Ungleichheit

Gegengelesen nach tödlicher Männergewalt in Traiskirchen: Oe24 zeigt wieder einmal, wie Medien nicht darüber berichten sollten

Das Medium “OE24” macht bei der Berichterstattung über einen mutmaßlichen Mord und versuchten zweiten Mord an einem Paar in Traiskirchen wieder einmal eine Menge falsch.

“Zwei Todesopfer – Todesschüsse in Traiskirchen: Blutbad auf Facebook angekündigt” titelt die “OE24”. Fakt ist: Ein Österreicher schoss auf ein Paar in Traiskirchen. Er tötete den Mann und verletzte die Frau schwer. Danach beging er Suizid.

Trotzdem spricht “OE24” von zwei Todesopfern und zählt somit den mutmaßlichen Täter als “Opfer” mit. Ebenso bezeichnet die Zeitung die Tat im Titel und Teaser als Blutbad, um die Szene voyeuristisch auszuschmücken. 

Dabei geht es hier nicht um einen Splatterfilm, sondern um tatsächliche Männergewalt, die mindestens einer anderen Person sogar das Leben kostete.

Im Teaser bezeichnet das Blatt das Todesopfer als “Kontrahenten” ohne den Kontext zu erklären. Damit bleibt viel Fantasie für die Leser:innen übrig und die Bezeichnung der Tat lädt dazu ein, die Tat zu legitimieren. 

In der Printausgabe ist außerdem ein Foto des mutmaßlichen Täters mit einem schwarzen Balken über seinen Augen zu sehen. Inhaltlich ist das nicht relevant für die Geschichte, aber ein weiteres Mittel um Leser:innen zu schocken und sie in die Situation rein fühlen zu lassen. 

Die Folgen für Angehörige der Opfer (oder Menschen mit ähnlichen Erfahrungen), die dadurch traumatisiert werden könnten, sind “OE24” offensichtlich egal. 

In diesem Kontext von dem Täter als Ex-Rotlicht-Größe zu sprechen, ist bedenklich. Jede Form der positiven Zuschreibung eines Täters in den Medien kann Nachahmungstaten wahrscheinlicher machen. 

Ebenso erzählt die Zeitung das Geschehen immer wieder Täter-orientiert. Hier etwa, indem von “seiner jungen, erst 25-jährigen Ex-Freundin” gesprochen wird. Genauso gut könnte ja auch von dem gewalttätigen Ex-Partner des dann ins Zentrum der Aufmerksamkeit gestellten Opfers die Rede sein. 

“OE24” betreibt hier eine typische Täter-Opfer-Umkehr: Das männliche Opfer sei getötet worden, weil er dem Täter die Frau ausgespannt haben soll. Damit suggeriert “OE24”, dass Eifersucht oder männliches Besitzdenken ein verständlicher Grund wäre, eine Person zu töten. 

Darüber hinaus stellt die Zeitung die schwer verletzte Frau nur als einen Spielball im Streit zweier Männer dar, die sich um “ihren Besitz” streiten. Das ist gegenüber dem männlichen Opfer unfair, den “OE24” auf dieselbe Stufe wie den gewalttätigen Täter stellt, aber auch der Frau gegenüber. 

Die stellt das Blatt als passiv dar – als Gegenstand, auf den Männer Anspruch erheben können. Statt sich gegen die alte (Gewalt-)Beziehung und für eine neue Beziehung zu entscheiden, wird sie “ausgespannt”.

Die Zeitung geht auf den vermeintlichen “Abschiedspost” des Täters ein und erzählt von der Betroffenheit seiner Bekannten und Freund:innen. Die Nachricht und Sicht des Täters wird verstärkt. Empathie wird für den Täter bei Leser:innen erzeugt.


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Gleichzeitig veröffentlicht man ein Foto des Mordopfers mit verpixeltem Gesicht genauso wie den Vornamen und den ersten Buchstaben des Nachnamens. Das ist pietätlos für die Angehörigen und das Opfer selbst. 

Die Bezeichnung des mutmaßlichen Täters als “Killer” erinnert mehr an einen Psychothriller als an einen tatsächlichen Mord eines realen Menschen. Davon abgesehen wäre ein Gewaltvorfall für Medien immer eine Möglichkeit, um eine Debatte zu eröffnen über strukturelle Ursachen, die zu dieser Tat beigetragen haben (ein paar Möglichkeiten: falsch verstandene Männlichkeit, falsches Besitzdenken über Frauen, warum Personen trotz Waffenverbots so einfach an Waffen kommen oder wie der Haft-Ausgang bei häuslicher Gewalt gehandhabt wird) – und was sie künftig verhindern könnte.

So würde das Gemeinsame aus vielen verschiedenen Einzelfällen herausgearbeitet. Probleme und Strukturen aufgezeigt. Aber da ist man bei “OE24” an der falschen Adresse. Hier wird nur der aktuelle Anlass möglichst sensationell wiedergegeben.

Wenn das Verhältnis zwischen den Opfern und dem Schützen doch weiterhin Untersuchungsgegenstand ist, warum vermittelt dann die Zeitung das Bild, dass das Beziehungsverhältnis bereits geklärt ist?

Kurz vor dem Ende des Artikels weist “OE24” auf die Unschuldsvermutung des mutmaßlichen Täters hin. Sogar medienrechtlich ist das nicht relevant, wenn der restliche Artikel für diesen Zweifel an der Schuld keinen Raum lässt. 

Und wenn man im selben Text ein Bild mit schwarzen Balken der Person mit Vornamen und ersten Buchstaben des Nachnamens veröffentlicht, geht die Unschuldsvermutung verloren. Ganz abgesehen davon, dass man Täter:innen nicht berühmt machen sollte.

Am Ende des Artikels nennt “OE24” keine Hilfestellen, um Gewalt oder auch Suizide zu verhindern.
Deshalb hier eine Auflistung von Stellen bei denen du Hilfe bekommen kannst:


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