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Demokratie

Jeffrey Epstein und seine E-Mails: Wie österreichische Medien das Auftauchen von Sebastian Kurz behandeln

Jeffrey Epstein und seine E-Mails: Wie österreichische Medien das Auftauchen von Sebastian Kurz behandeln
Das Auftauchen von Sebastian Kurz in den E-Mails von Jeffrey Epstein sorgte für einen Fehler beim Standard. Der Umgang mit diesem Fehler in anderen österreichischen Medien ist aber noch um einiges schräger, findet Tom Schaffer.

Kürzlich tauchte der Name von Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz in vom US-Kongress veröffentlichten E-Mails von Jeffrey Epstein auf. 

Wie Kurz in den Epstein-Mails vorkommt

Der wegen des Missbrauchs Minderjähriger verurteilte Sexualstraftäter Epstein hatte dem Rechtsextremen Steve Bannon in einer von zahlreichen E-Mails zwischen den beiden ausgerichtet:

“Kurz will dich treffen”.

Bannon antwortete: “Ich will ihn treffen”.

Epstein sagte daraufhin: “Er [Anm. d. Red.: Kurz] sagte, er sei mit der EU beschäftigt gewesen. Bereit zum Treffen”.

Dieser Austausch zwischen Epstein und Bannon fand laut den Akten am 4. Juli 2018 statt. Kurz war zu diesem Zeitpunkt österreichischer Kanzler einer ÖVP-FPÖ-Koalition und Österreich hatte gerade die EU-Ratspräsidentschaft übernommen.

Bannon war nur wenig davor als Berater von US-Präsident Donald Trump ausgeschieden und versuchte zu dieser Zeit, in Europa den Vernetzer von rechtsradikalen Parteien zu spielen.

Der gut vernetzte Investor Epstein war bereits 2008 als Sexualstraftäter verurteilt worden und wurde ein Jahr nach diesem Austausch mit Bannon (6. Juli 2019) erneut verhaftet. Er starb kurz darauf in Haft. 

Welchen Fehler der Standard gemacht hat

Als diese E-Mails und das Auftauchen von Sebastian Kurz darin bekannt wurden, hat der "Standard" darüber berichtet. In der Stellungnahme zum Artikel hält Kurz über einen Sprecher fest, dass dieser weder Epstein noch Bannon kenne. Er vermutet in diesen 2025 bekannt gewordenen E-Mails aus dem Jahr 2018 einen "Politzirkus", in den er hingezogen werden solle.

Wohlgemerkt: Dass Bannon so ein Treffen wollte, wäre zwar nachvollziehbar. Dass es so ein Treffen tatsächlich je gab, wäre aber auch weiterhin nicht bekannt. Kurz selbst leugnet das eben. 

Im Bericht hat der "Standard" jedenfalls einen klaren Fehler gemacht: Der Inhalt wurde zwar korrekt wiedergegeben, aber die Absender der E-Mails wurden verwechselt. Das wurde nach kurzer Zeit transparent korrigiert und in der Folge erklärt.

Sebastian Kurz verlangte nun dennoch einen Widerruf. Also hat das Medium einen veröffentlicht. Wir erfahren darin also noch ein weiteres Mal: Nicht Bannon habe ein Treffen zwischen Kurz und Epstein vermitteln wollen, sondern Epstein ein Treffen zwischen Kurz und Bannon.

Die Existenz der E-Mail-Unterhaltung (an der Kurz selbst ja nicht beteiligt war) wird natürlich nicht geleugnet. Denn die E-Mails sind dokumentiert und öffentlich auffindbar. Diese und die Bemerkungen sind wohlgemerkt kein Beweis dafür, dass Kurz und Epstein einander überhaupt kannten. Aber sie werfen Fragen auf, die immer noch nicht geklärt sind: Wie kam Epstein auf die Idee, Bannon auf Kurz anzusprechen? Wieso behauptete er zu wissen, was Kurz gesagt habe und wolle? Hat er geglaubt, eine Rolle bei dieser Vermittlung spielen zu können? Und wenn ja: wieso? 

Wie Heute, OE24 und Presse darüber berichten

Spannend ist deshalb, wie einzelne andere Medien nun über den Fehler und Widerruf des "Standard" berichten. Etwa die “Heute”, deren Herausgeberin Eva Dichand selbst im ursprünglichen Artikel und in den Epstein-Mails vorkommt (ein Bekannter hatte 2012 ein Mail von ihr an Epstein weitergeleitet, als es um einen Besuch in Wien ging). Auch Dichand sagt, Epstein nicht gekannt zu haben und auch bei ihr ist eine Bekanntschaft oder ein Treffen mit Epstein nicht belegt.

Dichands Medium erzählt ihren Leser:innen nun aber lediglich, der Standard müsse eine “Falschmeldung” widerrufen. Aber wer die Meldung in der “Heute” liest, bekommt sehr wahrscheinlich den Eindruck, dass es auch die E-Mails nie gegeben hat, die die Frage nach der Verbindung zwischen Kurz und Epstein aufwerfen. Dass die E-Mails tatsächlich existieren und die beiden Männer sich über Kurz und ein Treffen mit Bannon unterhalten haben, wird jedenfalls nicht für erwähnenswert gehalten.

Derselbe Eindruck entsteht übrigens, wenn man die Zeitung “OE24” aufschlägt. Da wird aus den verwechselten Absendern zu den echten E-Mails gleich eine “Fake News” und alles “frei erfunden”.

Und auch die “Presse” steigt in diese Riege ein und erweckt den Eindruck, es habe nicht nur einen Verdreher im STANDARD gegeben, sondern eine “irrtümliche” Behauptung über eine Verbindung. Den wahren Grund für die ursprüngliche Berichterstattung wollte man Leser:innen im Rahmen dieser Meldung nicht zumuten.

Der "Standard" hat sich mit dem Fehler keineswegs mit Ruhm bekleckert. Allerdings ist er immerhin transparent und einsichtig damit umgegangen. Dazu hätte es auch den seltsamen Widerruf nicht gebraucht. Als Leser:in hatte man schon davor die Chance, die Fakten zu erfahren. 

Ob die Leser:innen der anderen drei Medien auch um die Wahrheit Bescheid wissen können, wenn sie die aktuellen Berichte lesen? Wie "Heute", "OE24" und "Presse" mit der Causa umgehen, ist jedenfalls nicht weniger bemerkenswert, als der ursprüngliche Fehler selbst. Und deren Leser:innen sollten sich das merken.

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