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Arbeitswelt

Höhere Inflation heißt höhere Löhne?

Der Herbst 2022 bringt ambitionierte Lohnverhandlungen mit sich. Die Metaller fordern 10,6 Prozent mehr Lohn. Denn mit der Inflation müssen auch die Löhne steigen. Sonst können sich die Menschen immer weniger leisten. Das will doch niemand, oder? Barbara Blaha widmet sich in der neuen Ausgabe #MomentMal der Herbstlohnrunde.
 

Im Herbst wird jedes Jahr verhandelt: In der einen Ecke: die Arbeitnehmer:innen. In der anderen: die Arbeitgeber. Als Schiedsrichter versucht sich Arbeitsminister Kocher: Er wünscht sich eine „Balance in den Verhandlungen“. Die Regierung habe ja „mit dem Antiteuerungspaket eine Reihe von Signalen an die Verhandler gesandt.“

Da kann die Industrie nur zustimmen: Die Einmalzahlungen der Regierung, die sollen die Arbeitnehmer halt schon einrechnen bei ihren Forderungen an die Industrie! Das hieße also: Die dringend fälligen Anpassungen der Löhne an die davonrasenden Preise, die zahlt jetzt also die Regierung mit Einmalzahlungen – aus unserem Steuergeld.

Einmalzahlung aus unserem Steuergeld

Richtig, „unserem“. Denn: Woher nimmt jetzt die Regierung das Geld? 80 von 100 Steuer-Euros tragen ja  – richtig – wir selber in den Steuertopf bei: Weil wir Einkommenssteuer zahlen und bei jedem Einkauf 20 Prozent Mehrwertsteuer. Nur 6 von 100 Steuer-Euros kommen von den Unternehmen. Die Einmalzahlungen, die zahlen wir uns genau betrachtet selbst. Halt von der einen Hosentasche in die andere! Völlig logisch, dass wir da auf kräftige und gerechte Lohnerhöhungen verzichten sollen.

Lohnverhandlungen: Metaller fordern 10,6 Prozent mehr

Das ist also die Ausgangslage für diesen Herbst. Traditionell macht die Metall-Industrie macht die erste Runde bei diesen Verhandlungen. Die Metall-Arbeiter fordern 10,6 Prozent mehr Lohn. Die Industrie sagt: „überzogen“. Wer hat recht?

Die Lohnforderungen orientieren sich erstens an der Inflation der vergangenen 12 Monate – das sind 6,3 Prozent. Um 6,3 Prozent sind die Preise in den letzten 12 Monaten gestiegen. Und die Forderungen orientieren sich zweitens daran, dass wir heute produktiver sind als noch vor einem Jahr: Wir stellen jedes Jahr mehr und schneller her. Dank besserer Technik, dank höherer Effizienz.

Wir werden immer produktiver

Laut Zahlen der Statistik Austria eine Arbeitsstunde im Juni 2022 schon zehn Prozent produktiver gewesen als im Juni 2021. Auch an diesem Fortschritt wollen die Arbeitnehmer:innen durch bessere Löhne fair beteiligt werden. Passiert das nicht – dann passiert Folgendes: Die Menschen können sich für ihren Lohn immer weniger leisten. Denn die Miete, das Essen, die Stromrechnung explodieren gerade.

Steigen die Löhne nicht mit, verlieren die Angestellten: Der sogenannte Reallohn ergibt sich daraus, wie stark der Lohn nominell steigt und wie viel die Teuerung vom Lohn wegezwickt.

Heuer werden die Löhne real sinken. Trotz hoffentlich hoher Abschlüsse, weil uns die Preise nicht davon rennen, nicht davon galoppieren, sondern sie FLIEGEN davon. Erste Schätzungen zeigen: Dieses Jahr werden die realen Einkommen so stark schrumpfen wie seit Jahrzehnten nicht.

Der Reallohn ist 2022 am Tiefpunkt

Und das heißt: Wir geben alle weniger Geld aus. Und damit nimmt „die Wirtschaft“ weniger ein. Dann kaufen der Papa und die Mama das neue Fahrrad eben nicht zum Geburtstag. Dieser Umsatz fehlt dem Fahrradhändler, der sich auswärts essen, nicht mehr leisten kann, das fehlt dem Wirten, der lässt seinen Gastraum nicht renovieren, der Auftrag fehlt dann dem Tischler und so weiter und so weiter und so weiter.

Faire Lohnverhandlungen nützen nicht nur dem Einzelnen – sie helfen allen. Das sollten auch die Arbeitgeber wissen. Und die Verantwortung nicht auf die Regierung und irgendwelche Einmalzahlungen abschieben. Ihr wisst schon: linke Hosentasche, rechte Hosentasche.

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