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Demokratie

Universitäten stürzen ins Budgetloch. Wird Österreich sie auffangen?

Demonstration auf der Wiener Ringstraße. Foto: Österreichische Hochschüler_innenschaft
Universitätsangestellte und Studierende gehen unter "Uni friert" auf die Straße - in Wien, Linz und Graz. Der Grund: Das Budget, das vom Bildungsministerium den Universitäten zugeteilt wurde, reicht nicht, um die Teuerungen abzufangen. Nun stehen sie vor einem Loch im Budget. Die Konsequenzen reichen von Nachbesetzungsstopp bis zur Schließung der Gebäude. Der TU Wien droht 2024 die Zahlungsunfähigkeit. Was ist hier passiert?

„Wär’ die Uni eine Bank, wär’ sie längst gerettet“ steht auf einem großen Banner auf einer Kundgebung der Johannes-Kepler-Universität in Linz. Derselbe Spruch ziert Banner bei einem Protest der TU Wien. Beide haben Budgetlücken angekündigt. Denn die 500 Millionen Euro, die die Regierung den Universitäten für den Ausgleich der Teuerungen zugewiesen hat, sind längst nicht genug. Insgesamt stehen die österreichischen Universitäten vor 1,2 Milliarden Euro, die bis 2024 fehlen werden.

Das Budget der Universitäten wird immer für drei Jahre im Voraus bestimmt, durch sogenannte Leistungsvereinbarungen zwischen Universitäten und Staat. Das Geld, das bis 2024 zur Verfügung stehen soll, wurde schon im Oktober 2020 festgelegt. Damals erwartete man eine Inflation von etwa 2 Prozent. Dass diese Rechnung nicht aufgeht, sollte nun niemanden überraschen – schon gar nicht Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP), der früher selbst Uni-Rektor war.

Teuerungen reißen ein Loch in die Budgets

Die größten Kostenfaktoren einer Universität sind Energie, Personal und Mieten. Neben den Energiekosten war auch absehbar, dass die Lohnkosten aufgrund der Inflation stärker steigen werden. Das Gleiche gilt für die Mieten. Obwohl die Gebäude der Bundesimmobiliengesellschaft gehören und somit dem Staat, ist bisher kein Entgegenkommen bei den Mieterhöhungen geplant.

Besonders betroffen sind technische Universitäten. Labors und technische Infrastruktur machen 60 Prozent des Stromverbrauchs der TU Wien aus. Die hohen Energiepreise erzeugen Mehrkosten von 90 Millionen Euro. Nach Mietsteigerungen, Kollektivvertragsanpassungen sowie Preisanstieg von Materialien und Geräten braucht der Betrieb bis 2024 170 Millionen Euro mehr, als das Budget hergibt.

Auch mit der vorgesehenen Aufstockung des Budgets bleibt der TU Wien ein Loch von 110 Millionen Euro. Die Konsequenzen sind drastisch. Um zu sparen, wird die TU Wien von Mitte Dezember bis Mitte Jänner die Türen schließen. Ganze Lehrveranstaltungen könnten gestrichen werden, Distanzlehre soll zunehmen. Dabei sind besonders Naturwissenschaft und Technik auf Labore angewiesen.

Angestellte als Sparfaktor?

Österreichs Universitäten stecken in der Krise. Auch die TU Graz weiß nicht, wie sie 72 Millionen Euro der Mehrkosten decken soll. Der Karl-Franzens-Universität in Graz und der Uni Innsbruck fehlen je 40 Millionen Euro. Universität Wien, MedUni Wien und BOKU, Montanuniversität und die Kunstuniversität Linz –  sämtliche öffentliche Universitäten sind mit Finanzierungsschwierigkeiten konfrontiert.

„Es kann nicht sein, dass das Personal die Teuerungen tragen soll“, fordert Nadja Aichinger, Betriebsrätin der JKU Linz bei der Kundgebung am 10. November. Die Universität hat durch die Teuerungen ein Budgetloch von 17 Millionen Euro. Energie wird schon gespart, wo es möglich ist, Investitionen werden ausgesetzt. Das bedeutet, das fehlende Geld wird besonders bei den kommenden Gehaltsverhandlungen der Universitätsangestellten spürbar sein.

Keine Jobsicherheit an Universitäten

Die Universität Wien, JKU Linz, TU Wien und TU Graz haben einen kompletten Ausschreibungs- beziehungsweise Nachbesetzungsstopp verhängt. Ändert sich die Situation nicht, steht das auch der KFU Graz und der Montanuniversität Leoben bevor. Das bedeutet, dass viele ihre Stelle in ein paar Jahren verlieren werden. „An der Universität haben die meisten ohnehin nur befristete Verträge“, meint Alois Birklbauer, Professor für Strafrecht an der JKU Linz. Diese nicht zu verlängern wäre die einfachste Möglichkeit, Personal abzubauen, ohne Kündigungen auszusprechen. Das Ergebnis ist langfristig das gleiche.

Studierende fühlen sich erneut im Stich gelassen

Die Studierenden trifft das doppelt. Die Stellen, die als erste verloren gehen, sind jene, die von ihnen besetzt werden könnten – Tutorien und Junior-Stellen könnten stillgelegt werden. Neben noch schlechteren Berufsaussichten erwartet die Studierende eine schlechtere Betreuung und weniger Qualität in der Lehre. Lehrveranstaltungen und sogar ganze Studiengänge könnten der Finanzierungsnot zum Opfer fallen.

Viele fürchten sich, was das für sie bedeuten wird. „Ich möchte zügig studieren“, meint Laura Sophie Otter. Sie studiert Jus und technische Physik an der JKU Linz. Schon wegen der Corona-Pandemie fielen Labore aus und waren im Semester darauf überfüllt. Das kann die Studienzeit schnell verzögern. Braucht sie dadurch länger als in der Mindeststudienzeit vorgesehen ist, müsste sie Studiengebühren zahlen. Das können sich viele nicht leisten. „Wir verspüren, dass der Druck auf uns steigt, es ist beängstigend“, erzählt sie.

Universitäten kosten nichts

Mit der Unterfinanzierung der Universitäten geht der Staat ein gewaltiges Risiko ein. Gespart wird dabei nur kurzfristig. Denn Universitäten bringen dem Staat mehr ein, als sie ihn kosten. Die Einnahmen aus Sozialversicherungsabgaben der Angestellten und Steuern betragen jährlich 3,1 Milliarden Euro. Der größte Teil der 3,5 Milliarden, die der Staat für die Universitäten ausgibt, fließen bereits im ersten Jahr zurück. Insgesamt generieren Universitäten jährlich 6,3 Milliarden Euro für die österreichische Wirtschaft. Bis zu 10 Prozent des BIP-Wachstums gehen auf Universitäten und ihre Absolvent:innen zurück.

An den Unis zu sparen, ist wirtschaftlicher Irrsinn

Die langfristigen Effekte wirken sich noch stärker aus. Universitäten schaffen Arbeitsplätze, senken die Arbeitslosenquote und fördern nationale sowie internationale Kooperation. 110.000 Menschen sind von Universitäten angestellt. 81 Prozent aller Unternehmen, die mit Hochschulen zusammenarbeiten, führen Innovationen ein. Universitäten arbeiten an Lösungen von gesellschaftlichen Problemen. Von Klimakrise und Pandemiebekämpfung bis hin zu Industrie, Rechtsstaat und Ungleichheit. Zudem stärken Universitäten den Wirtschaftsstandort.

An den Unis zu sparen, ist wirtschaftlicher Irrsinn. Doch innerhalb einer Legislaturperiode fällt es nicht auf. „Den Schaden, der jetzt verursacht wird, sieht man in 10 bis 15 Jahren“, sagt Alois Birklbauer. „Betreffen wird die Einsparung die nächste Generation. Das ist ein Verrat an der Zukunft.“

Für die TU Linz scheint es Geld zu geben

Dass schlicht und einfach das Geld fehle, lassen Studierende und Angestellte der JKU Linz nicht gelten. Besonders eine Sache lässt das Argument unglaubwürdig erscheinen: In Linz soll am Gelände der JKU eine neue Universität gebaut werden, die TU Linz.

„Wieso wird ein neues Institut gebaut, wenn die bestehende Universität nicht abgesichert ist?“, fragt sich ein Angestellter der JKU. Besonders kritisiert wird, dass geplant ist, die neue TU aus der sogenannten „Ministerreserve“ zu finanzieren. Das ist ein Topf, der für Notfälle bereitstehen sollte. „Und diese Inflation ist für uns eine Notlage“, sagt der Angestellte, der lieber anonym bleiben möchte.

Ein höchst kontroverses Projekt

Auch die Studierenden sind damit nicht einverstanden. „Das Geld für Notreserven wird in eine neue, viel kritisierte Uni gesteckt und eine bestehende, funktionierende Fakultät wird vernachlässigt“, sagt Marius Tillner von der Studienvertretung der technisch-naturwissenschaftlichen Fakultät der JKU.

Tatsächlich ist die TU Linz ein höchst kontroverses Projekt. Gewünscht von Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP), gestützt von der Industriellenvereinigung und versprochen von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Das „Institute of Digital Sciences Austria“ soll Digitalisierung und digitale Transformation fördern. Der Bedarf wird aber von der Universitäten-Konferenz (uniko) sowie Fachleuten infrage gestellt.

Universitätsgesetz soll nicht gelten

Schon damals wurde befürchtet, dass das Geld an den anderen Universitäten fehlen würde. Die Senatsvorsitzendenkonferenz der Universitäten sieht die Wissenschaftsfreiheit in Gefahr, die Universität wäre zu nahe an den Interessen der Industrie. Was ebenfalls für Verwunderung sorgt: Das Universitätsgesetz soll für die neue TU nicht gelten, genauso wenig wie die Uni-Kollektivverträge.

Die Politik wünscht sich schon 2023/2024 erste Lehrveranstaltungen an der TU Linz. Währenddessen läuft die TU Wien Gefahr, zu diesem Zeitpunkt die Rechnungen nicht mehr zahlen zu können. Die Universitäten finanziell ausbluten zu lassen, sollte für die Politik keine Option sein – nicht nur, weil sie eine gute Geldquelle sind.

Universitäten sind kritische Infrastruktur

Das vermeintliche Sparprogramm gefährdet kritische Infrastruktur. Wenn die TU im Dezember die Türen schließt, müssen auch wichtige Geräte abgeschaltet werden. Dazu zählen Detektoren für radioaktive Strahlen. Daten, die in einem Notfall lebenswichtig sein können, werden einfach fehlen.

Die Politik sollte auch nicht vergessen, dass unsere Gesundheitsversorgung an die Universitäten gebunden ist. Nicht nur die Forschung, sondern ein großer Teil des Betriebs wird von den medizinischen Universitäten finanziert, in Wien sogar komplett. Ein Sparen an den Universitäten bedeutet ein Sparen am Gesundheitssystem, das ohnehin schon gefährdet ist.

Keine Planungssicherheit für Universitäten

Bildungsminister Polaschek hat nun zusätzliche 150 Millionen für 2023 versprochen, also insgesamt 400 Millionen mehr. Für 2024 möchte er sich die Situation erneut ansehen. Planungssicherheit gibt das den Universitäten nicht. Dass sie darauf aber angewiesen sind, kommt für den Ex-Rektor „früher als gedacht“. Von den 600 Millionen, die pro Jahr gefordert werden, ist es weit entfernt. Den Schaden, der dabei entstehen wird, rückgängig zu machen, wird um einiges mehr kosten, als das.

 

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