Arbeitswelt
Ungleichheit

So ist es wirklich, Essen per Rad zu liefern

Abdullah ist Essenszusteller auf dem Fahrrad. Am Anfang wollte er vor allem Freiheit vom Rassismus, den er in seinem vorherigen Job erlebte. Aber die Anfeindungen haben nicht aufgehört. Hier erzählt er, was er wirklich denkt.

Ich bin 2012 nach Österreich gekommen und war keinen einzigen Tag beim AMS gemeldet. 2016 durfte ich endlich arbeiten. Ich arbeite wie ein Trottel, verdiene Geld und zahle Steuern. In Arbeitspausen schaue ich Youtube und sehe dort Werbungen der FPÖ und man denkt sich, alle schreien „Ausländer raus“. Das ist das wirklich Nervige an diesem Job, weil das höre ich auf der Straße und manchmal beim Essenausliefern auch öfters.

Einmal hat beispielsweise einer hinter verschlossener Tür gerufen: “Bist du Araber? Das ist unser Land!” Und sonstigen Blödsinn. Zum Glück gibt es wenige solche Kund:innen. Auf der Straße kommt es täglich vor, dass man streiten muss.

Aber ich sage ganz deutlich: Ohne Ausländer:innen gibt’s in Österreich gar nix. Niemand schlachtet Fleisch, pflegt die alten Menschen – oder bringt dir eben dein Essen nachhause.


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Ich selbst habe mich immer wieder beworben – auch dort, wo sie angeblich Leute brauchen. Aber die ÖBB wollte mich nicht – nicht einmal eine Putzfirma. Also muss ich Essen austragen – bei einem Unternehmen, das mir nur Jacke, Tasche und Helm gibt. Das Fahrrad musste ich mir kaufen. Aber ohne Arbeit habe ich kein Geld und kann mich nicht um meinen Sohn und meine Frau kümmern.

Biken für die Freiheit

Angefangen zu arbeiten habe ich bei einem Fastfood-Restaurant, dann wollte ich im Lebensmittel-Einzelhandel Filialleiter werden. Am Anfang hatte ich auch eine tolle Chefin, die mich sehr unterstützt hat. Sie war, glaube ich, eigentlich aus Serbien. Aber dann bekam sie gesundheitliche Probleme und musste gehen.

Wir bekamen einen österreichischen Vorgesetzten. Der mochte mich nicht. Warum, kann ich nicht sagen. Aber irgendwann habe ich gekündigt, weil ich das nicht mehr ertragen habe.

Damals schien Essenszustellung toll zu sein. Ich habe während der Corona-Pandemie angefangen, es gab viel Arbeit und ich war mein eigener Boss. Geld gab es pro Bestellung. Die wurden aber schnell weniger.

„Wie bei der Mafia“

Die Aufträge wurden aus meiner Sicht nicht mehr fair verteilt. Es gab einige wenige Dispatcher. Die vergeben die Aufträge, die beim Restaurant eingehen, an die Rider. Eigentlich sollte das automatisiert sein, aber es hat sich angefühlt wie bei der Mafia. So gab es etwa angebliche Beschwerden, dass das Essen nicht zugestellt war, aber das war gelogen. Da habe ich mich richtig verarscht gefühlt, als mir und uns das vorgeworfen wurde. Wir hatten ja Fotos davon gemacht. 

Nach einer Beschwerde bleibt man aber leider trotzdem zuerst einmal gesperrt. Dann musst du ins Büro und streiten. Wenn du dann wieder liefern darfst, hast du schlechtere Bewertungen und bekommst schlechtere Schichten. Da verdienst du vielleicht 1.400 Euro. Aber wir sind auf das Geld angewiesen. Mit „Wir“ meine ich vor allem Syrer, aber auch Afghanen. Ich kenne auch ein paar Inder und Rumänen. Auch Österreicher kenne ich schon ein paar, aber ich glaube, dass sie vielleicht so ein Prozent aller Rider ausmachen.

Niemand hilft uns

Wir arbeiten die ganze Zeit, aber dann haut man uns übers Ohr. Nicht einmal ein Fahrrad bekommst du und wenn einer einen Unfall hat, hilft die Firma nicht. Manche wurden auch grundlos gekündigt, als sie Kinder bekommen haben. Ich glaube, weil man denkt, dass man dann nicht mehr so flexibel ist.

Die Chefs verdienen Milliarden und nutzen uns aus. Wir bringen euch bei jedem Wetter euer Essen. 

Wieder Unsicherheit

Jetzt bin ich bei Lieferando. Sie haben derzeit noch einen Kollektivvertrag. Nach acht Stunden Arbeit kann ich zu meinem Kind nach Hause, es gibt Weihnachts- und Urlaubsgeld. Dazu kommt noch ein Betrag pro gefahrenem Kilometer. 

Aber jetzt wollen sie mich und alle Rider zu freien Dienstnehmer:innen machen, darauf habe ich keinen Bock. Als freie:r Dienstnehmer:in hast du keinen Schutz. Wenn du krank bist, musst du trotzdem arbeiten gehen, mein Kind will ja trotzdem etwas essen. Mit solchen Umständen sind wir Syrer:innen auch nicht glücklich. 

Es ist aber schwierig, einen anderen Job zu finden. Als bekannt wurde, dass Lieferando alle Rider auf freie Dienstnehmer:innen umstellt, hat die Post gemeint, sie nimmt die Rider als Zusteller:innen. Ich habe bis heute keine Antwort bekommen.

Wo kommt der Hass her?

Ich kenne Leute, die waren in unserer Heimat Ärzte, Apotheker und so weiter. Sie sprechen sehr gut Englisch, aber eben nicht Deutsch. Also will sie niemand und sie liefern essen aus. Ich sage nicht, dass alle Syrer super sind, aber die meisten wollen Geld verdienen und in Ruhe leben. Ich weiß nicht, warum man uns nicht will.

Wir alle spüren diesen Hass auf der Straße, wenn wir das Essen bringen. Und ich glaube, dass das schon auch ein österreichisches Problem ist. Meine Tante wohnt seit 40 Jahren in Berlin und erzählt mir nichts von solchen Anfeindungen.

Es gibt eben viele Jobs, die nur wir machen; wie eben als Rider zu arbeiten. Das Zustellen von Essen ist ehrlicherweise eigentlich nicht schlecht. Mich stört es auch nicht, wenn es kalt oder regnerisch ist. Was mich aber stört, ist, dass viele so rassistisch sind.

(Anmerkung: Da der Text der Perspektive des Essenszustellers entspricht und auf seinen Erzählungen beruht, kann er stellenweise von unseren üblichen Gender-Richtlinien abweichen.)


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