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Ungleichheit

Alles über die Erbschaftssteuer: Warum brauchen wir sie in Österreich?

Warum sind Erbschaften in Österreich eigentlich nicht besteuert? Wer wäre davon betroffen? Und wer erbt in Österreich eigentlich wie viel? Wir beantworten die wichtigsten Fragen rund um die Erbschaftssteuer in Österreich.

Was ist eine Erbschaftssteuer?

Wenn jemand stirbt, geht sein verbleibender Besitz und Vermögen an Erbinnen und Erben über. Eine Erbschaftssteuer ist eine Abgabe, die der Staat auf vererbte Vermögen einhebt. Bezahlen muss diese Steuer der Erbe oder die Erbin. Die Schulden der verstorbenen Person werden vom Vermögen abgezogen, bevor die Höhe der Abgabe berechnet wird.

Gibt es in Österreich eine Erbschaftssteuer?

Nein. Allerdings gab es zwischen 1955 und 2008 eine Schenkungs- und Erbschaftssteuer in Österreich. Der Steuersatz auf Erbe lag zwischen 2% und 60%. Je näher der Verwandtschaftsgrad, desto niedriger war auch die Erbschaftssteuer. Darüber hinaus gab es eine Reihe von Ausnahmen von der Steuer.
 

Warum gibt es in Österreich keine Erbschaftssteuer mehr?

2007 hat der Verfassungsgerichtshof die Erbschaftssteuer aufgehoben. Er hat Details der Steuer als verfassungswidrig eingeschätzt – nicht jedoch die Steuer selbst. In so einem Fall muss ein Gesetz „repariert“ werden, sonst wird es ungültig. Der damaligen Bundesregierung wurde eine Frist bis 1. August 2008 zur Überarbeitung der Erbschaftssteuer gesetzt. Diese Frist ließ die damalige Regierung aus SPÖ und ÖVP allerdings verstreichen, weil sie sich auf keine neue einigen konnte. Die ÖVP ist traditionell gegen diese Art der Steuer. Durch die Untätigkeit wurde die Steuer indirekt abgeschafft.
 

In welchen anderen Ländern gibt es eine Erbschaftssteuer?

Erbschaftssteuern gehören zu den ältesten Steuerformen der Welt. In unterschiedlichen Ausprägungen existieren sie auch heute in vielen Industrienationen. In der EU ist Österreich bei der Erbschaftssteuer die Ausnahme: In 18 von 27 Mitgliedsländern wird so eine Steuer eingehoben. 

Einige der Länder, in denen es keine direkte Erbschaftssteuer gibt, haben andere Formen der Besteuerung eingeführt. Diese erfüllen einen ähnlichen Zweck wie die Erbschaftssteuer. In Portugal wurde zum Beispiel nach Abschaffung der Erbschaftssteuern eine eigene “Stempelsteuer” eingeführt. Die ist bei Vorgängen, wie etwa der Übertragung von Immobilien auf andere Personen, zu zahlen.
 

Wer erbt wie viel in Österreich?

In Österreich erben vor allem jene Menschen, die ohnehin schon viel haben. So besitzen zum Beispiel 90 Prozente der Haushalte, die eine Wohnung oder ein Haus vererbt bekommen, bereits eine Immobilie. Wer zum reichsten Prozent der Österreicher:innen gehört, erbt mit einer Wahrscheinlichkeit von 80% sogar mehr als 3,3 Millionen Euro. Im Gegensatz dazu erben sieben von zehn Menschen in Österreich gar nichts. 

Mit Leistung hat Reichtum also in den wenigsten Fällen zu tun. Im Gegenteil: Man muss schließlich nur Glück haben, in die richtige Familie geboren worden zu sein. Erbschaften sind der wichtigste Grund für die ungleiche Vermögensverteilung in Österreich. Wer mehr Vermögen hat, kann auch mehr Vermögen investieren – und wird so meistens noch reicher. Erbschaften sorgen dafür, dass ein Großteil der Vermögen weiterhin in den Händen weniger bleibt.

Wie stark Reichtum und Vererbung zusammenhängt, zeigt eine Untersuchung aus Italien. Dort haben Ökonom:innen untersucht, wie sich das Vermögen der reichsten Familien in Florenz seit dem 15. Jahrhundert entwickelt hat. Ihr Ergebnis: Die fünf reichsten Familien von damals sind immer noch die fünf reichsten Familien. Und das mehr als 500 Jahre danach.
 

Was bringt eine Erbschaftssteuer für Österreich?

Eine Erbschaftssteuer kann einen Teil dazu beitragen, dass die Vermögen gerechter verteilt werden. Und sie ist eine faire Abgabe. Denn für ein Erbe musste man nichts leisten, sondern nur in die richtige Familie geboren werden. 

Wie viel Österreich durch eine Erbschaftssteuer einnehmen könnte, hängt von der Gestaltung der Steuer ab. Im Jahr 2007, dem Jahr vor der Abschaffung der Erbschaftssteuer, betrugen die Einnahmen in Österreich 111,5 Millionen Euro. Das entspricht 0,08% des Bruttoinlandsproduktes. Im EU-weiten Vergleich wäre das ein sehr niedriger Wert: Hier schwanken die Anteile zwischen 0,2% und 0,7% des BIP. Umgelegt auf Österreich wären das zwischen 850 Millionen und 3,3 Milliarden Euro.
 

Wer müsste in Österreich eine Erbschaftssteuer bezahlen?

Auch das kommt auf die Gestaltung der Steuer an. Sicher ist: Die meisten von uns werden nie eine Erbschaftssteuer zahlen müssen. Denn 70% der österreichischen Haushalte erben gar nichts. Zahlen müssten fast immer nur die, die ohnehin bereits etwas haben.

Und wenn für dich doch irgendwann ein unerwartetes Erbe anfällt, wird dich das nicht in den Ruin stürzen. Denn viele Vorschläge für eine Erbschaftssteuer bauen auf ein progressives Modell. Das heißt: Wer wenig erbt, muss wenig zahlen. Wer viel erbt, dafür mehr. Oder man setzt einen hohen Freibetrag an. Dann müsste man nur Steuern auf den Betrag zahlen, der über eine gewisse Grenze – etwa eine Million Euro – hinausgeht. Alle in den vergangenen Jahrzehnten von politischen Parteien geforderten Modelle hatten einen Freibetrag vorgesehen.
 

Sind Erbschaftssteuern eine unfaire Doppelbesteuerung?

Nein. Der Erbe oder die Erbin haben den Vermögenszuwachs, den ein Erbe für sie bedeutet, bisher nie besteuert und nichts  dafür geleistet. 

Darüber hinaus wird Geld im Wirtschaftskreislauf dauernd besteuert. Wenn du Lohn bekommst, zahlst du darauf Steuern. Wenn du mit deinem Lohn eine neue Waschmaschine kaufst, zahlst du darauf Steuern. Wenn der Waschmaschinenshop sich mit den Einnahmen neue Produkte liefern lässt, zahlt er darauf Steuern. Und so weiter. 

Müssen Unternehmen wegen Erbschaftssteuern schließen?

Dass durch die Erbschaftssteuer speziell kleinere Unternehmen nach einer Übergabe nicht mehr bestehen könnten, ist ein Mythos. Solche Fälle konnten bisher in keinen Untersuchungen gefunden werden, so Martin Schürz von der Österreichischen Nationalbank.

Und große Unternehmen haben erst recht nichts zu befürchten, wie Barbara Blaha in dieser Ausgabe von “Moment Mal” ausführt:

 
 
 

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