Demokratie

Was ist ein Groyper?

In den Tiefen des Internets gibt es Räume, von denen die meisten Menschen noch nie gehört haben. In den letzten 20 Jahren hat sich dort eine nihilistische, destruktive Subkultur entwickelt. Ein Teil von ihnen sind die Groyper. Was steckt dahinter? Natascha Strobl analysiert.

Der Anführer der Groyper ist Nick Fuentes. Fuentes ist ein Faschist. Er ist rassistisch, antisemitisch, misogyn, queerfeindlich, antifeministisch, verschwörungsgläubig, ein Incel, russlandfreundlich und christlich-nationalistisch. Diese Haltungen haben ihm auf Social Media eine große Followerschaft eingebracht. Er streamt regelmäßig live und peitscht dort diese Gefolgschaft auf. 

Sein Verhältnis zu Trump ist zwiegespalten. Lange hat er ihn unterstützt, aber Fuentes überwarf sich bald mit jenem Teil von MAGA, die nach außen „gemäßigter“ auftreten wollten. Das führte dazu, dass Fuentes Kanye West in seiner Kampagne unterstützte. Als Friedensangebot lud Trump sowohl West als auch Fuentes im November 2022 nach Mar-a-Lago zu einem gemeinsamen Abendessen.

Wenn das alles ein wenig nach Gala-Berichterstattung klingt, dann stimmt das. Die Extreme Rechte und besonders das Maga-Umfeld sind voll von Befindlichkeiten, öffentlichen Meltdowns, Kriegserklärungen und Versöhnungen. Fuentes ließ den vermeintlichen Frieden nicht lange gewähren und rief seine Follower auf, die Trump-Kampagne 2024 zu attackieren.

Sie nennen sich Groypers

Diese organisierten Attacken passieren nicht zum ersten Mal. Fuentes versammelt quasi eine Online-Armee hinter sich, die er auf Geheiß losschicken kann. Seine Follower nennen sich „Groyper“. Der Name entstammt einer abgeänderten, siffigeren, Version von Pepe the Frog – ein Comic, das unfreiwillig zum Meme und Erkennungszeichen der Alt-Right-Bewegung wurde.

Die Groypers sind Ausdruck eines viel größeren Umfelds, eines losen Netzwerks junger Männer, die sich ständig im Internet gegenseitig radikalisieren. Sie sind hyper-ironisch, nihilistisch und nehmen Anleihen an Gaming und Popkultur. Ihre Ausdrucksweise ist das Meme.

Dementsprechend ist die Sprache samt den Anspielungen von außen nicht leicht zu durchschauen. Das sieht man aktuell sehr deutlich. Der Mörder des rechtsextremen Influencers und MAGA-Strategen Charlie Kirk nahm mit seinem Attentat auch Bezug auf die Symbole dieser Bewegung. Leute, die diese Entwicklungen und Meme-Kultur nie beobachtet haben, deuten sie oft völlig falsch.

Recht lange Geschichte

Die Anfänge dieser Subkultur(en) gehen viel weiter zurück. Sie sind Teil der Internet-Historie. Die Ereignisse kennt man oft außerhalb der entsprechenden Szene nicht. Das wichtigste darunter ist sicherlich „Gamergate“. Aber auch Kulturkämpfe um Frauen bei Star Wars oder Hillary Clintons “Depolarable”-Sager und seine Verarbeitung in diesen oft losen Communities spielten ihre Rolle.

Jene Leute, die sich bei Fuentes eingefunden haben, sind also die Groypers. Fuentes machte besonders am Anfang eine große Show daraus, dass er sich nicht in Ausbildung befindet, arbeitslos ist und aus dem Haus seiner Eltern streamed. Damit wollte er besonders nahbar für seine Zielgruppe sein. Fuentes ist mittlerweile Millionär und gibt nun auch „So wirst auch du reich”-Tipps an seine Gefolgschaft.

Kampf unter Rechtsextremen: Groypers vs. Charlie Kirk

Die Attacken auf die Trump-Kampagne 2024 gingen als “Groyper War 2” in die Alt Right-Geschichte ein. „Groyper War 1“ war aber fast noch effektiver. Das Ziel von „Groyper War 1“ waren Charlie Kirk und dessen Organisation „Turning Point USA“ (TPUSA).

Für Fuentes war Kirk nicht radikal genug. Insbesondere stieß er sich an dessen Nähe zu Israel. Also begann Fuentes bei Veranstaltungen von Turning Point USA aufzutauchen und diese zu kapern. Alles wurde natürlich schön für “gotcha!”-Videos im Internet zusammengeschnitten. Genau das gleiche Prinzip, das Kirk selbst bei unbedarften Studierenden angewandt hat.

Gleichzeitig attackierten seine Follower die „Turning Point USA“-Kampagne online. Der ursprüngliche Auslöser war übrigens, dass TPUSA eine Kirks Organisation zugerechnete Influencerin entließ, nachdem sie auf einem Foto mit Fuentes zu sehen war. (Die Frau ist mittlerweile eine der vielen Mütter von Elon Musks Babies. Womit wir wieder bei Gala-Tratsch sind.) 

Diese Attacken betrafen auch Veranstaltungen mit hochrangigen Gästen – auch mit Trump selbst. Fuentes wurde daraufhin „deplatformed“ (von wichtigen Social Media Plattformen ausgeschlossen). Musk hat ihn nach der Übernahme von Twitter wieder zu X zurückgeholt. Die Krokodilstränen von Fuentes rund um Kirk sind dementsprechend sehr lächerlich, war er doch der selbsternannte Feind von Kirk und seiner Strategie, MAGA groß zu machen. 

Medien sind komplett blank

Es ist derzeit unklar, ob der Mörder von Kirk wirklich ein aktiver Groyper war oder nur aus eine verwandten anderen Subgenre kommt und sich daran angelehnt hat. Die Inschriften auf der Munition zeigen klare Anleihen. Es sind Codes für Games, Anspielungen auf Memes und ironische Verwendungen von Liedtexten (Bella Ciao ist zwar ein antifaschistisches Lied, es fand aber über die Fernsehserie “Haus des Geldes” Eingang in eine allgemeine Internet- und Memekultur bis weit ins rechte Lager). 

Dass so wenige Medienhäuser diese Zusammenhänge auf den ersten (oder oft auch zweiten) Blick verstanden haben, zeigt nur, wie blank sie in Sachen Internet und dessen Subkulturen sind. Dieses Unwissen wird auch ausgenutzt. Das MAGA-Regime bis hin zum FBI unter dem verschwörungsgläubigen Trump-Günstling Kash Patel spinnen aus den Andeutungen des Attentäters zwanghaft ein “linksradikal”-Narrativ, das die Inschriften einfach nicht hergeben.

Sie sind klar einer speziellen Internet-Gaming-Kultur entnommen, zu der auch die Groypers gehören. Sie sind die einzigen, die einen lang gehegten Hass spezifisch auf Kirk haben. Es wird spannend sein, ob wir je die Wahrheit durch saubere Ermittlungen erfahren. 


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