print print
favorites-circle favorites-circle
favorites-circle-full favorites-circle-full
Arbeitswelt
Ungleichheit

Schon in der Schwangerschaft angemeldet, aber am Ende der Karenz oft kein freier Kindergartenplatz in Österreich

Eine verzweifelte Mutter schreit, vor ihr drei Kinder, die auf ihrem Laptop schreiben. Damit wird ein Artikel zu mangelnden Kinderbetreuungsplätzen bebildert.
Viele Eltern, allen voran Mütter, müssen Beruf und Kinderbetreuung unter einen Hut bringen - denn es gibt einfach zu wenig Kindergartenplätze für die Kleinsten. Foto: Gustavo Fring/Pexels
Viele werdende Eltern melden sich bereits in der Schwangerschaft für einen Kindergartenplatz an - doch auch dann bekommen sie am Ende der Karenz Absagen. In Österreich gibt es einfach zu wenige öffentliche Plätze in Krippe, Horten, Tagesgruppen und Kindergärten für Kinder unter drei Jahren. Vielen Frauen wird damit der Wiedereinstieg in den Beruf erschwert. Im internationalen Vergleich ist das beschämend.

Vanessa S. ist Mutter eines Vierjährigen und arbeitet selbstständig. Nach der Geburt ihres Sohnes lebte sie in St. Pölten und wollte wieder arbeiten, als das Baby ein Jahr alt war: “Es war unmöglich in St. Pölten eine Kinderbetreuung für ein so kleines Kind zu bekommen. Ich habe hier leider keine Familie, die mir helfen kann.” 

Vanessa fand schließlich einen Platz. Nur eben außerhalb von St. Pölten in einer kleinen Gemeinde. Mit dem Auto brauchte sie eine halbe Stunde dorthin. “Ich hab viel Zeit durch den langen Anfahrtsweg verloren, aber so konnte ich wenigstens ein paar Stunden ungestört arbeiten”, erzählt Vanessa. Ihrer Nachbarin ging es nicht anders. Die konnte zwar einen der wenigen privaten Krippenplätze ergattern – musste dafür aber rund 500 Euro im Monat bezahlten. “Kein Wunder, dass so viele Frauen zu Hause bleiben, weil die Rückkehr in den Beruf zu mühsam ist, oder sich schlichtweg finanziell nicht rentiert”, meint Vanessa.

Viel zu wenig Plätze in Kindergarten, Krippe und Hort für Kinder unter drei Jahren

Die Situation grenzt gelegentlich ans Absurde. Kinder in Niederösterreich dürfen zum Beispiel öffentliche Kindergärten frühestens mit 2,5 Jahren besuchen. So will es das Landesgesetz. Für die Kinder unter 2,5 Jahren gibt es deshalb auch einfach gar keine öffentlichen Kindergartenplätze.

Wer die Karenz bis ans Äußerste ausreizt, muss aber spätestens nach zwei Jahren wieder arbeiten. Vanessa findet das direkt zynisch: “Auch wenn ich die Karenz-Dauer ausnutze oder besser gesagt ausnutzen muss, weil ich früher nicht in den Beruf zurückkehren kann, dann bleibt noch immer ein halbes Jahre übrig, in dem ich irgendwie die Kinderbetreuung privat organisieren muss.” Ein Familienvater aus St. Pölten stand vor demselben Problem, wie er MOMENT erzählt: “Ohne Großeltern hätten wir es einfach nicht geschafft.”

Wie hoch wäre der Bedarf an Betreuung für Kinder unter drei Jahren?

Laut der jüngsten Statistik waren mit Stichtag 15. Oktober 2019 bundesweit 371.570 Kinder in Kindergärten eingeschrieben, 47.282 besuchten Krippengruppen und Kleinkindbetreuungsgruppen, 51.665 waren in einem Hort untergebracht und 45.310 in altersgemischte Betreuungsgruppen. Doch wie viele Plätze wären eigentlich benötigt worden? Das kann niemand genau sagen.

Dass es bundesweit zu wenig Plätze für Kinder unter drei Jahren gibt, steht außer Frage. Da die Kinderbetreuung aber in die Zuständigkeit der Bundesländer fällt, gibt es österreichweit verschiedene Gesetze und Umsetzungen – die Betreuungsquote fallen jedenfalls sehr unterschiedlich aus.

Bedarfserhebungen fallen außerdem in die Zuständigkeit der Gemeinden und Städte. Die führen diese aber auf recht unterschiedliche Art und Weise durch. Deshalb sind die Daten oft nicht vergleichbar. Der oberösterreichische Arbeiterkammer-Präsident Johann Kalliauer führt das Dilemma am Beispiel Oberösterreich vor Augen: “Nicht einmal auf die Anzahl der Plätze für die Kinder ist Verlass. Es gibt nämlich die Möglichkeit, sich Plätze zu teilen. Etwa von Montag bis Mittwoch Kind A und von Donnerstag bis Freitag Kind B.” 

Diese Vorgehensweisen kritisierte der oberösterreichisch Landesrechnungshof 2017 scharf, da so weder eine aktuelle noch zukünftige Bedarfserhebung möglich sei. Dieses Problem besteht praktisch in jedem Bundesland. Nur nach den Geburtenzahlen Schätzungen anzustellen, reicht hier nicht.

Kinderbetreuung: Verschlechterung statt Ausbau

Kalliauer beklagt außerdem, dass es in Oberösterreich in den vergangenen Jahren sogar Rückschritte bei der Kinderbetreuung gab: “Das Angebot an vollzeittauglichen Kinderbetreuungsplätzen für Unter-Dreijährige in Oberösterreich ist nicht gestiegen, sondern sogar zurückgegangen. Angesichts der zunehmend verlangten Flexibilität von ArbeitnehmerInnen und des gesetzlich aufgezwungenen 12-Stunden-Tages kann da nur von Hohn gegenüber den betroffenen Eltern gesprochen werden.”

Dazu kommt, dass in Oberösterreich seit Februar 2018 die Nachmittagsbetreuung ab 13 Uhr kostenpflichtig ist. Nur in Wien und Burgenland ist der Kindergarten ganztägig kostenlos. Die Entwicklung in Oberösterreich führte dazu, dass nun nur jede zweite Frau Vollzeit arbeitet. Denn allzu oft wirkt sich das Problem vor allem auf die Frauen aus.

Öffnungszeiten in Kindergarten und Hort sind das nächste Problem

Nur 23% aller Mütter in Österreich, deren Kinder unter 6 Jahren alt sind, arbeiten Vollzeit. Ein Drittel aller Teilzeitbeschäftigten geht nur deshalb nicht Vollzeit arbeiten, weil sie Kinder betreuen müssen, oder Angehörige pflegen. Das ergab eine Umfrage von Eurostat

Ein Blick auf die Öffnungszeiten von Kindergärten, Kindergruppen, Krabbelstuben, Krippen und Horten zeigt außerdem, warum vielen Eltern – und dabei vor allem Frauen – nur eine Teilzeitanstellung möglich ist. In ganz Österreich schließt ein Drittel der Kindergärten und Krabbelstuben vor 16 Uhr. Nur 6 von 10 der Kinderbetreuungseinrichtungen in ganz Österreich bieten mindestens neun Stunden Betreuung an. Und dann fallen wie gesagt für die Nachmittagsbetreuung in den meisten Bundesländern noch zusätzliche Kosten an.

Kindergartenplatz bekommen – aber am anderen Ende der Stadt

Obwohl Wien und das Burgenland bundesweit bei den Betreuungsquoten der Kinder unter drei Jahren noch am besten abschneiden, ist auch hier bei weitem nicht alles rosig. Das kann Annemarie R. bestätigen, die sich bereits während ihrer Schwangerschaft für private Kindergartenplätze angemeldet hat – für öffentliche ist dies erst ab der Geburt möglich. “Ich und mein Mann arbeiten voll und von allen angefragten Kindergärten in der Nähe oder am Arbeitsweg gab es nur Absagen, egal ob öffentlich oder privat”, meint Annemarie verbittert. Ohne die Hilfe einer Großmutter, die aber selbst noch berufstätig ist, ginge es nicht.

In Wien gibt es zwar noch Plätze für Kinder unter drei Jahren, wie auch die Kinderfreunde bestätigen. Aber wenn dieser am anderen Ende der Stadt liegt, ist den Eltern damit oft nicht geholfen. 

Grundsätzlich gibt es aber noch freie Plätze für kleine Kinder in Wien – und aktuell sogar mehr als sonst. Das sei aber vor allem der Corona-Krise geschuldet, wie Michaela Müller-Wenzel, Sprecherin der Kinderfreunde Wien, erklärt: “Wir bemerken, dass etliche Eltern den Kindergarteneinstieg eher verschieben. Daher haben wir durchaus Plätze für 1- bis 3-jährige Kinder frei.” 

Die Gründe seien vielfältig: Angst vor einer Ansteckung, oder weil manche den Spagat zwischen Homeoffice und Kinderbetreuung schaffen wollen – manchmal wird die Wiederaufnahme des Jobs nach der Karenz verschoben, oder er ist aufgrund der aktuellen Krise ohnehin weg. Viele Eltern sind nun vor eine schwere Entscheidung gestellt, da im Kindergarten, Hort oder der Krabbelstube eben eine höhere Ansteckungsgefahr herrscht. Auch wenn es derzeit sogar mehr Plätze gibt, so fällt für viele Eltern derzeit eine wichtige familiäre Unterstützung weg, wenn die Großeltern etwa zur Risikogruppe zählen.

Kinderbetreuung im internationalen Vergleich beschämend

In Österreich wird vor allem Frauen der Wiedereinstieg in den Beruf erschwert – denn die öffentliche Kinderbetreuung ist eben erst für 2,5-Jährige beziehungsweise Dreijährige gut ausgebaut. 

In unserem Nachbarland Deutschland gibt es bereits ein Anrecht auf eine Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr – unabhängig davon, ob die Eltern erwerbstätig sind oder nicht. Auch dort gibt es freilich noch Verbesserungsbedarf. Doch ein Vergleich unter EU-Ländern zeigt, dass Österreich bei der Betreuung von unter 3-jährigen Kindern sogar weit unter dem EU-Schnitt liegt.

    Neuen Kommentar hinzufügen

    Kommentare 0 Kommentare
    Kommentar hinzufügen

    Neuen Kommentar hinzufügen

    Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Beitrag!