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Demokratie

Astroturfing mit Kinotickets: Was QAnon und die Sebastian Kurz-Doku gemeinsam haben

Ausverkauft
Sebastian Kurz ist wieder da. Und es gibt gleich zwei Kino-Dokumentationen über ihn. Eine kritische und eine wohlwollende. Bei letzterer ist unklar, woher das Geld kommt. Und das Publikum. Eine Parallele findet man bei QAnon.

Die beiden Kurz-Dokus bestimmen schon seit Wochen das innenpolitische Geschehen. Nun stellt sich heraus, dass die Produktionsfirma der „wohlwollenden“ Kurz-Dokumentation wohl Karten im großen Stil selbst gekauft hat, ohne dass dafür jemand ins Kino ging. (Die Firma ist über die Vorwürfe empört, eine Kinokette bestätigt allerdings deren Bestellungen.) In den österreichischen Medien wird das als skurrile Kleinigkeit gesehen.

Ein aktuelles internationales Vorbild dafür, dass so etwas gemacht wird, findet man allerdings – in der extremen Rechten.

QAnon macht das auch

Hast du schon von „Sound of Freedom“ gehört? Nein? Macht wohl nichts. Das war in diesem Sommer in den USA der erfolgreichste Film, den fast niemand gesehen hat. Es ist eine Geschichte über einen ehemaligen Agenten, der auf eigene Faust entführte Kinder rettet. So weit, so pathosgeladenes Bombast-Kino.

Der Film wurde aber in den Kreisen der QAnon-Verschwörungsmythologie als Beleg düsterer Netzwerke gesehen, die systematisch Kinder entführen und ihnen Gewalt antun. Diese „politische Verschwörung“ reiche bis in die höchsten Kreise, so die Grundannahme der Verschwörungsgläubigen.

Und dementsprechend wurde gemunkelt, dass der Film absichtlich „klein“ gehalten wird. Als Beleg wurden Fotos leerer Kinosäle bei gleichzeitig ausgebuchter Reservierungssysteme präsentiert. Wie später herauskam, war es aber genau umgekehrt: Nicht Ticketkäufer:innen wurden aus dem Kinosaal ferngehalten. Sondern mysteriöse Spender:innen kauften ganze Kinosäle auf, damit der Film in den Kinocharts nach oben kletterte. Ob ihn wirklich jemand gesehen hat, war irrelevant.

Selbstgebastelte Mythen 

Diese Methode ist eine Abwandlung des „Astroturfing“. (Astroturf ist eine Kunstrasen-Marke.) Das Prinzip beschreibt die künstliche Herstellung einer scheinbar organischen Graswurzel-Bewegung. Die Geschichte hier soll sein: Da ist dieser patriotische Film gegen „die da oben“, der es mit Barbie und Oppenheimer aufnimmt. Das passt in die Erzählung von der angeblichen schweigenden Mehrheit, die sich angeblich gegen eine angebliche linke Elite stellt.

Diese Begriffe entsprechen natürlich nicht den echten Verhältnissen von Reichtum und Einfluss. Denn dann würde schnell klar werden, dass die rechten Koch-Brothers, Elon Musk oder Peter Thiel genau jene Elite sind, gegen die sich der diffuse Protest richten müsste. Die „Elite“ wird hier stattdessen zu einer kulturellen Kategorie. Und jede kleinste LGBTIQ-NGO wird von den Rechten dann einfach zum Teil dieser „Elite“ erklärt. 

Künstliche Revolution, künstliche Belege

Immer wieder werden angebliche Belege für diese künstliche Revolte „gegen die Eliten“ erzeugt. Das sind dann etwa Umfragen, die einen Rechtsaußen-Kandidaten weit vorne zeigen. Auch Kundgebungen, Triumph-Demonstrationen oder auch Gerichtsverfahren werden als solche Belege gedeutet. Und nun eben auch Kino-Charts, die belegen sollen, dass ein Erfolg gegen die verhasste Presse möglich ist.

Nur ist das eben alles künstlich hergestellt: Die Bilder, die Umfragen, sogar die Kino-Besuche. Es ist eine Scheinwelt fernab faktischer Wirklichkeit. Alles ist Inszenierung und Lug und Trug.

Im Fall von Kurz ist es außerdem die teuerste Prozess begleitende PR aller Zeiten. Schließlich steht Kurz, wie Trump, der Gang vor ein demokratisch legitimiertes Gericht noch bevor. Beide werden, ungeachtet des Urteils, auch diese Prozesse als Mosaiksteinchen in ihrem Potemkischen Dorf nutzen. Es wird sich zeigen, wie resolut die österreichische und die US-amerikanische Demokratie damit umgehen werden.

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