Sozialkürzungen sparen kein Geld, sie verschieben nur die Rechnung

Wien und ganz Österreich stehen vor einer neuen Runde von Sozialkürzungen. Förderungen werden eingefroren oder gestrichen, Leistungen eingeschränkt, Zugänge erschwert. Die Begründung klingt dabei meist so: Sparzwang, Budgetloch, „Gürtel enger schnallen“.
Doch diese Logik ist kurzsichtig und gefährlich. Denn Sozialkürzungen sparen kein Geld, sie verschieben nur Kosten. Und zwar in Bereiche, in denen sie später deutlich höher ausfallen.
Eine dumme Rechnung
Sozialausgaben sind keine Wohltaten, sondern Investitionen in Stabilität und Sicherheit. Sie verhindern, dass Probleme groß werden oder eskalieren. Wer heute bei Sozialarbeit, Beratung, Arbeitsmarktintegration, Wohnbeihilfen oder psychosozialer Unterstützung spart, zahlt morgen mehr für Gesundheitssystem, Polizei, Justiz, Mindestsicherung, Krankenstände oder Langzeitarbeitslosigkeit. Diese Zusammenhänge sind durch Studien gut belegt, werden politisch aber regelmäßig ignoriert.
Gerade Wien zeigt diese Dynamik besonders deutlich. Die Stadt wächst, die soziale Ungleichheit nimmt zu, psychische Belastungen steigen. Gleichzeitig geraten genau jene Angebote unter Druck, die früh eingreifen: niederschwellige Beratungsstellen, aufsuchende Sozialarbeit, Projekte für armutsbetroffene Familien, Frauen, Jugendliche oder Menschen mit Migrationsgeschichte. Wird hier gekürzt, verschwinden die Probleme nicht – komischerweise. Stattdessen verlagern sie sich. Vom Sozialzentrum in die Notaufnahme. Vom Jugendprojekt in die Polizeiinspektion. Von der Vorsorge in die Krise.
Österreichweit zeigt sich ein ähnliches Muster. Sozialleistungen werden zunehmend unter Effizienz- und Missbrauchsverdacht gestellt, während Folgekosten kaum thematisiert oder berechnet werden. Es ist politisch einfacher, kurzfristige Einsparungen zu präsentieren, als langfristige Kosten zu verantworten. So kann man zeigen, dass man etwas tut und dass Geld gespart wird. Oder so der Anschein.
Die Kosten sind nicht weg, sie sind nur woanders
Besonders problematisch ist dabei, dass die Folgekosten selten im selben Ministerium, Bereich oder Budgettopf anfallen. Einsparungen im Sozialbereich belasten später das Gesundheits- oder Justizsystem. Kürzungen in den Gemeinden erzeugen später oft Kosten auf Landes- oder Bundesebene. Diese Verschiebung macht es leicht, Verantwortung abzustreifen und schwer, Gesamtkosten ehrlich zu bilanzieren.
Hinzu kommt ein sozialer Blindfleck: Sozialkürzungen treffen nicht „alle“, sondern ganz bestimmte Gruppen. Menschen mit wenig Einkommen, Alleinerziehende, prekär Beschäftigte, chronisch Kranke, Menschen mit Behinderungen. Für sie bedeuten Kürzungen oft den Verlust von Stabilität und damit höhere Risiken, dauerhaft aus dem System zu fallen. Was einmal verloren geht, ist teuer zurückzuholen.
Die zentrale Frage müsste daher lauten: Was kostet es, nicht zu investieren? Was kostet ein nicht verhinderter Schulabbruch? Eine unbehandelte Depression? Eine drohende Delogierung? Eine gescheiterte Arbeitsmarktintegration? Diese Kosten tauchen in keiner Sparrechnung auf, doch sie sind real, messbar und gesellschaftlich extrem wichtig.
Folgekosten abschätzen - coming soon
Genau hier setzt unser nächstes Projekt an. Im kommenden Jahr wird Moment.at systematisch erfassen, wo in Wien und Österreich Sozialleistungen gekürzt werden und welche Folgekosten daraus entstehen können. Wir wollen nicht nur politische Ankündigungen dokumentieren, sondern ihre realen Auswirkungen analysieren: auf Gesundheit, Arbeitsmarkt, Wohnen, Bildung und öffentliche Sicherheit. Ziel ist es, sichtbar zu machen, was derzeit unsichtbar bleibt.
Denn echte politische und finanzielle Verantwortung bedeutet nicht, dort zu sparen, wo Menschen am verletzlichsten sind. Sie bedeutet, langfristig zu denken und Prävention nicht als Luxus, sondern als Notwendigkeit zu begreifen.




