier-Tage-Woche hinaus. 

MOMENT.at: Verschärft der Einsatz von KI aber nicht vielmehr die Klimakrise mit dem Stromverbrauch seiner riesigen Rechenzentren?

Weber: Der immense Energie- und Wasserverbrauch ist natürlich ein großes Thema. Wir müssen darauf schauen, wie wir diese Technologie nutzen können, ohne das Klima immer weiter zu belasten. Wie werden solche KI-Modelle weiterentwickelt und trainiert? Müssen sie so viel Strom und Wasser verbrauchen wie aktuell? Die Antwort ist: Nein, müssten sie nicht. Es ginge auch anders. Aber nur weil, das theoretisch möglich ist, heißt das nicht, dass es auch so passieren wird. Gerade im Bereich der Technologie haben wir viele Probleme mit einer Machtkonzentration bei einigen wenigen Großkonzernen. 

“Oft vergisst man, dass auch wir als Mitarbeitende Macht haben – vor allem, wenn wir uns zusammenschließen.”

Sara Weber

MOMENT.at: Die Klimakrise ist ein strukturelles Problem. Trotzdem ist Selbstwirksamkeit wichtig, damit man nicht daran verzweifelt. Was kann jede:r Einzeln:e für mehr Nachhaltigkeit und Klimagerechtigkeit im Job tun?

Weber: Eine Frage, die man sich natürlich stellen kann, ist, was mache ich da eigentlich den ganzen Tag? Stehe ich damit auf der guten oder auf der schlechten Seite und gibt es Varianten davon, die nachhaltiger sind? Das kann im selben Job ganz unterschiedlich ausfallen. Als Heizungsbauer: in kann ich entweder Öl- und Gasheizungen einbauen oder Wärmepumpen. 

Dann würde ich immer dazu raten, sich zu organisieren, Gewerkschaften beizutreten und Betriebsräte zu gründen. Oft vergisst man, dass auch wir als Mitarbeitende Macht haben – vor allem, wenn wir uns zusammenschließen. Diese Form von Mitbestimmung kann dazu führen, dass sich Unternehmen stärker in Sachen Klimaschutz engagieren und für sehr viel Selbstwirksamkeit sorgen. 

Und auch in Jobs, die erst mal gar nichts mit Klima zu tun haben, kann man sich ansehen, was man im Unternehmen verändern könnte. Braucht es wirklich alle drei Monate eine Geschäftsreise mit dem Flugzeug oder genügt auch die Hälfte und wir machen dafür eine Videokonferenz mehr? Muss man für die Messe wirklich billige Plastiksachen mit dem eigenen Markennamen produzieren lassen? Das alleine verändert natürlich nicht die Welt und löst nicht die großen strukturellen Probleme, aber es kann eine Diskussion anstoßen, die im Unternehmen etwas verändern kann.   

Ganz wichtig ist auch, sich zu fragen, was man außerhalb der Arbeitszeit machen kann. Bei welchen Umweltverbänden oder Organisationen könnte ich mich engagieren? Denn mein Job ist ja nicht mein ganzes Leben. 

MOMENT.at: Da kommt wieder die Arbeitszeitverkürzung ins Spiel.

Weber: Die würde da natürlich wahnsinnig helfen.

MOMENT.at: Zum Abschluss: Wie sieht für Sie die ideale Arbeitswelt der Zukunft aus, die sowohl den Bedürfnissen der Menschen als auch den Anforderungen des Klimaschutzes gerecht wird?

Weber: Also wir würden auf jeden Fall weniger arbeiten. Drei Tage Erwerbsarbeit pro Woche wären schon ganz gut. Außerdem brauchen wir einen Ausbau von grünen Jobs und Organisationen, bei denen Mitarbeitende miteingebunden werden. Und wir brauchen Zeit, um uns überhaupt mit der Klimakrise auseinandersetzen zu können. Wenn wir weniger arbeiten, könnten wir uns stärker darauf konzentrieren, dieses riesige Problem, das so dringend gelöst werden muss, zu lösen. 

Über Sara Weber: Sara Weber ist eine deutsch-amerikanische Bestsellerautorin und Speakerin aus München. In Ihren Büchern beschäftigt sie sich vorrangig mit der Zukunft der Arbeit, KI und Digitalisierung. Sie war Host des Wondery-Podcasts “Work Work Work” und schreibt für den Spiegel Online die Kolumne “ÜberArbeiten”.  


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