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Demokratie
Ungleichheit

Schule für behinderte Kinder? Ja, wozu denn?!

Barbara Blaha hält ein Stoppschild in der Hand.
Schulpflicht für behinderte Kinder - aber kein Schulrecht in Österreich. Moment mal sagt Barbara Blaha
Initiative fordert längere Schulpflicht für behinderte Kinder. Diese dürfen in Österreich nämlich bisher nicht so lange in die Schule, wie andere Kinder. Moment mal mit Barbara Blaha.

 

 

Schulzeit heißt: Zeit großer Entscheidungen. Neun Jahre sind Pflicht, aber wie und wo – da gibt es Tausend Varianten. Und vor allem, wie geht es danach weiter: Matura auf dem Gym? Der HTL? Oder eine Lehre? 

Ja, das muss jedes Kind und das müssen die Eltern eines jeden Kindes irgendwann entscheiden. Außer natürlich, man ist ein Kind mit Entwicklungsverzögerung. Dann muss man gar nix entscheiden, dann wird man nach der Pflichtschule einfach aussortiert und ausgesperrt. Moment mal!

Schulpflicht für behinderte Kinder – aber kein Recht

Ja, richtig gehört. Wir haben in Österreich eine Schulpflicht: Neun Jahre lang sollen, dürfen und müssen alle in die Schule gehen. Kinder ohne Behinderung gehen danach einfach weiter in die Schule: Sie besuchen die Oberstufe oder gehen in eine Lehre samt Berufsschule.

Kinder mit Behinderung müssen hingegen darum betteln, weiter in die Schule gehen zu dürfen. Sie müssen einen Antrag stellen und die Bildungsdirektion muss zustimmen. 

Tut sie das nicht, fliegen die Kinder einfach aus dem System raus. Aber warum ist das so? Weil Kinder mit Förderbedarf nach 9 Jahren einfach nix mehr lernen können? Ist die Festplatte voll und weiterer Input daher überflüssig?

Manche Kinder mit Behinderung können mehr Zeit brauchen

Nein, das Gegenteil ist wahr und irgendwie logisch: Ein Kind mit einer verzögerten Entwicklung braucht MEHR Zeit in der Schule als andere Kinder, nicht weniger.

Aber bekommen sie diese Zeit? Wie viele Jugendliche hierzulande erfolglos um weitere Schuljahre betteln, das erhebt das Bildungsministerium nicht einmal. In Wien wurden ungefähr 100 Kinder abgelehnt, österreichweit dürften Schätzungen zufolge circa 500 Kinder betroffen sein. Einen Rechtsanspruch auf mehr als neun Schuljahre haben diese Kinder und Jugendlichen mit erhöhtem Förderbedarf nicht.

Im Schulunterrichtsgesetz gibt es auch keine Kriterien, die festlegen, wann weitere Jahre genehmigt werden müssen. Die Behörden können das freihändig und willkürlich entscheiden. Besonders lustig: Seit 2016 greift nach der Schulpflicht in Österreich die “Ausbildungspflicht”: 

“Alle Personen unter 18 Jahren, welche die Schulpflicht erfüllt haben und sich dauerhaft in Österreich aufhalten, sind verpflichtet, auch danach einer Bildung oder Ausbildung nachzugehen. Diese Verpflichtung ist aufrecht bis zum Erreichen des 18. Lebensjahres oder bis zum positiven Abschluss einer weiterführenden Bildung oder Ausbildung. Bei Verletzung der Ausbildungspflicht droht wie bei Verletzung der Schulpflicht in letzter Konsequenz eine Verwaltungsstrafe.”

Österreich verstößt gegen Schulpflicht und Ausbildungspflicht

Wenn Kinder gegen die Ausbildungspflicht verstoßen, setzt es Strafen. Und wenn der Staat dagegen verstößt? 

Die Republik verstößt übrigens nicht nur gegen die eigene Ausbildungspflicht, sondern auch gegen Artikel 24 der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Darin ist das Recht auf Bildung festgeschrieben. 

Warum also wird der weitere Schulbesuch so oft abgelehnt?

Der offizielle Grund: Der Lehrplan für Sonderschulen endet nach 9 Schuljahren. Danach, ja leider, ist nix mehr, gibts einfach keinen mehr. 

Das heißt: Der Staat kann seine eigene Ausbildungspflicht nicht erfüllen, weil der Staat keine passende Lehrpläne dafür gemacht hat? 

Aso, ja. In Wirklichkeit geht es natürlich ums Geld: Die Bundesregierung stellt nicht ausreichend Ressourcen für einen angemessenen Schulbesuch zur Verfügung. Es gibt für die Länder keine zusätzlichen Gelder für weitere Schuljahre. Und deshalb hagelt es Absagen. 

Absagen kommen spät

Und Die kommen oft erst ganz knapp vor den Sommerferien – damit es dann richtig sportlich wird: Wer ein Kind mit Förderbedarf zuhause hat und dann erfährt, dass das Kind in wenigen Wochen nicht mehr in die Schule gehen darf, ist komplett auf sich allein gestellt. Wo Geld keine Rolle spielt, kann man das Problem mit dem Besuch einer Privatschule “lösen”. 

Alle anderen bleiben über, nicht wenige Eltern müssen ihren Job aufgeben, um das Kind ganztägig zu betreuen.  Dabei wird es ohne Schulplatz finanziell sowieso enger: Ohne Schulplatz kein Recht auf Familienbeihilfe oder günstiges Öffi-Ticket. Und einen Behindertenzuschlag in der Mindestsicherung gibts erst ab 18. 

Was es braucht?

Das weiß, wer den betroffenen Familien zuhört: Die fordern in einer Petition ans Parlament: 

  • Ein Recht auf Bildung: Wie für alle anderen Kinder auch ein 11. und 12. Schuljahr. 
  • Ein Recht auf Mitmachen: Dieses 11. und 12. Schuljahr müssen betroffene Kinder auch in einer Handelsschule oder einer berufsbildenden Schule machen können. 
  • Ein flexibleres Schulsystem: Kinder mit Entwicklungsverzögerungen sollten auch später eingeschult werden können, damit die Schule dann beginnt, wenn das Kind auch wirklich was davon hat. 
  • Damit das gut klappt, braucht es Personal, das man ausbilden und dann gescheit zahlen muss.  
 

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