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Ungleichheit

Warum für Schwangere andere Regeln gelten, in 5 Punkten

Antje Schrupp hat ein Buch geschrieben über ein Thema, das hoch politisch ist, aber oft als Privatsache dargestellt wird. In Schwangerwerdenkönnen beschreibt sie, was der biologische Unterschied ausmacht und wie wir Schwangere als Gesellschaft kontrollieren.

Schwangerschaft ist ein hochpolitisches Thema, das aber oft als Privatsache dargestellt wird. Bloggerin Antje Schrupp beschreibt in ihrem Buch Schwangerwerdenkönnen die politische Dimension einer ganz natürlichen Sache. Es geht um den biologischen Unterschied, wie wir Schwangere als Gesellschaft kontrollieren und warum niemand einen Vater braucht.

Das sind ihre wichtigsten Argumente:

#1 Eine Schwangerschaft lässt sich nicht teilen

Viele Tätigkeiten des alltäglichen Lebens lassen sich aufteilen. Bad putzen, Einkaufen, solche Sachen. Auch zur Zeugung eines Kindes tragen zwei Menschen zu gleichen Stücken bei. Dann ist es aber vorbei. Eine Schwangerschaft lässt sich eben nicht aufteilen, sie ist die einzige Tätigkeit “für andere”, die sich nicht abgeben lässt.

Der biologische Unterschied zwischen jenen Menschen, die Kinder auf die Welt bringen können und jenen, die es nicht können, ist real. Daran lässt sich kaum rütteln. Doch wir können entscheiden, wie wir als Gesellschaft mit dieser Realität umgehen.

#2 Für Schwangere gelten andere Regeln

Wird man schwanger, gelten es plötzlich neue Regeln. Ob Gesetze oder soziale Zwänge, eine Schwangere ist keine freie Bürgerin mehr, schreibt Schrupp. Vielmehr müsse sie ihren Körper der Allgemeinheit und deren Interessen zur Verfügung stellen. Ihr Körper ist plötzlich eine “Ressource der nationalen Entwicklung”.

Dabei sind es sonst eben wir selbst, die über unseren Körper bestimmen. Ein eindrücklicher Vergleich: Auch wenn neben dir gerade jemand stirbt und du ihn mit deinem Blut retten könntest, kann dich niemand zwingen, Blut zu spenden. Denn du darfst selbst über deinen Körper bestimmen.

Bei Schwangerschaft ist das anders. Nach den ersten drei Monaten ist ein Abbruch mit wenigen Ausnahmen strafbar, sowohl in Deutschland als auch in Österreich. Zentral in der Debatte um Abtreibung ist, wann der Fötus ein eigenständiger Mensch und wann Teil der Schwangeren ist. Schrupp argumentiert, dass beides der Fall ist. Das passe vielleicht nicht in die männliche Philosophie der Autonomie, ist aber für Schwangere einfach ein Fakt.

#3 Schwangere gehen immer Risiken ein

Schwangerschaft und Geburt sind risikoreich. Immer noch sterben jährlich rund 300.000 Frauen an Komplikationen während der Schwangerschaft oder der Geburt.

Doch auch abgesehen vom schlimmsten Fall, dem Tod, riskieren Frauen einiges. Frauen, die beim Job kürzer treten, verlieren Pension und Aufstiegsmöglichkeiten. Wenn dann die Partnerschaft mit einem Mann kaputt geht und sie alleine dastehen, haben sie ein extrem hohes Risiko, in die Armut zu rutschen.

#4 Wir alle brauchen eine Mutter, mindestens

Schrupp bezeichnet nicht die Person, die ein Kind geboren hat, als Mutter. Muttersein ist eine soziale Tätigkeit, die Mutter ist für Schrupp die Person, die sich immer und überall verantwortlich für das Kind fühlt. Auch wenn viele Mütter den Wunsch haben, sich nach der Geburt um das Baby zu kümmern, könnte diesen Job nach der Geburt eben auch jemand anderer übernehmen.

#5 Einen Vater braucht niemand

Das ist eine harte Aussage, schon klar. Aber: Auch hier gilt wieder, Schrupp spricht nicht von dem einzelnen Vater, sondern von unserem kulturellen Konzept der Vaterschaft. Die beruhe nämlich heutzutage zumindest auf Freiwilligkeit, schreibt Schrupp. Väter kümmern sich um ihre Kinder oder eben nicht, wie sie wollen. Die Gesellschaft verlange von ihnen höchstens einen finanziellen Beitrag, wobei auch der nur halbherzig eingetrieben werde. Zumindest für Deutschland stimmt das. 2018 haben säumige Eltern (fast alles Männer) 2,1 Milliarden Euro Unterhalt nicht gezahlt, obwohl sie eigentlich müssten.

Fazit

Antje Schrupp nimmt es sehr genau in ihrem Buch und das ist eine der vielen Gründe, warum es so gut gelungen ist. Sie schreibt je nach Zusammenhang von Frauen oder von Menschen, die schwanger werden können. Diese Gruppen überschneiden sich zwar großflächig, sind aber eben nicht deckungsgleich. Denn: Es gibt Frauen, die ohne Gebärmutter geboren werden und Männer, die durchaus schwanger werden können.

Außerdem schafft sie einen schwierigen Spagat: Sie verteidigt zum einen das Recht, nicht schwanger sein zu wollen und gibt gleichzeitig zu bedenken, dass es etwas anderes ist, nicht mit einem bestimmten (etwa einem behinderten) Kind schwanger sein zu wollen.

In ihrem Buch trennt sie strikt zwischen Biologie (ein Mensch trägt ein Kind aus) und Kultur (wer das Kind gebiert, ist Mutter). Diese Unterscheidung macht sichtbar, worum es eigentlich geht. Denn die biologische Notwendigkeit einer Schwangerschaft wird noch lange gegeben sein. Daraus muss aber nicht folgen, dass diejenigen, die sich zwangsläufig um die Kinder kümmern, auch die Risiken, wie Altersarmut, alleine tragen müssen.

Antje Schrupps Schwangerwerdenkönnen ist ein gutes Buch für alle, die, nunja, schwanger werden können und alle, die es nicht können. Wie wir Schwangerschaften organisieren, sagt nämlich ganz schön viel über unsere Gesellschaft im Allgemeinen aus.

 
Cover von Antje Schrupps Buch: Schwangerwerdenkönnen

Schwangerwerdenkönnen von Antje Schrupp ist für rund 17,50 Euro erhältlich

 

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