Eine junge Frau sitzt verzweifelt vor ihrem Laptop.

Endlich hat die Regierung auf die scharfe Kritik bezüglich der Auszahlungspraxis des Härtefallfonds reagiert. Experten sagen jedoch: Das ist immer noch nicht der große Wurf. Credit: pexels.com/Andrea Piacquadio

/ 29. Mai 2020

Die Regierung hat am Donnerstag angekündigt, dass die Auszahlungen aus dem Härtefallfonds massiv ausgeweitet werden. Damit wurde auf die scharfe Kritik von Klein- und Einzelunternehmern reagiert, die die Hilfe - nobel ausgedrückt - bislang als Witz empfanden. Die neuen Regelungen sind aber noch immer nicht der große Wurf.

 

Als “absoluten Albtraum” beschreibt Martina E. (Name von der Redaktion geändert) ihre bisherige Erfahrung mit dem Härtefallfonds. Die Tischlerin hat eine kleine Werkstatt, arbeitet hauptsächlich im Kulturbereich und macht die Ausstattung und Bühnenbilder für Theaterproduktionen. Ihr Hauptgeschäft sind vor allem die Sommerfestivals - die nun alle nicht stattfinden.

 

Wenig bis nix aus dem Härtefallfonds: Was bislang schief lief

Martina E. ist eine von vielen Einzel- und Kleinunternehmern, die von der aktuellen Krise schwer getroffen sind. Sie hat einen Totalausfall ihres Umsatzes erlebt. Vom Härtefallfonds hat sie bislang kaum etwas bekommen. Wie so viele. Warum, versucht sie uns aufzuschlüsseln: Für die erste Phase des Härtefallfonds ist Martina E. nicht mal infrage gekommen: “Im März wurde eine hohe Rechnung bezahlt, die eigentlich seit Jänner ausständig war. Und dann hatte ich plötzlich ein zu hohes Einkommen. Obwohl bereits damals alle Aufträge storniert wurden und ich eigentlich keinen Umsatz hatte.”

Erst für Phase zwei konnte sie überhaupt ansuchen. Vor vier Tagen erhielt sie endlich das Ergebnis: Einmalig knapp 700 Euro. Das  reicht nicht einmal für eine Monatsmiete ihrer Werkstatt. 

Doch warum bekommen so viele Menschen so wenig Geld?

Die Tischlerin rechnet uns vor: Als Bemessungsgrundlage wurde ihr letztes Jahreseinkommen hergenommen. Das Gesamteinkommen betrug 24.000 Euro. Davon kamen aber rund 11.000 Euro aus Nebeneinkünften, unter anderem aus Mieteinnahmen. Doch für die Berechnung des Härtefallfonds werden Nebeneinkünfte nicht berücksichtigt. “Das ist doch auch ein Teil meines Einkommens, dafür bezahle ich auch Steuern,” beklagt Martina E. Viele Selbstständige haben Nebeneinkünfte, manche könnten von ihren Haupteinkünften alleine gar nicht leben. “Entweder, diese Regelungen haben sich vollkommene Dilettanten ausgedacht, oder sie machen es absichtlich so, dass wir so wenig wie möglich bekommen,” meint die Tischlerin. 

 

Immer wieder herumgeschraubt und viel Verwirrung produziert

Die Regierung musste viel Kritik einstecken. Die Vorwürfe waren vielfältig: Die Bedingungen waren so gestrickt, dass viele gar nicht ansuchen durften, andere bekamen wiederum so lächerliche Summen wie Martina E., mit denen nicht einmal ansatzweise laufende Fixkosten bezahlt werden können. Permanent wurden die Erlasse geändert, nicht einmal mehr Steuerberater konnten da den Durchblick bewahren. Für einen immensen, bürokratischen Aufwand gab es dann auch oft nur sehr mickrige Entschädigungen. Ein Steuerberater erzählt uns: “Wir sagen kleinen Klienten, dass sie die Beantragungen selbst machen sollen. Sonst kosten wir am Ende noch mehr, als sie rausbekommen.”

Bei einer Umfrage vergangene Woche unter Kleinbetrieben gab jeder fünfte an, wohl Pleite gehen zu müssen.

Nun endlich brauchbare Verbesserungen

Am Donnerstag hat die Bundesregierung verkündet, dass der Härtefallfonds neu aufgestellt wird. Die wichtigsten Punkte:

  • Eine Ausweitung des Hilfsfonds von drei auf sechs Monate
  • Mindestens 500 Euro pro Monat (weil viele deutlich weniger aufgrund der genannten Tricks bei der Bemessungsgrundlage bekommen haben) 
  • Ein zusätzlicher Comeback-Bonus von ebenfalls 500 Euro

Auch Nebeneinkünfte werden jetzt teilweise bei der Berechnung berücksichtigt. Menschen wie Martina E. werden nun also definitiv mehr Geld bekommen.

Doch ist damit jetzt endlich alles gut? 

Nein, sagt Volkswirt Paul Pichler von der Universität Wien: “Es geht nun endlich in die richtige Richtung, doch nach wie vor sind viele Baustellen vorhanden.” Er und seine KollegInnen kritisieren seit Anbeginn die Umsetzung des Härtefallfonds stark und bloggen dazu auch regelmäßig.

Die Hauptkritikpunkte aus Sicht der Volkswirte:

 

  • Viele, die es brauchen, bekommen nichts: Förderungen aus dem Fixkostenzuschuss gibt es erst ab 40% Umsatzverlust, aus dem Härtefallfonds erst ab 50% Umsatzverlust (oder wenn laufende Kosten nicht mehr gedeckt werden können). Unternehmen, die es durch viel Engagement und Arbeit (etwa durch Aufbau eines Online-Shops oder Hauszustellung) geschafft haben, einen dramatischen Umsatzeinbruch in der Krise zu verhindern, gehen komplett leer aus. Viele dieser Firmen schreiben jedoch mit Umsatzausfällen von 25 oder 35% deutliche Verluste und sollten unterstützt werden. "Leistung muss sich lohnen", war ein Slogan, der vor allem von der ÖVP in der Vergangenheit zu hören war. Diesem Prinzip wird das Hilfs-Paket nicht gerecht.
  • Falsche Anreize: Bei den Corona-Fonds gibt es mehr Geld, je höher der Umsatzverlust ist. Dies ist vernünftig, solange es nicht dazu führt, dass eine Firma mit einem höheren Umsatzverlust plötzlich besser aussteigt, als mit einem geringerem. Genau das ist aber aufgrund der Stufenregelungen beim Härtefallfonds und Fixkostenzuschuss sehr oft der Fall. Hundert Euro mehr Umsatz können im schlimmsten Fall sofort zu einer Streichung an finanzieller Entschädigung von mehreren tausend Euro führen. Das ist unfair und zerstört die Motivation vieler Firmen, ihre Umsätze anzukurbeln, da dadurch ihre Gewinne fallen würden. Letztendlich müssen höhere Zuschüsse als eigentlich notwendig ausbezahlt werden, die die Allgemeinheit finanzieren muss.
  • Überförderung möglich: Während die einen knapp an Hürden scheitern und nichts bekommen, können nach der „Aufstockung“ des Härtefallfonds nun manche zu viel Förderung bekommen. “Der Härtefallfonds hätte eine schnelle, unbürokratische Soforthilfe am Beginn der Krise sein sollen. Nun ist daraus ein komplizierter Fleckerlteppich geworden, der nicht selten auch eine Überförderung möglich macht.” Wer zum Beispiel durch einen hohen Umsatzverlust einen großen Fixkostenzuschuss, einen „Comback-Bonus“ und Geld aus dem „neuen“ Härtefallfonds bekommt, kann durchaus jetzt mehr bekommen, als er davor verdient hat. Die Regierung hat angekündigt, dies stichprobenartig zu kontrollieren und Überzahlungen zurückzufordern. Dadurch entsteht ein zusätzlicher bürokratischer Aufwand nach der Akut-Phase der Krise – sowohl für die Firmen als auch den Staat. “Eine effiziente Entschädigung muss jedoch von Anfang an den individuellen Schaden eines Unternehmens möglichst anreizkompatibel und leistungsgerecht kompensieren. Das ist nicht leicht, aber auch nicht unmöglich,” schließt Pichler.

 

Auch Martina E. ist angesichts der neuen Maßnahmen optimistisch gestimmt, doch sie empfindet vieles noch unfair: “Anstatt alles zu entwirren, ist es jetzt noch komplizierter.” Sie kritisiert vor allem das Wort Comeback-Bonus: “Es klingt wie ein Zuckerl, dass wir von der Regierung bekommen und nicht nach einer Hilfszahlung, die uns zusteht.”

Vor allem würde sie gerne wieder arbeiten: “Auch wenn ich wieder kleinere Aufträge bekommen sollte - motivierend ist es nicht, wenn man finanziell sofort abgestraft ist, sobald wieder etwas Geld hereinkommt. Über die Runden komme ich derzeit von selbst einfach noch nicht.” 

 

 

 

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