print print
favorites-circle favorites-circle
favorites-circle-full favorites-circle-full
Demokratie
Klimakrise

Wie Frankreichs ungewöhnlicher "Bürgerrat" zu starken Klima-Maßnahmen kam, in 6 Punkten

Inlandsflüge verbieten, Umweltverbrechen bestrafen, Klimaschutz in die Verfassung aufnehmen: Frankreichs Bürgerrat kämpft gegen die Klimakrise und nimmt Präsident Emmanuel Macron in die Pflicht. 150 zufällig ausgewählte Personen mit unterschiedlichen sozialen und wirtschaftlichen Hintergründen haben jetzt einen gemeinsamen Maßnahmenkatalog präsentiert, der es in sich hat. Wer der Bürgerrat ist und was er erreichen will - in 6 Punkten.

#1 Was fordert der Bürgerrat?

Der Bürgerrat will den Klimaschutz in der französischen Verfassung verankern – das würde die Regierung zu Klimaschutz verpflichten. Außerdem sollen umweltpolitische Entscheidungen durch unabhängige BeobachterInnen kontrolliert und der Straftatbestand „Ökozid“ eingeführt werden. Letzterer bedeutet konkret: Wer die Umwelt schädigt, wird bestraft. Das soll sich vor allem gegen Unternehmen richten, deren Taten die Erderwärmung, das Artensterben oder die Versauerung der Böden vorantreiben. 

 

#2 Welche Klima-Maßnahmen schlägt er vor?

Der Bürgerrat hat 149 klimafreundliche Empfehlungen auf 500 Seiten veröffentlicht. Die Vorschläge beziehen sich auf die Bereiche Wohnen, Konsum, Ernährung, Mobilität und Arbeit bzw. Produktion. Unter den Forderungen: das Tempolimit auf Autobahnen auf 110km/h reduzieren, das Öffi-Netz ausbauen, Inlandsflüge verbieten, Plastikprodukte reduzieren und Wohnhäuser energieeffizient renovieren. Außerdem plädiert der Bürgerrat dafür, dass Konsumgüter eine höhere Qualität bekommen und es mehr vegetarische Speisen in Frankreichs Kantinen gibt. Werbung für klimaschädliche Produkte wie Autos soll verboten und Umweltsünden bestraft werden.

 

#3 Wer ist der Bürgerrat eigentlich?

Im Oktober 2019 von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ins Leben gerufen, besteht der Bürgerrat aus 150 zufällig ausgewählten FranzösInnen. Die Mitglieder stellen eine repräsentative Stichprobe der französischen Bevölkerung dar, vertreten also die Interessen von Jung und Alt, Arm und Reich, Männern und Frauen, Land- und Stadtbevölkerung. Ihre Aufgabe: ein Konzept entwickeln, das Frankreichs Treibhausgasse in den kommenden 10 Jahren verringert – um 40% im Vergleich zu 1990. Ärmere Personen dürfen dabei nicht belastet werden.

#4 Woher wissen die Mitglieder, was gut für das Klima ist?

Zwischen Oktober 2019 und April 2020 hat sich der Bürgerrat regelmäßig getroffen und gemeinsame Konzepte für den Klimaschutz erarbeitet. Auf der Tagesordnung standen Vorträge von KlimawissenschaftlerInnen und die Auseinandersetzung mit französischen Gesetzen und Steuervorschriften. Unterstützt wurde der Bürgerrat in seiner Entscheidungsfindung von KlimaexpertInnen, WirtschaftsvertreterInnen und SoziologInnen.

#5 Warum ist der BürgerInnenrat so besonders?

Die 150 Mitglieder des Bürgerrats sind weder KlimaexpertInnen noch speziell umweltfreundlich eingestellte Menschen. Sie vertreten unterschiedliche soziale Gruppen, haben andere Hintergründe und wirtschaftliche Interessen. Trotzdem konnten sie sich auf einen recht eindrucksvollen Maßnahmenkatalog einigen. Mitinitatorin Mathilde Imer sagte über den Bürgerrat und seine Vorreiterrolle in Europa: „Wir brauchen Modelle, bei denen der Bürger nicht mehr der Dumme ist, sondern Verantwortung übernimmt.“

#6 Und wie geht’s jetzt weiter?

Präsident Macron hat bereits ein Gespräch mit VertreterInnen des Bürgerrats geplant – die Regierung will über den Maßnahmenkatalog beraten und einige der Forderungen ins Parlament einbringen. Auch eine allgemeine Volksabstimmung über die Maßnahmen steht im Raum. Die Opposition reagiert gespalten: Grüne und Linke zeigen sich über die Forderungen erfreut, Konservative und Rechte wollen die französische Verfassung „in Ruhe lassen“.

Ob und welche der Klima-Forderungen an Frankreichs PolitikerInnen umgesetzt werden, entscheiden sie also letzten Endes selbst.

    Neuen Kommentar hinzufügen

    Kommentare 0 Kommentare
    Kommentar hinzufügen

    Neuen Kommentar hinzufügen

    Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Beitrag!