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Demokratie

Parlagram: Schön sprechen? Schimpfen im Parlament

Collage: Das Parlament in Wien abends, Thomas Wolf, Mittelfinger von gfk.
Wie oft wird im Parlament eigentlich geschimpft und derbe gesprochen?

Das Parlament, der Ort des gehobenen Diskurses, der geschickten Rhetorik und des edlen Wettbewerbs politischer Ideen. Soweit die Theorie. In der Praxis vergreifen sich PolitikerInnen auch im Hohen Haus gelegentlich im Ton.

Wie oft wird im Parlament eigentlich geschimpft und derbe gesprochen? Mit unserem Parlagram lässt sich das einfach herausfinden.

Nun muss man sagen, dass einige dieser Worte eine große politische Vergangenheit haben. Der „Idiot“ zum Beispiel kommt „vom griechischen idiotes. Es bezeichnete in der Polis Personen, die sich aus öffentlichen-politischen Angelegenheiten heraushielten und keine Ämter wahrnahmen, auch wenn ihnen das möglich war“ (danke Wikipedia). Idioten sind also so ziemlich das Gegenteil von Abgeordneten und so ist es vielleicht ganz passend, dass jenes Wort ein parlamentarisches Schimpfwort ist, das 1994 den Rekordwert erreichte. Da wurde es sechsmal gesagt – so oft wie kein anderes untersuchtes Schimpfwort in einem einzigen Jahr. 

Ganz einfach ist es anhand der bloßen Zählung eines Wortes natürlich nicht zu erkennen, ob die Person, die es gesagt hat, auch tatsächlich jemanden beschimpfen wollte. So ist anzunehmen, dass beim Wort „Arsch“ vielleicht auch einmal jemand sagte, dass ihm „der Arsch auf Grundeis geht“ oder „alles im Arsch“ ist. Das ist dann vielleicht nicht würdig, aber wenigstens auch keine Beleidigung einer Person. Mit der Statistik muss man eben immer auch ein wenig vorsichtig sein.

Das „Arschloch“

Sicher nicht freundlich gemeint war jedoch das Wort „Arschloch“, das tatsächlich nur ein einziges Mal im Nationalrat fiel und daher auch einfach zu überprüfen ist. Der Anlass feierte erst kürzlich seinen Jahrestag. Es fiel am 8. Oktober 1998 und es ging um ein Verkehrsthema. Eine hitzige Debatte um den damaligen Skandal beim Bau der Phyrn-Autobahn hatte die Stimmung im Saal überkochen lassen.

Der damalige Grünen-Abgeordnete Andreas Wabl hatte gerade einen Ordnungsruf erhalten, weil er den ÖVP-Abgeordneten Helmut Kukacka einer Lüge bezichtigte. Nachdem Wabl diesen Vorwurf faktisch richtigstellte (was bedeutete, dass er versuchte, ihn mit den Fakten zu rechtfertigen), kam es zu einem Schreiduell im Hohen Haus. Nicht alle Zwischenrufe konnten dabei erfolgreich protokolliert werden. Einer hingegen schon: Wabl rief Kukacka zu: „Sie sind ein großes Arschloch!“ 

Wabl erntete von NR-Präsident Willi Brauneder (FPÖ) einen Ordnungsruf. „Arschloch“ sei „mit der Würde des Hohen Hauses unvereinbar“.

Zur Ordnung!

Der „Ruf zur Ordnung“ wird in Österreich leider weniger spektakulär ausgesprochen, als zum Beispiel das „OOOORDER“ im britischen Unterhaus. Aber das gilt für die Debatten ja auch im allgemeinen Vergleich. Der Ordnungsruf ist jedenfalls das Mittel, das die PräsidentInnen des Nationalrats zur Verfügung haben, um die Würde des Hohen Hauses zu wahren. Der oder die Abgeordnete kann für Verstöße unterbrochen werden oder gar das Rederecht für die Sitzung verlieren, meist wird aber auch einfach nur ermahnt. 

Wenn man sich durch Protokolle zum Nationalrat liest, wundert man sich mit dem alltäglichen Sprachverständnis manchmal über die Sensibilität. So ist – wie bei Wabl – schon der Vorwurf einer „Lüge“ oftmals Grund, einen solchen Ordnungsruf zu erhalten. Manchmal sogar, wenn der Vorwurf zu stimmen scheint. Zu vulgär ist der Ausdruck für die parlamantarischen Gepflogenheiten. Es gehört sich, stattdessen „Unwahrheit“ zu sagen. „Lüge“ ist sozusagen ein Wort für Idioten.

Das Jubiläum

In den online abrufbaren Protokollen seit 1996 sind derzeit 1069 Sitzungen dokumentiert und darin gab es 599 Ordnungsrufe. Wer sich demnächst im Nationalrat also nicht richtig zu benehmen weiß, feiert also ein etwas zweifelhaftes Jubiläum. Den 600. Ordnungsruf (seit 1996). Ungelogen.

Das Rennen ist eröffnet.

Falls du selbst nach Schimpfworten oder anderen Begriffen in Nationalratsreden suchen möchtest. Viel Spaß mit unserem Parlagram. Lass uns doch hier in den Kommentaren, auf Twitter, Facebook oder Instagram von deinen Entdeckungen wissen.

 

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