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Ungleichheit
Kapitalismus

Luxusgut Kinder: Warum Kinderkriegen kein Privileg der Reichen ist

Luxusgut Kinder: Warum Kinderkriegen kein Privileg der Reichen ist
Foto: Canva von Zurijeta
Die hitzig geführte Debatte rund um eine syrische Familie, die rund 9.000 Euro Sozialleistungen erhält, wirft grundlegende Fragen auf, die weit über den Einzelfall hinausgehen: Wer darf, wer soll überhaupt Kinder bekommen? Ist Familiengründung ein Privileg der Wohlhabenden?
Als eines von sieben Kindern einer armen Arbeiterfamilie wäre ich, folgt man der Logik mancher Stimmen, besser nicht geboren worden.

Kinder nur bei Reichtum? Eine gefährliche Erzählung

Die Forderung, nur jene sollten Kinder bekommen, die es sich „leisten“ können, verkennt die Realität zutiefst. Tatsächlich können sich kaum Eltern vollständig leisten, ihre Kinder großzuziehen, zumindest nicht, wenn sie sämtliche Kosten eigenständig stemmen müssten. Laut der Kinderkosten-Analyse der Statistik Austria benötigen Paare mit einem Kind rund 11 Prozent mehr Einkommen als vergleichbare Haushalte ohne Kinder, bei zwei Kindern sogar 23 Prozent und bei drei Kindern 33 Prozent. Konkret fallen pro Kind im Schnitt monatlich 494 Euro direkte Konsumausgaben an – für Wohnen, Kleidung, Nahrung und Bildung. Dazu kommen eine Menge indirekter Kosten. Wer sich um Kinder kümmert, nimmt berufliche Nachteile in Kauf, etwa durch den Umstieg auf Teilzeitarbeit oder dadurch verpasste Beförderungen.

Hinzu kommen öffentliche Angebote, wie Kindergärten, Schulen, Universitäten und Gesundheitseinrichtungen, deren tatsächliche Kosten – müsste man sie privat zahlen – die meisten Haushalte finanziell überfordern würden. Kinder großzuziehen ist also keine rein private, sondern immer auch eine öffentliche Angelegenheit.

Sozialleistungen sind kein Geschenk, sondern Investition

Staatliche Leistungen wie Familienbeihilfe, Elterngeld, steuerliche Vergünstigungen und öffentliche Kinderbetreuung sind deshalb keine bloße Großzügigkeit, sondern eine notwendige gesellschaftliche Investition. Die österreichische Familienbeihilfe etwa deckt mit 140 bis 200 Euro pro Monat (je nach Alter des Kindes) nicht einmal die Hälfte der durchschnittlichen Konsumausgaben für ein Kind ab. Insgesamt decken staatliche Transfers in Paarhaushalten durchschnittlich nur rund zwei Drittel der tatsächlichen Kosten – bei Alleinerziehenden sogar nur etwa ein Drittel. Dass kinderreiche Familien dennoch häufig ins Visier öffentlicher Kritik geraten, zeigt ein grundlegendes Missverständnis der Bedeutung von Familienpolitik.

Kinder sind keine Privatsache, keine individuelle Luxusentscheidung. Sie sind, im Gegenteil, essenziell für den Fortbestand und die Funktionsfähigkeit unserer Gesellschaft. Jeder Mensch, der heute geboren wird, leistet morgen einen Beitrag zum wirtschaftlichen und sozialen Wohlstand, finanziert später über Steuern und Sozialabgaben die Renten und Gesundheitsversorgung der gesamten Gesellschaft. Die heutige Kindergeneration wird Arbeitsplätze übernehmen und jene Aufgaben erfüllen, von denen wir alle profitieren. Familienpolitik ist daher keine großzügige Geste des Staates, sondern zwingende gesellschaftliche Notwendigkeit. Jeder investierte Euro in Kinder und Familien kommt langfristig allen zugute.

Ein Menschenbild in der Krise

Doch hinter der Debatte verbirgt sich auch eine zutiefst ethische Frage: Wollen wir tatsächlich eine Gesellschaft, in der Kinderkriegen nur jenen vorbehalten ist, die finanziell gut abgesichert sind? Das Recht auf Familie und Nachwuchs darf in einer demokratischen Gesellschaft nicht an finanzielle Bedingungen geknüpft sein – es ist vielmehr ein elementares Freiheitsrecht.

Die Haltung, dass Kinder ausschließlich eine Frage der finanziellen „Leistbarkeit“ seien, enthüllt zudem ein höchst problematisches Menschenbild. Es reduziert den Wert eines Menschen und seiner Existenz auf rein ökonomische Kriterien. Es impliziert, dass ein Kind nur dann willkommen ist, wenn es finanziell kalkulierbar erscheint, und erklärt damit Kinder faktisch zu einem Produkt, das man sich leisten oder eben nicht leisten kann. Diese Haltung verkennt, dass jeder Mensch unabhängig von seiner Herkunft, seinem Einkommen oder seiner sozialen Stellung denselben Wert besitzt, dieselben Chancen verdient, dasselbe Recht auf Leben hat.

Gute Kindheit für alle 

Kindererziehung ist kein privates Vergnügen, sondern wertvolle und notwendige Arbeit für die Gemeinschaft. Jene sozialen Probleme, die mit dem Aufwachsen von Kindern in Armut verbunden sind, ließen sich lösen, wenn nur der politische Wille da wäre: etwa durch bessere frühkindliche Bildung, umfassendere finanzielle Unterstützung und inklusive Arbeitsmarktpolitik. Familienpolitik ist eben immer auch Gesellschaftspolitik: Sie schafft jene Rahmenbedingungen, unter denen Menschen unabhängig von ihrem Einkommen Familien gründen und ihre Kinder gut großziehen können. Eine Gesellschaft, die morgen noch existieren möchte, sollte nicht das Existenzrecht mancher Kinder infrage stellen, sondern vielmehr entschieden in deren Zukunft investieren.

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