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Kapitalismus
Ungleichheit

Hässliche Miniwohnungen für riesige Rendite

Hässliche Miniwohnungen für riesige Rendite
Bild von Daisy Harakis auf Pixabay
Mit Kleinwohnungen zur großen Rendite – das verspricht der selbsternannte Investmentpunk Gerald Hörhan. Seine Investmentkurse sollen aus Durchschnittsverdiener:innen Immobilienmillionär:innen machen. Doch hinter dem Coaching-Optimismus steckt ein System, das weder für Investor:innen noch für Mieter:innen aufgehen kann. Eine Recherche über hässliche Wohnungen und schöne Versprechen.

“Lieber Freund des Wohlstands…“ – so begrüßt mich die Broschüre von Investmentpunk Gerald Hörhan mit dem vielversprechenden Titel: „Wie man mit Immobilien ein Vermögen aufbaut.“ Schon auf der ersten Seite wird mir versichert, dass reich zu werden nicht schwer sei. Zumindest nicht, wenn ich in Immobilien investiere.

Gerald Hörhan, der sich selbst Investmentpunk nennt, ist laut eigenen Aussagen mit Immobilieninvestments Multimillionär geworden. Regelmäßig provoziert er mit Aussagen darüber, dass fehlender Reichtum Faulheit geschuldet sei und dass Menschen, die für ihr Einkommen arbeiten, einiges falsch machen. Nun hat er mit seiner Investmentpunk Academy eine weitere Firma, die zahlungskräftigen Kund:innen verspricht, ebenso reich zu werden wie Hörhan selbst.

Für diese Reportage habe ich den Selbstversuch gewagt und mich als Interessentin bei der Investmentpunk Academy gemeldet. In Wahrheit bin ich natürlich nicht daran interessiert, multiple Kleinstwohnungen zu Investment-Zwecken zu kaufen. Woran ich interessiert bin: zu beleuchten, was Investmentstrategien wie diese für Coaching-Teilnehmer:innen einerseits und für den Wohnungsmarkt andererseits bedeuten.

Nach meiner Anmeldung bei der Investmentpunk Academy, erhalte ich tagelang Videos und Links, die mir die Vorteile von Immobilieninvestments schmackhaft machen sollen. In einem persönlichen Erstgespräch stelle ich mich als Person mit etwa 50.000 Euro Ersparten vor, die am langfristigen Vermögensaufbau interessiert ist. Kurz darauf kommt die Eingangs erwähnte Broschüre per Mail. Und darin klingt das Reichwerden fast schon zu einfach, um wahr zu sein.

 

 

Vier einfache Schritte zur Million

Die Anleitung beginnt mit vier Schritten zur ersten Wohnung. Schritt 1: Jährlich 15.000 bis 20.000 Euro zur Seite legen. Mein erster Gedanke: Das ist ganz schön viel. Das mittlere jährliche Personeneinkommen in Österreich beträgt immerhin nur etwas über 25.000 Euro netto. „Und das kann wirklich jeder schaffen. Auch Kellner, Studenten und Polizisten. Also keine Ausreden!“ klärt mich die Broschüre auf. Das Geld hat man, das ist jetzt einfach einmal so.

Schritt 2: ein – Zitat – „kleines, hässliches Loch in vernünftiger Lage“ auf Kredit kaufen und diesen Vorgang alle ein bis zwei Jahre wiederholen. Das Ziel: ein wachsendes Portfolio, 50.000 Euro Nettokaltmiete im Jahr einnehmen, und in 25 bis 30 Jahren Millionärin sein. So weit, so einfach (angeblich).

Ist es nicht möglich, bis du zu faul

Zwischen Testimonials von ausschließlich männlichen Erfolgsteilnehmern gleitet mein Blick in der Broschüre über ein großflächiges Konterfei von Hörhan. Darüber steht in Großbuchstaben: „Mit kleinen Einzimmerwohnungen kannst du gar nicht verhindern, Millionär zu werden.“ Ich habe verstanden: Reichtum ist kein Zufall, sondern ein Prozess, der nur „Fleiß und Wiederholung“ erfordert – hässlichen Kleinstwohnungen sei Dank.

Weitere Seiten der Broschüre listen Tipps auf: Worauf ich bei der Wohnungssuche achten soll (Lage, Zustand, Rendite), welche Fehler zu vermeiden sind – und wovor besonders gewarnt wird: das Eigenheim. Dieses sei die schlimmste Investoren-Sünde, weil Wohnen in eigenen Immobilien reine Ressourcenverschwendung sei. Auch Gefühle wie Ästhetik und Wohnqualität gelten laut Hörhan als gefährlich – sie würden nur die Rendite gefährden.

Reich werden mit der Hoffnung auf Reichtum

Das Fazit der 20-seitigen Broschüre: Jede:r kann (und sollte) Immobilieninvestor:in werden. Und wer schneller und besser reich werden will, bucht einfach das kostenpflichtige „Betongold“-Coaching mit Gerald Hörhan persönlich. Das ist billig”, kostet 1.200 Euro. Offensichtlich verdient jedenfalls Hörhan sein Geld nicht nur mit billigen Immobilien.

Rendite ohne Risiko? Wenn Erfolg zur Mindset-Frage wird

Nachdem ich in einem persönlichen Einstiegsgespräch meine finanzielle Situation dargelegt habe, erhalte ich mehrere Hochglanz-Folder zu den Coaching-Programmen. Die Trainings kosten zwischen 5.000 und 8.200 Euro – für einige Stunden Beratung im Monat ein beachtlicher Preis. Also schicke ich nochmals ein paar Fragen per E-Mail hinterher.

Konkret äußere ich Bedenken dazu, wie viel Eigenkapital man realistisch braucht, um überhaupt erfolgreich starten zu können.Ich frage, ob es auch Fälle gibt, in denen das Modell gescheitert ist – und aus welchen Gründen. Ich will wissen, was passiert, wenn man keinen Kredit erhält, und ob es dafür seriöse Alternativen gibt. Und vor allem interessiert mich, wie das Modell mit realen Herausforderungen umgeht – etwa mit strenger werdenden Mietgesetzen, Verboten von Kurzzeitvermietung oder dem Risiko von Mietausfällen.

Fragen, die eigentlich recht naheliegend sind, wenn man tausende Euro in ein Coaching stecken möchte, um danach noch mehr Geld in Immobilien zu investieren. Sollte man meinen.

Die Antwort kommt prompt, allerdings mit klarer Tendenz zur Beschwichtigung meiner Bedenken:
„Wenn man zielorientiert ist, findet man grundsätzlich immer eine Lösung“, schreibt Hörhans Team. Und: „Unter Geralds Begleitung hast du keine Chance, einen Fehler zu machen.“ Fragen zu Risiken wie Mietausfall, Leerstand oder rechtliche Hürden? Werden ins Mentoring verschoben – oder mit Motivationssprüchen abgefedert. Sorgen seien Ausdruck von „fehlendem Wissen“, heißt es. Meine Eltern könnten sich ja auch gleich mit mir gemeinsam weiterbilden, wenn sie sich Sorgen machen, dass ich mich finanziell übernehme. 

Berechtigte Zweifel und Skepsis verwendet Hörhans Team nach allen Regeln der Kunst als Upselling-Strategie – um das Coaching gleich noch anderen anzudrehen. 

Auch in den Werbeunterlagen selbst ziehen sich zwei zentrale Versprechen durch:

  1. Absolute Einfachheit („Jeder kann das – auch Kellner und Studenten!“)
  2. Unausweichlicher Erfolg („Du kannst gar nicht verhindern, Millionär zu werden.“)

Rendite braucht  Verdrängung

Diese Versprechen bauen auf einer sehr vereinfachten Sicht eines im Vermietersinn idealen Mietmarktes auf. Konstante Zinsen, verlässliche Mieter:innen, wenig anfallende Renovierungsarbeiten, gleichbleibend hohe Nachfrage und eine vermieterfreundliche Regulierung der Wohnpolitik: um als Immobilieninvestor:in erfolgreich zu werden, braucht es all das mindestens so sehr wie den unerschütterlichen Willen. 

Von diesen Faktoren abgesehen verfügen viele Menschen schlicht nicht über die finanziellen Voraussetzungen für ein Immobilieninvestment. Etwa ein Drittel der Haushalte in Österreich kann gar kein Geld zur Seite legen, die untere Vermögenshälfte besitzt faktisch kein Vermögen – ihr bleibt somit der Zugang zum Wohnungsmarkt-Investment verwehrt. Über Immobilien rasch Vermögen aufzubauen, gelingt meist nur jenen, die bereits auf familiäres Erbe oder Startkapital zurückgreifen können.

So ermutigend “Jeder kann es schaffen!” auch klingen mag, wahrscheinlicher als der Weg zu Reichtum ist dieses Mantra ein Weg in eine Schuldenfalle.

Wie bereits erwähnt, funktioniert das propagierte Modell nur unter Idealbedingungen und auch nur, solange nicht alle mitmachen – denn der Markt ist begrenzt und Gewinne der Vermieter:innen werden auf Kosten der Mieter:innen gemacht. Das Versprechen, jede:r könne Investor:in werden, trägt also ein systemisches Paradox in sich. Es geht nur auf, solange genug Menschen eben nicht genau dasselbe versuchen.

Wenn wir alle hässliche kleine Wohnungen kaufen – wer wohnt dann darin?

Das zweite Grundproblem von Hörhans Logik betrifft den Wohnungsmarkt an sich. Denn wer der Strategie folgt, trägt damit auch dazu bei, dass Wohnungen in Städten weiter zum Spekulationsobjekt werden. Und verdrängt am Ende genau die Menschen, deren Lebensrealität in Coachings nur als „faule Ausrede“ auftaucht.

Die Hochglanz-Broschüren und Seminare wollen uns geflissentlich weismachen, dass die Welt aus Millionär:innen, zukünftigen Millionär:innen und jenen besteht, die einfach nicht hart genug daran arbeiten, reich zu werden. Ein Wort fällt dabei konsequent unter den Tisch: Mieter:in.

So mehr oder minder charismatisch der Investmentpunk auch Reichtum durch kleine Wohnungen verspricht – die Realität auf dem Wohnungsmarkt sieht anders aus. Wohnraum wird knapper, teurer und umkämpfter. In vielen Städten fehlen leistbare Mietwohnungen, während Eigentumswohnungen leer stehen, um Rendite zu erzielen. 

Und umso mehr gecoachte Mikroinvestor:innen auf den Markt drängen, desto stärker steigt der Druck auf günstigen Wohnraum. Wohnungen, die früher von Alleinstehenden, Studierenden oder Menschen mit wenig Einkommen genutzt wurden, landen plötzlich in Portfolio-Strategien mit steueroptimierten Mieten, Minimal-Renovierungen und Rendite-Kalkül. Sie dienen nicht mehr primär dem Wohnen, sondern der Vermögensbildung – für andere.

Während wenigen Menschen der Einstieg ins Eigentum überhaupt gelingt, profitieren vor allem jene mit hohem Kapital: 84 Prozent aller Mieteinnahmen gehen an das reichste Einkommensfünftel. Gleichzeitig sind die Mieten in Österreich in den letzten Jahren dreimal so stark gestiegen wie im Schnitt der Eurozone – befeuert durch spekulative Käufe, Umwidmungen und genau solche kleinteiligen Investmentstrategien. Der reichste Mensch des Landes besitzt mittlerweile 126.000-mal so viel wie der Durchschnitt. Eigentum ist in den letzten zwei Jahrzehnten um bis zu drei Jahresgehälter teurer geworden. 

Fleiß schlägt Fakten: Die Antwort des Investmentpunk

Nachdem ich mich als Journalistin zu erkennen gegeben habe, schicke ich Gerald Hörhan und seinem Team noch einige Fragen – etwa, ob es Ausschlusskriterien für ihre Coachingprogramme gibt, ob Faulheit wirklich der Hauptgrund fürs Nicht-Reichwerden ist und wie sie selbst die Auswirkungen ihrer Strategie auf Wohnungsmarkt und Gesellschaft einschätzen.

Die Antwort kommt über seine PR-Agentur – und bleibt im Tonfall ganz Investmentpunk: Grundsätzlich könne jede:r investieren, auch mit geringem Einkommen. Auch Student:innen könnten das nötige Eigenkapital „mit Fleiß oder Zusatzqualifikationen“ ansparen. Ob damit Nebenjobs, geerbte Immobilien oder wohlhabende Verwandte gemeint sind, bleibt offen – vielleicht klärt sich das im Coaching.

Fragen nach Risiken? Werden abgebügelt.
Kritik an Verdrängungseffekten oder die Anmerkung, dass die Methode nur funktioniert, wenn nicht alle mitmachen, kontert Hörhan mit dem Hinweis, dass auch nicht alle Journalist:innen werden könnten. Seine Strategie sei eben nicht für alle – aber für alle, die wollen (und zahlen). Für steigende Mieten sei jedenfalls nicht das Geschäftsmodell verantwortlich, sondern die Politik: zu viele Auflagen, zu wenige Förderungen, eventuell zu viel Zuzug.

Manchen mag es gelingen, durch solche Coachings mit Immobilien-Investments Vermögen aufzubauen – vor allem dann, wenn das Startkapital schon vorhanden ist. Doch nachhaltiger Reichtum entsteht hier weniger durch kleine Wohnungen, sondern durch den Verkauf großer Illusionen. Und durch das Verschärfen eines Problems, das längst nicht mehr privat, sondern politisch ist.

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