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Demokratie

Casinos-Skandal: Wir ziehen die falschen Lehren

Ansicht einer Reihe von Spielautomaten.
Spielsucht ist eine psychische Krankheit. Doch die Diagnose reicht oft nicht aus, um verlorene Einsätze zurückzubekommen.

Das Problem ist nicht, dass ein anscheinend unfähiger Vorstand für den Casinos-Skandal eingesetzt werden sollte. Das Problem ist, dass es überhaupt möglich war.

Immer wieder erstaunlich ist, wie manche Menschen es schaffen, aktuelle Skandale für die eigene Agenda umzudeuten. So beim Casinos-Skandal.

Der aktuelle Skandal rund um Ex-ÖVP-Finanzminister Löger, sein Kabinett, HC Strache, die FPÖ, und den Glückspielkonzern Novomatic ist schlimm genug. Die Schlussfolgerung der Presse daraus mutet aber ziemlich eigenartig an: Das Problem sei, dass der Staat die Casinos Austria nicht schon längst verkauft hat.

Privatisierung wird einmal mehr als das ultimative Heilmittel angepriesen – der Globuli der Staatsreform. 

Das verkennt jedoch völlig den eigentlichen Skandal. Dessen Tragik ist nicht einfach nur die Bestellung eines vermeintlich ungeeigneten FPÖ-Politikers, Peter Sidlo, zum Vorstand. Das Problem wäre vielmehr, dass im Gegenzug für die Zustimmung zu Postenbesetzungen der Novomatic Glücksspiellizenzen versprochen worden sein sollen. (Die Verdächtigten bestreiten die kolportierten Vorwürfe.)

Da drängen sich aber gleich einmal zwei Fragen auf: 

Frage Nummer 1

Warum in aller Welt sitzt die Novomatic im Aufsichtsrat der Casinos Austria und darf dort mitbestimmen?

Die Antwort: Weil Novomatic Anteile (rund 17%) an der Casinos Austria besitzt. Aber wieso ist das erlaubt? Novomatic ist ein direkter Konkurrent der Casinos. Geht es den Casinos schlechter, geht es Novomatic besser. Was hat also diese Firma als Aktionär mit Aufsichtsräten bei den Casinos zu suchen? Wie wirkungslos und handzahm sind Wettbewerbsrecht und Wettbewerbsbehörde, wenn sie so etwas erlauben? 

Wäre die Novomatic nicht im Aufsichtsrat, hätte die FPÖ (und ÖVP) den mutmaßlichen Deal mit ihr gar nicht machen können. 

Frage Nummer 2

Ist das politische Lobbying von Konzern und überreichen Privatpersonen – in diesem Fall vom Alleineigentümer der Novomatic Johann Graf – ein demokratiepolitisches Problem? Die Antwort: Ein klares Ja.

Warum sollten die Bestellungen oder der politische Kampf um Glücksspiellizenzen, irgendwie anders laufen, würden die Casinos im Privateigentum stehen (eventuell sogar in jenem von Johann Graf?). Auch bisher nahm dieser offenbar schon äußerst aggressiv auf die Politik Einfluss.

Da erinnert man sich an Straches denkwürdigen Satz im Ibiza-Video: „Die Novomatic zahlt alle.“ Glawischnig, Gusenbauer, EU-Kommissar Johannes Hahn arbeiteten alle im Konzern oder dessen Umfeld. Auch die ehemaligen Landeshauptmänner Pröll und Häupl sowie Ex-Finanzminister Grasser und Kumpanen („Wo woa mei Leistung“ Meischberger usw.) machten sich für Novomatic stark. 

Wäre das gesamte Glücksspiel in der Hand einer rein staatlichen Casinos Austria und gäbe es Novomatic als politischen Einflussfaktor in Österreich nicht, dann stünde der Verdacht der Korruption jetzt nicht im Raum. Zudem hätte die Politik es wesentlich leichter, das Existenzen ruinierende Glücksspiel wieder einzudämmen. 

Erfolgreiche Ablenkung

Das schlimme Sittenbild, das sich in der Casinos Affäre zeigt, ist keines des staatlichen Postenschachers. Wer sich darüber aufregt, hat sich von den Spin-Doktoren erfolgreich vom ungemein größeren Problem ablenken lassen: den gesellschaftlichen Einfluss von zu viel zu reichen Personen. Sie haben die finanzielle und politische Macht, einzelne PolitikerInnen sowie ganze politische Parteien einfach einzukaufen und wie Spielfiguren nach ihrer Pfeife tanzen zu lassen. 

Unabhängig von dem, was gut für eine Gesellschaft ist (wie die Eindämmung und strenge Regulierung des Glücksspiels), geht es privaten Konzernen im politischen Lobbying ausschließlich um ihren Gewinn – oft auf Kosten aller anderen. Setzen sie sich durch, ist das keine Demokratie mehr, sondern eine Oligarchie. Eine Vermögenssteuer, um schädlichen Über-Reichtum auch nur irgendwie einzudämmen, wäre ein Teil der Lösung. 

Die Satire-Zeitung Tagespresse hat einen weiteren unernsten Lösungsvorschlag, bei dem Johann Graf sein gesamtes Vermögen an einem seiner Spielautomaten innerhalb von Minuten verzockt. Solch eine glückliche Fügung zeichnet sich aber überhaupt nicht ab – im Gegenteil, das Problem wird jedes Jahr schlimmer. Ein neues, strenges Anti-Korruptionsgesetz gegen die politische Einflussnahme von Superreichen wäre dringend notwendig.

Sonst leben wir entgegen dem klimatischen Trend politisch bald im tiefsten Russland. 

 

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