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Regenwald in Flammen: Die sechs wichtigsten Antworten zu den Amazonas-Bränden

Rund 80.000 Feuer sind seit Anfang des Jahres in Brasilien registriert worden. Ist der Regenwald noch zu retten und welche Auswirkungen haben die verheerenden Brände auf unser Klima? Was du über die Amazonas-Feuer wissen musst in sechs Punkten.

Aus den Nachrichten ist er bereits verschwunden. Doch noch immer steht der Regenwald im Amazonas-Gebiet in Flammen. Wie wirken sich die Brände auf unser Klima aus? Warum möchte der brasilianische Präsident keine ausländische Hilfe im Kampf gegen die Feuer? Und was können wir tun, um dem Regenwald zu helfen? Die wichtigsten Fakten in sechs Punkten.

#1 Was ist die Ursache für die vielen Feuer?

Im Amazonas-Gebiet entstehen in der Trockenzeit oft natürliche Feuer. Viele Pflanzensamen treiben sogar erst nach einem Feuer in der Asche aus. Doch die aktuellen Brände sind in der Regel absichtlich von Menschen gelegt worden.

Das Vorgehen läuft im Prinzip immer nach demselben Muster ab: Zuerst werden die kostbarsten Bäume für den Holzmarkt gefällt. „Allein letztes Jahr wurde eine Milliarde Bäume für Tropenholz, Rinderfarmen und Aluminium gefällt. Uralte Baumriesen werden zerstört,“ so Lukas Meus, Waldexperte von Greenpeace Österreich. Dann wird die übrig gebliebene Vegetation niedergerissen – hierfür wird meist eine Kette zwischen zwei Traktoren gespannt. Dann wird der Rest einfach niedergefackelt. In der nährstoffreichen Asche wird dann meist Soja oder Gras für Weidetiere, vor allem Kühe, gesät.

 #2 Warum haben sich die Feuer dieses Jahr so rasant verbreitet?

Aufgrund der extremen Trockenheit – seit Mai hat es im Amazonas-Gebiet kaum geregnet – haben sich absichtlich gelegte Feuer teilweise unkontrolliert verbreitet. Schätzungen gehen davon aus, dass bisher rund 15.000 Quadratkilometer Waldfläche zerstört worden ist – das entspricht etwa einem Drittel der gesamten österreichischen Waldfläche. Die Dürre ist aber teilweise hausgemacht, erklärt der Waldexperte Harald Vacik von der Universität für Bodenkultur Wien: „Die reduzierte Fläche an Regenwald wirkt sich massiv auf das lokale Klima aus, es können weniger Niederschläge durch die fehlende Verdunstung entstehen und damit wird es auch trockener – was dann einen negativen Kreislauf bedingt, es gibt mehr trockene Phasen und die Brandwahrscheinlichkeit steigt.“ Ergo: Der Regenwald bildet sein eigenes Ökosystem, dass durch die Flächenreduktion und die Brände immer mehr zerstört wird. So kann es in Zukunft zu noch extremeren Bränden kommen.

 
Satellitenaufnahme, welche die Ausbreitung der Waldbrände in Brasilien verzeichnet. (Quelle: Reddit/Jofreep)

Diese Grafik zeigt wie sich die Brände in den letzten Jahren entwickelt haben. Quelle: Reddit/Jofreep

#3 Ist der Regenwald noch zu retten?

Tatsächlich können sich manche gerodeten Flächen gar nicht mehr oder nur sehr schwer regenerieren. Zwar wird durch die Brandrodung und die Asche zunächst ein sehr nährstoffreicher Boden geschaffen – doch die Produktivität nimmt mit der Dauer ab. Bemerken die Bauern, dass die Ernteerträge zurückgehen, wird einfach die nächste Fläche abgefackelt.“Doch gibt es auf den unbenutzten Flächen nicht zumindest etwas Vegetation, so werden die Nährstoffe im Boden schnell ausgewaschen. Sie wandern in immer tiefere Erdschichten, die für die Wurzeln immer schwerer zu erreichen sind. Wir bezeichnen diesen Effekt als Bodendegradation“, erklärt Forstwissenschaftler Hubert Hasenauer, Rektor der Universität für Bodenkultur Wien. Der Regenwald kann sich dann kaum oder gar nicht mehr von selbst regenerieren. Es wäre also sehr wichtig, lokale Bauern aufzuklären und zu motivieren, dass sie unbenutzte Felder zumindest wieder bedingt aufforsten und bewirtschaften. „Doch leider bitten sie erst um Hilfe, wenn es schon zu spät ist, das ist sehr frustrierend für uns Forstwissenschaftler,“ seufzt Hasenauer, der weltweit bei Aufforstungs-Projekten hilft.

 
Amazonas-Regenwald nach einem Feuer

Ein völlig abgebranntes Regenwaldstück, Victor Moriyama, Greenpeace

#4 Wie wirken sich die Feuer auf unser Klima aus?

Bäume binden das klimaschädliche CO2. Tatsächlich ist erst kürzlich eine Studie zu dem Ergebnis gekommen, dass Aufforstung die wichtigste Maßnahme wäre, um die Klimakrise zumindest einzudämmen. Laut den Forschern wäre auf unserem Planeten zusätzlich Platz für eine Milliarde Hektar Wald – das würde zwei Drittel aller von Menschen verursachten CO2-Emissionen binden. Der Amazonas-Regenwald ist der größte tropische Wald der Welt. Würde er komplett abbrennen, so würde der aktuelle Kohlendioxid-Wert in unserer Atmosphäre auf das Zwölffache ansteigen. Das würde die Klimaerwärmung beschleunigen. Doch wie sich die aktuelle Regenwaldzerstörung auswirkt und wie viel Fläche nun tatsächlich abgebrannt ist, wird derzeit noch untersucht. Am 24. September wollen Forstwissenschaftler von der ganzen Welt bei einer weltweiten Konferenz darüber tagen.

#5 Warum lehnt der brasilianische Präsident Hilfe von der internationalen Gemeinschaft ab?

Brasiliens ultrarechter Präsident Jair Bolsonaro nennt sich selbst Kapitän Motorsäge – so eng ist er mit der brasilianischen Agrarlobby verbunden. Umweltschutz sei ohnehin nur etwas für „Leute, die Grünzeug essen“ und auch geschützte Gebiete der indigenen Bevölkerung hat er bereits für die landwirtschaftliche Benutzung freigegeben. Ginge es nach Bolsonaro würden bald Autobahnen das Amazonas-Gebiet durchziehen. Bolsonaro beschuldigt sogar die vielen Umweltaktivisten, die gegen ihn auf die Barrikaden gehen, die Brände absichtlich gelegt zu haben, nur um ihn in Verruf zu bringen. Auch die von den G7-Staaten bewilligte Soforthilfe in der Höhe von 17,9 Millionen Euro für die Bekämpfung der Brände hat Bolsonaro zunächst empört abgelehnt. Mit „kolonialistischer Mentalität“ würden damit nur andere Regierungen versuchen, Macht und Einfluss in Brasilien zu gewinnen. Doch letztendlich hat der Präsident eingelenkt. Das war jedoch bestimmt nicht eine spontane Gesinneswandlung: Bolsonaro steht auch innenpolitisch unter Druck. Seine Popularität sinkt: Laut einer aktuellen Umfrage sind 38 Prozent der Brasilianer gegen seinen radikalen Kurs. Unter gewissen Voraussetzungen hat er nun doch Hilfsgelder für die Bekämpfung der Brände angekommen. Und er hat erlassen, dass das Abbrennen von weiterer Regenwaldfläche für die landwirtschaftliche Gewinnung zumindest für die nächsten 60 Tage untersagt ist. Na immerhin.

 
Porträt von Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro.

Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro, Isac Nóbrega/PR, Flickr do Palácio do Planalto

#6 Wie können wir dem Regenwald helfen?

Trotz der zahlreichen Proteste und den umfassenden Bemühungen von Umweltaktivisten hängt es leider vor allem vom politischen Willen der brasilianischen Regierung ab, ob die Brandrodungen eingedämmt werden. Doch da der brasilianische Präsident aktiv die Regenwaldzerstörung in einem noch nie dagewesenen Ausmaß vorantreibt, müsste viel mehr Druck von der internationalen Gemeinschaft auf Brasilien ausgeübt werden. Dies wäre vor allem durch Wirtschaftssanktionen möglich. Doch derzeit wird das so genannte Mercosur-Abkommen zwischen Südamerika und der EU ausverhandelt, dass den EU-Markt für fragwürdige Agrarprodukte weiter öffnen würde. Wie schon gegen Freihandelsabkommen wie CETA und TTIP laufen Aktivisten dagegen Sturm. „Ein Abkommen, das Anreize für die globale Agrarindustrie schafft, fördert Umweltzerstörung und heizt die Feuer im Regenwald an. Wir müssen den Mercosur-Pakt deshalb stoppen,“ so Jens Karg, Agrarexperte von Greenpeace. Doch auch Österreich könnte alleine schon etwas beitragen, so der Umweltaktivist: „Zum Beispiel könnte das österreichische Gütesiegel der AMA garantieren, dass für Produkte mit dieser Auszeichnung kein gentechnisch erzeugtes Soja aus Übersee genutzt wird. Generell sollten die Billig-Importe aus fragwürdigen Produktionsbedingungen nicht gefördert werden.“

 

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