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Arbeitswelt
Ungleichheit

Degressives Arbeitslosengeld einführen? Gibts ja schon!

Wer seinen Job verliert, stürzt über Nacht ab: Mit halb so viel Geld wie bisher müssen weiterhin die ganzen Rechnungen bezahlt werden. Wenn jetzt die Preise wie verrückt steigen, dann wird dieses bisschen jedes Monat noch weniger wert. Was will der Arbeitsminister nun tun? Werden Leistungen wie das Arbeitslosengeld jetzt endlich erhöht? Nö. Eigentlich will der Arbeitsminister allen, die länger nach einem Job suchen, NOCH weniger zahlen. Moment Mal! 

 

 

Wer seinen Job verloren hat, der rennt gerade einen Marathon bergauf gegen die steigenden Preise. Klar, wer seinen Job los ist, dem fehlen immer von einem Tag auf den anderen fast die Hälfte des Einkommens. Wer in der Gastro hackelt, dem fehlt sogar viel mehr, weil das Trinkgeld obenauf komplett wegfällt. Nun klettern die Preise so schnell wie die Temperatur – da gehts dann ganz schnell auch um die Existenz. Jeder dritte Haushalt ächzt unter den Preisen und kommt mit seinem Einkommen nicht mehr aus. 

Handfeuerlöscher oder feuerfeste Sozialleistungen? 

Die Regierung schickt im Herbst vor allem Einmalzahlungen, um dort zu helfen, wo jeder Cent mittlerweile dreimal umgedreht wird. Das reicht vielleicht für den kurzen Sprint bis zur nächsten Stromrechnung, der Preis-Marathon ist aber ganz sicher nicht zu schaffen.  

Ab nächstem Jahr immerhin sollen Sozialleistungen wie die Familienbeihilfe etwa an die Teuerung jedes Jahr automatisch angepasst werden. Das ist echt überfällig: Ab kommendem Jahr sollen zwar bestimmte Sozialleistungen mit der Teuerung mitwachsen. Aber: Arbeitslosengeld und Notstandshilfe gehören nicht dazu. Diese Leistungen verlieren weiter jeden Tag kräftig an Wert. Wer im ersten Lockdown gefeuert wurde, kann sich heute schon um 14 Prozent weniger leisten als damals. Denn er erhält nach einigen Monaten nur noch die noch geringere Notstandshilfe. Und: Das Leben wird halt laufend teurer. Je länger die Arbeitslosigkeit dauert, umso höher der Kaufkraftverlust: Wer seit fünf Jahren einen Job sucht, kann sich mit seinem Arbeitslosengeld um ein Fünftel weniger leisten.

Das degressive Arbeitslosengeld gibts längst

Wir sehen also: Unser Arbeitslosengeld folgt längst dem Modell: Je länger man arbeitslos ist, desto weniger Geld hat man in der Tasche.
Da geht noch weniger, meint Arbeitsminister Kocher und will immer noch das “degressive Modell” umsetzen, bei dem das Arbeitslosengeld mit Dauer der Arbeitslosigkeit sinkt. Wohin soll es denn noch sinken? In den Keller? Die Kosten für Miete, Essen oder Heizen sind ja ganz und gar nicht “degressiv”, die sinken natürlich nicht, nur weil ich länger auf Jobsuche bin.  
 
Was soll dieses Modell bringen?

Kocher glaubt: Wird das Geld weniger und weniger, dann “finden”  arbeitssuchende Menschen schneller wieder Arbeit. Der Schönheitsfehler dabei: Es gibt kaum Studien, die belegen, dass sinkendes Arbeitslosengeld auf magische Weise Jobs schafft und Leute schneller wieder in Beschäftigung bringt. 
 
Aber: Je weniger Geld man hat, desto eher ist man gezwungen wirklich jeden Job anzunehmen: und wenn er noch so schlecht bezahlt, die Arbeitsbedingungen noch so mies sind. Und: Wer einmal seinen Job verloren hat, landet eher in prekären, schlecht bezahlten Jobs. Nebeneffekt: Wer einen Job hat, denkt dreimal drüber nach, den zu riskieren.
 
Die Unterstützungsleistungen für Arbeitslose werden jetzt schon alleine auf Grund der steigenden Preise mit der Zeit immer weniger. Ein Arbeitslosengeld, das mit zunehmender Dauer abfällt, ist also längst Realität für zehntausende Menschen. Die finden deshalb aber nicht schneller einen neuen Job, nein, für die bedeutet das einen enormen finanziellen Druck. Das gilt besonders für langzeitarbeitslose Menschen: Jeder zweite, der länger als ein Jahr arbeitslos ist, ist akut armutsgefährdet.
 

Was arbeitslose Menschen bräuchten

Unterstützungszahlungen, die sie während der Jobsuche wirklich absichern. Arbeitslosengeld und Notstandshilfe müssten dafür auch mit der Teuerung mitwachsen – und zwar von einem armutsfesten Level aus: mindestens 70 Prozent des letzten Nettogehalts wären dafür erforderlich. Und für langzeitarbeitslose Menschen braucht es zusätzlich öffentliche Beschäftigungsprogramme. Besser noch als Arbeitslosigkeit, finanzieren wir doch sinnvolle Arbeit. 

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