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Demokratie

Die Kalte Progression abschaffen mit Verfassungsgesetz? Keine gute Idee.  

Die Regierung will die Kalte Progression abschaffen und das als Verfassungsgesetz verankern. Es ist Teil ihres Entlastungspaketes gegen die Teuerung. Was dagegen spricht, erklärt Ökonom Jakob Sturn vom Momentum Institut.
Vergangene Woche hat die Bundesregierung ein Paket an Maßnahmen präsentiert, um die aktuell starke Teuerung abzufedern. Dabei nimmt sie viel Geld in die Hand, allein im Jahr 2022 sollen es 4,8 Mrd. EUR sein, das sind 5% der Einnahmen des Staates in diesem Jahr. Das ist grundsätzlich gut, denn die aktuelle Inflation spüren jene Menschen, die weniger Geld haben, ganz besonders stark. Sie mussten schon vor der Teuerung jeden Euro zweimal umdrehen.

Nun müssen sie sich noch mehr einschränken. Genau dieser Bevölkerungsgruppe helfen daher auch die Einmalzahlungen, etwa der erhöhte Klimabonus (250€) oder der Teuerungsbonus (auch 250€) am meisten.

Noch mehr Geld gibt die Regierung aber für das Abschaffen der kalten Progression aus. Bislang wurden die Lohnsteuerstufen nämlich nicht um die Inflationsrate angepasst. Das hatte zur Folge, dass eine Arbeitnehmerin, deren Lohn genau um die Inflationsrate erhöht wurde, eine höhere durchschnittliche Lohnsteuer zahlen musste als zuvor, obwohl ihr Reallohn nicht gestiegen ist. Der Staat bekommt so jedes Jahr ein bisschen mehr Geld.

Kalte Progression abschaffen: Die negativen Folgen

Ab 2023 soll sich das ändern. Alle Lohnsteuerstufen – außer der höchsten – werden dann automatisch um 2/3 der Inflationsrate steigen. Das dritte Drittel will die Regierung ebenfalls an die Bevölkerung ausbezahlen, wie genau sie das macht, entscheidet sie aber weiterhin selbst. Das alles kostet bei der aktuellen Inflationsrate von acht Prozent rund 2 Mrd. EUR pro Jahr. In drei Jahren hat es damit die Kosten der jetzigen Einmalzahlungen überholt. Dazu kommt, dass Finanzminister Brunner (ÖVP) das Gesetz zur Abschaffung der kalten Progression gerne in der Verfassung sehen möchte. Damit ist es in Zukunft nur mehr sehr schwer zu ändern.

Die politischen Parteien im Parlament finden die Abschaffung der kalten Progression gut, aber es gibt dennoch auch negative Folgen. Denn von der Abschaffung der kalten Progression profitieren Menschen mit hohem Einkommen stärker als jene mit geringem Einkommen. Da die Bundesregierung gleichzeitig angekündigt hat, auch die meisten Steuerabsetzbeiträge an die Inflation anzupassen, schwächt sie die ungleiche Verteilung etwas ab.

Alles in allem bringt die automatische Abgeltung der kalten Progression bei einer Inflationsrate von acht Prozent einem Haushalt im unteren Einkommensbereich rund 60 EUR pro Kopf im Jahr. Im obersten Bereich ist es deutlich mehr, nämlich rund 470 EUR pro Kopf und Jahr. Die steigende Einkommensungleichheit wird so noch zusätzlich verstärkt.

Weniger Handlungsspielraum

Außerdem hat die Regierung in der Vergangenheit regelmäßig Steuerreformen umgesetzt, mit denen das zuvor durch die kalte Progression eingenommene Geld wieder an die Bevölkerung zurückgegeben wurde. Dabei konnte sie selbst die Schwerpunkte setzen, also zum Beispiel Familien stärker entlasten. Ab 2023 kann sie das nur mehr eingeschränkt. Dabei wird die Regierung in Zukunft eher mehr als weniger Handlungsspielraum benötigen.

Sowohl die Covid-Krise als auch die Teuerungskrise zeigen: Zur Krisenbewältigung braucht es einen starken Staat, damit Einzelne nicht auf der Strecke bleiben. Und die nächste Krise spüren wir längst: die Klimakrise. Zur Bewältigung dieser wird es staatliche und private Investitionen in Milliardenhöhe benötigen. Da helfen die geringeren Staatseinnahmen durch die Abschaffung der kalten Progression nicht. 

Wenn man also die kalte Progression schon abschaffen will, dann sollte man das mit Vermögenssteuern kompensieren. Hier gibt es in Österreich noch viel Spielraum. Das durchschnittliche OECD-Land besteuert Vermögen viermal so stark wie Österreich. Mit diesen Einnahmen sind wir für die Klimakrise besser gewappnet und schaffen mehr Gerechtigkeit im Steuersystem.

 

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