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Kapitalismus

Netzausbau: Stromkonzerne beteiligen – Verbraucher:innen entlasten

Netzausbau: Stromkonzerne beteiligen – Verbraucher:innen entlasten
(Foto: Pok Rie/Pexels)
Die Strompreise explodieren. Um die Preise für die Kundschaft zu drücken, schüttet der größte Stromerzeuger, der Verbund-Konzern, nun eine Sonderdividende aus. Warum hier endlich die Richtigen etwas beitragen, das aber noch nicht ausreicht, um die Stromkosten nachhaltig zu drücken, kommentiert Jeremiah Nollenberger.

In Österreich wird der Strom immer teurer. 2016 zahlten Haushalte noch durchschnittlich rund 5 Cent pro Kilowattstunde. Mittlerweile sind es mehr als 9 Cent. Um die Strompreise zu senken, kündigte die Bundesregierung letzte Woche an, 500 Millionen Euro durch Sonderdividendenzahlungen vom teilstaatlichen Energiekonzern Verbund, der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) und der Staatsholding ÖBAG zu lukrieren. Während die Details zur konkreten Ausgestaltung noch ausstehen, ist es dennoch wegweisend, dass die Regierung bei den Energiekonzernen zur Finanzierung von Entlastungsmaßnahmen ansetzt. Diesem Vorbild sollte der Staat auch bei den steigenden Netzentgelten, bedingt durch den notwendigen Netzausbaus, folgen.   

Stromnetz für die Energiewende fit machen 

Die Netzentgelte stellen den nächsten großen Kostenbrocken auf dem Strommarkt dar. Denn zur Erreichung der Klimaneutralität ist ein massiver Ausbau der Stromnetzinfrastruktur notwendig. E-Mobilität ersetzt Verbrenner, Wärmepumpen die Ölkessel – all das bedeutet eine Verlagerung auf das Stromnetz.

Nach Berechnungen des Austrian Institute of Technology belaufen sich die Kosten allein für die Verteilernetzinfrastruktur  auf 44 Milliarden Euro bis 2040. Hinzu kommen 9 Milliarden Euro bis 2034 für die überregionalen Übertragungsnetze. Netzentgelte finanzieren diesen Ausbau. Die Kosten des Stromnetzes werden auf die Kundschaft überwälzt und entsprechend der abgenommenen Strommenge bepreist. Für Haushalte machen die Netzentgelte bereits heuer rund ein Viertel der Stromrechnung aus. Für einen durchschnittlichen 2-Personen-Haushalt bedeutet das knapp 300 Euro mehr im Jahr. Aufgrund des massiven Netzausbaus geht die Arbeiterkammer allerdings von einer Verdopplung der Netzentgelte in den nächsten zehn Jahren aus, wenn hier die Politik nicht gegensteuert. 

Der Strompreis ist dabei nicht nur aus verteilungspolitischen Gesichtspunkten elementar: Ärmere Haushalte geben einen größeren Anteil ihres Einkommens für Strom aus und können sich diesen zunehmend immer weniger leisten, wie die steigende Energiearmut in Österreich zeigt. Dass die Energiewende gelingt, hängt auch stark an der Verfügbarkeit von leistbarem Strom: Wenn der Strom teuer ist, stellen Haushalte und Firmen nicht auf elektrische, klimafreundlichere Alternativen um – sei es die Wärmepumpe oder die grüne Fertigungsanlage. Zudem hängt die gesellschaftliche Unterstützung der Energiewende am Preisniveau, wie die geringe Akzeptanz für steigende Preise für Klimamaßnahmen zeigt. 

Energiekonzerne zahlen nur Mini-Bruchteil der Netzkosten 

Eine zentrale Schieflage bei der Verteilung der Netzentgelte ist, dass die Energiekonzerne (fast) einen Freifahrschein auf den Netzen haben. Während die Energiekonzerne genauso auf das Stromnetz angewiesen sind, um den Strom bis zur Haustür überhaupt zu liefern, zahlen sie nur 6 Prozent der Netzkosten. Die Verbraucher:innen zahlen die restlichen 94 Prozent. Energiekonzerne stärker an den Ausbaukosten zu beteiligen, wäre nicht nur verursachergerecht, sondern stellt auch eine zentrale Stellschraube zur Entlastung der Haushalte und Unternehmen dar. 

Denn die Energiekonzerne sind hochprofitable Unternehmen, die insbesondere in den letzten Jahren satte Übergewinne machten. Ein Grund hierfür ist das sogenannte Merit-Order-Prinzip, das die Preisfindung bestimmt. Gemäß diesem Prinzip geben die Stromkonzerne Gebote ab, zu welchem Preis sie ihren Strom anbieten. Diese Gebote werden nach dem Preis sortiert, und das letzte noch nachgefragte Kraftwerk - meist ein teures Gas-Kraftwerk - bestimmt den Preis des gesamten Stroms. Folglich trieb der stark gestiegene Gaspreis in Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine den Strompreis nach oben – und dass, obwohl Österreich seinen Strombedarf zu 80 Prozent aus erneuerbaren Energien deckt und sich bei den Stromgestehungskosten aus Wind, Wasser und Sonne nichts änderte. Exemplarisch hierfür steht der Verbund-Konzern, der rund die Hälfte des heimischen Stroms produziert, und seit 2022 Übergewinne in Höhe von 3,8 Milliarden Euro verbuchte.

Modellrechnungen zeigen: Bereits eine Erhöhung des Anteils der Stromerzeuger:innen auf 15 Prozent der Netzkosten – sei es durch eine jährliche Anschlussgebühr oder ein Entgelt auf die Stromeinspeisung – bergen je nach Bundesland eine Entlastung von bis zu 22 Prozent der zu zahlenden Netzentgelte.  

Die Stromerzeuger:innen verfügen über die finanziellen Mittel, einen angemessenen Teil der Kosten beizutragen und somit die Haushalte und Firmen zu entlasten. Wenn die Bundesregierung also Geld vom Verbund verwendet, um die Haushalte und Unternehmen zu entlasten, setzt sie an der richtigen Stelle an. Jetzt geht es darum, dass die Entlastung auch tatsächlich bei der Bevölkerung ankommt und darum, das Momentum zu nutzen, die Stromkonzerne fairer an der Finanzierung des Netzausbaus zu beteiligen. 

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