Amoklauf in Graz – Wie berichten Medien?
Am Dienstag, den 10. Juni sterben 11 Menschen in Graz durch einen Amoklauf. Während die Tat noch im Vollzug ist, kursieren bereits Videos und Spekulationen dazu im Internet — aber nicht nur auf den sozialen Medien wurden diese problematischen Inhalte verbreitet. Auf Plattformen wie OE24 oder der Krone kursieren ebenfalls Videos, reißerische Überschriften und ungeprüfte Spekulationen in Echtzeit.
Diese Berichterstattung schadet nicht nur Betroffenen in Graz
Die Beiträge sind unfundiert und werden im Affekt verbreitet — sie instrumentalisieren das Trauma und die Schmerzen betroffener Kinder für Klicks und sie gefährden zudem laufende Einsätze und das Leben der Menschen vor Ort.
Die Art und Weise, wie Medien über solche Tragödien berichten, hat erhebliche Konsequenzen. Nicht nur für Zeug:innen und direkt Betroffene, sondern auch für die gesamte Öffentlichkeit.
Natürlich besteht ein Interesse an einer raschen Berichterstattung, davon kann bei derartigen Videos und Schlagzeilen aber gar nicht die Rede sein. Weder der Persönlichkeitsschutz der Verstorbenen noch der Schutz der überlebenden traumatisierten Personen wird dabei beachtet. Das Leid der Opfer und deren Angehörigen ist ohnehin unvorstellbar, es darf durch die Medienberichterstattung nicht noch vergrößert werden.
Expert:innen raten immer wieder dazu, in der Berichterstattung so wenig wie möglich auf Täterprofile einzugehen — unter anderem aufgrund des Risikos zur Glorifizierung und Nachahmung. Währenddessen veröffentlichte OE24 sogar ein Bild und den Vornamen des Täters. (Jemand, der zufällig ähnlich heißt und seine Angehörigen, werden unterdessen im Internet angefeindet, weil dieser Name kursiert.)
Das ist pietätlos, verantwortungslos und schlicht gefährlich.
Nicht nur der Boulevard war in Graz vor Ort
Aber auch seriöse Medien wie die ZIB und das Profil reagierten fragwürdig: Noch am selben Tag wurden Interviews und Straßenumfragen – unter anderem mit Schüler:innen – in Graz geführt. Zwei Journalist:innen von Profil reisen außerdem in die Heimatgemeinde des Täters, kontaktieren Bekannte und versuchen noch am Tattag mit dessen Mutter zu sprechen.
Auch hier gilt: Manchmal ist weniger mehr. Natürlich braucht es Aufklärung und sorgfältige Berichterstattung. Man kann auch mit Menschen vor Ort sprechen. Irgendwann muss man auch über die Umstände sprechen, die zur Tat geführt hat. Doch es muss nicht alles sofort passieren. Medien sollten immer kritisch hinterfragen: Wem nützt diese Information – und wem könnte sie schaden?
Es ist nicht notwendig und teilweise auch völlig unmöglich, an einem derartigen Tag alle Fragen zu den Hintergründen sofort zu klären und geschockte Betroffene sowie Befangene mit Fragen zu durchlöchern. Eine zurückhaltendere Berichterstattung kurz nach derartigen Taten schützt Betroffene und schafft Raum für Trauer, Reflexion und sinnvolle, faktenbasierte Debatten.
Das könnte dir auch gefallen
- Wenn Worte die Demokratie gefährden: Über das mediale Versagen im Umgang mit Trumps Willkür
- Astroturfing: Der Kampf gegen die deutsche Zivilgesellschaft
- Wenn Sozialfälle zum Skandal werden
- „Wokeismus von rechts“ – wie Richard David Precht und Markus Lanz Rechtsextremismus verharmlosen
- Verfassungsschutzbericht: Die größte Gefahr ist Rechtsextremismus
- Kinderwahlrecht durch Eltern: Progressiver Anstrich, problematischer Kern
- Was dieses Sparpaket wirklich kostet
- Im Budget ist von Klimaschutz nicht mehr viel übrig – ein Appell