Armut und Klimakrise: Wer besonders unter der Hitze leidet
Bis zu 34 Grad Celsius. Das sind keine angenehmen Badetemperaturen mehr, sondern ein Problem für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen. Und das Problem wird größer. Hitzeextreme nehmen infolge der Klimakrise zu. Der Juli dieses Jahres war der wärmste je gemessene Monat. Mehr als 60.000 hitzebezogene Todesfälle gab es 2022 in Europa. 419 Hitzetote waren es in Österreich.
Nicht alle leiden gleich unter der Hitze
Unter der Hitze leiden nicht alle gleich. Wer kann, kühlt die eigenen vier Wände mit Klimaanlagen oder Beschattungen. Oder fährt aufs Land in den zweiten Wohnsitz oder in den Urlaub. Doch viele können das nicht. Neben älteren Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen sind Armutsbetroffene, insbesondere Kinder, stärker von der Hitze betroffen. Darauf weist Diskurs. Das Wissenschaftsnetz in einem Mediengespräch hin.
Städte sind Hitzeinseln
Das liegt einerseits am Wohnort. Städte sind Hitzeinseln. Es gibt weniger Grün, mehr Straßen, Parkplätze, asphaltierte und verbaute Flächen. Die heizen sich stärker auf. Zusätzlich zu den ohnehin steigenden Temperaturen. Von Armut betroffene Menschen leben häufiger in Städten und zudem häufiger in Bezirken, in denen die Temperaturen am höchsten steigen. Es sind Wohngebiete mit hoher Bevölkerungsdichte, besonders wenig Grünflächen und Hauptverkehrsadern. Das bedeutet auch hohe Umweltbelastung durch Lärm, Feinstaub und Luftschadstoffe, informiert Tania Berger von der Donau Uni Krems.
Armutsbetroffene wohnen in heißen Wohnungen
Doch nicht nur die Umgebung sei ein Problem, sondern auch der Wohnraum selbst, erklärt Berger. Armutsgefährdete Menschen wohnen fast ausschließlich zur Miete. Und überdurchschnittlich oft in zwar für sie leistbaren, aber alten Wohngebäuden mit geringer Energieeffizienz oder überbelegten Wohnungen. Klimaanlagen sind weder in der Anschaffung noch im Betrieb leistbar. Abgesehen davon, dass durch Klimaanlagen der Energieverbrauch steigt und Emissionen verursacht werden, die die Klimakrise weiter anheizen.
Kinder leiden besonders unter der Hitze
“Kinder sind bei Hitze besonders vulnerabel”, sagt Ernest Aigner vom Kompetenzzentrum Klima & Gesundheit der Gesundheit Österreich GmbH. Im Jahr 2022 waren 353.000 Kinder und Jugendliche zwischen 0 und 17 Jahren in Österreich von Armut betroffen. Die Hitze ist für sie besonders belastend. Denn Kinder haben eine geringere Schweißproduktion und können Wärme nicht so gut ableiten. Außerdem können sie Hitzeeffekte nicht gut einschätzen und dehydrieren schneller. Und sie haben einen höheren Bedarf, draußen zu sein.
In einer Studie wurden die Auswirkungen von Hitze auf von Armut betroffene Kinder untersucht. Darin gaben Eltern an, wie sich die Hitze auf die Kinder auswirkt, wie sie sich als Familie im Wohn- und öffentlichen Raum verhalten und welche Bedürfnisse sie im Hinblick auf den Wohn-, den öffentlichen Raum und das Informationsangebot haben. Rund ein Drittel gab an, dass ihre Kinder durch die Hitze stark oder sehr stark belastet sind. Mehr als acht von zehn Befragten beobachteten, dass ihre Kinder durstiger sind und mehr trinken. Zwei Drittel gaben an, dass die Kinder schlechter schlafen. Und 62 Prozent der Eltern sagten, ihre Kinder seien bei Hitze unruhig, fühlen sich unwohl und weinen mehr.. Mehr als die Hälfte der Kinder seien weniger motiviert, sich zu bewegen und verhalten sich aggressiv. Über 40 Prozent nahmen körperliche Symptome wie Übelkeit, Ausschlag, Kopfschmerzen und Schwindel oder einen Rückzug der Kinder wahr.
Die Hitze im Wohnraum ist für viele Befragte belastend. 45 Prozent der Kinder sagten, sich nur ungern in der heißen Wohnung aufzuhalten. Dann wird der öffentliche Raum zur Abkühlung genutzt. Mehr als die Hälfte der Familien gaben an, die Wohnung zu verlassen, um sich vor Hitze in der eigenen Wohnung zu schützen. Das kostet jedoch oft Geld, das die betroffenen Familien nicht haben. Zeitgleich klagen mehr als ein Drittel der Kinder über die Hitze auf Spielplätzen oder in Parks. Ein Teufelskreis.
Gebäude dienen als Schutz. Auch vor Hitze.
Als kurzfristige Lösung brauche es kühle öffentliche Räume, die kostenfrei zugänglich sind. Und Informationen zu individuellen Möglichkeiten, wie die Wohnräume am besten kühl bleiben. Markus Winkler von der Donau Uni Krems zählt auf: Den Wohnraum möglichst von außen beschatten. Innen Wärme durch Geräte wie Herd oder Backrohr möglichst vermeiden und nachts lüften, wo es möglich ist.
Langfristig müssten die Gebäude baulich angepasst werden, führt Winkler aus. “Gebäude dienen als Schutz vor Witterung”, sagt Winkler. In Bezug auf Regen, Schnee und Kälte sei das im Bewusstsein stark verankert. Dass wir auch Schutz vor Hitze benötigen, werde vielen erst bewusst. Bauliche Maßnahmen dafür seien gute Isolierung, Verschattung, Begrünung der Gebäude und Umgebung oder auch Klimaanlagen. Diese Maßnahmen können vor allem bei Neubauten berücksichtigt werden. Bei bestehenden Gebäuden sei das schwieriger.
Auch hier hätten es Armutsbetroffene schwerer. “Sie wohnen zur Miete und können bauliche Maßnahmen nicht beeinflussen”, erklärt Winkler. Außerdem fehle für die meisten Maßnahmen das Geld. Hierfür brauche es Vorschreibungen, die im Baurecht verankert sind und gegebenenfalls finanzielle Unterstützung, fordern die Expert:innen.