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Klimakrise

"Wie mit dem Bulldozer": Warum über ein Verbot der Fischerei mit Grundschleppnetzen gesprochen wird

Die EU-Kommission will bis 2030 Grundschleppnetze in der Fischerei verbieten. Gerade deutsche Ministerien sträuben sich dagegen. Ein Überblick über das Verbot, seine Folgen und wie Österreich und andere Mitgliedsstaaten dazu stehen.

 
 

Die EU-Kommission will bis 2030 Grundschleppnetze in der Fischerei verbieten. Gerade deutsche Ministerien und Industrie sträuben sich erwartungsgemäß dagegen. Ohne Meeresschutz geht es aber nicht. Wie soll das funktionieren? Und was sagt Österreich dazu? 

Fische kann man auf verschiedenste Arten fangen. Eine in der EU häufig genutzte Fangart sind Grundschleppnetze. Dabei wird ein tonnenschweres, riesengroßes Netz über den Grund des Meeres gezogen und das ins Netz Gegangene hinterher im Schiff entladen. Grundschleppnetze nutzen vor allem Fischer, die Krabben und Muscheln sowie Grundfische fangen, da sich die Tiere auf oder nah am Meeresgrund aufhalten.

Die EU-Kommission fordert nun, diese Art von Fischfang in allen Meeresschutzgebieten bis spätestens 2030 schrittweise einzustellen. Das geht aus einem Entwurf von Ende Februar hervor. Bis Ende 2024 sollen alle Mitgliedsstaaten die Maßnahmen vorstellen und erste Schritte einleiten. Die Kommission beruft sich mit ihrem Verbot auf die Zusage aller Mitgliedsstaaten zur Biodiversitätsstrategie. Diese soll mindestens 30 Prozent aller Meere der EU schützen.

Außerdem sind im EU-Recht der Schutz und die Wiederherstellung des Meeresbodens bereits vorgeschrieben. Jede künftige Entscheidung der einzelnen Länder soll dem Meeresökosystem zugutekommen. Als Grund für das kommende Verbot von Grundschleppnetzen nennt der Aktionsplan die schädlichen Folgen auf das Meeresökosystem und die Umwelt generell. 

Grundschleppnetze wie “Bulldozer in einem Teich”

Laut Meeresforscher:innen, NGOs für Meeresschutz und der EU-Kommission selbst sind Grundschleppnetze besonders schädlich für die Umwelt – im Gegensatz zu manch anderen Fischfangmethoden. 79 Prozent des Meeresbodens der EU vor den Küsten gelten als physisch geschädigt, was laut EU-Kommission auf Grundschleppnetzfischerei zurückzuführen ist.

Die Deutsche Stiftung Meeresschutz vergleicht diese Art der Fischerei mit der weltweit geächteten und verbotenen Dynamit- oder Sprengstofffischerei. Tiefseelebensräume wie Seeberge, Kaltwasserkorallen oder Glasschwämme werden durch die Grundschleppnetze ebenso wie der Meeresboden zerstört und brauchen Jahrzehnte bis Jahrhunderte, um sich wieder zu regenerieren.  “Fischen mit Grundschleppnetzen ist so, als würde man mit einem Bulldozer in einen Teich fahren, um die Fische zu fangen”, beschreibt es Elliot Norse, Präsident des Marine Conservation Biology Institute.

Bei Grundschleppnetzen sehr problemtisch: die hohen Beifänge. Als Beifang bezeichnet man alles, was zusätzlich zu dem, was gefischt werden soll, ins Netz geht. Die Deutsche Stiftung Meeresschutz geht von einer Beifangrate von bis zu 90 Prozent aus.

Die EU-Kommission macht zusätzlich auf die Rückwürfe solcher Beifänge aufmerksam. Als Rückwürfe bezeichnet man alle Fische, die aus dem Beifang zurück ins Meer geworfen werden. Oft sind diese schon tot oder überleben den Rückwurf nicht. Die EU versucht derzeit Lebensmittelverschwendung zu verringern, Rückwürfe verhindern das. Die Grundschleppnetzfischerei ist laut Deutsche Stiftung Meeresschutz für 93 Prozent aller gemeldeten Rückwürfe aus unerwünschten Beifängen in EU-Gewässern verantwortlich.

CO2-Speicher werden zerstört 

Meereslebensräume speichern und binden Kohlenstoff. Das ist für die Bekämpfung der Klimakrise wesentlich. Durch die Schleppnetze werden genau diese, beispielsweise Seegraswiesen, zerstört. Durch die Bodenberührung werden nicht nur die Speichermöglichkeiten zerstört, sondern das dort gespeicherte CO2-Klimagas freigesetzt. Zusätzlich benötigen derartige Fischkutter, die tonnenschwere Netze ziehen können, viel Kraftstoff. Der Emissionsverbrauch, den diese Art des Fischens benötigt, ist folglich immens.

Eine Studie aus 2021 prognostizierte, dass sich durch den Schutz der Meere, auch der Fischertrag steigern würde. Das heißt, durch den Meeresschutz könnten sich seine Bewohner besser vermehren und die Fischer auf lange Sicht gesehen sogar höhere Erträge erzielen.

“Das Krabbenbrötchen gehört für viele dazu”

Die Fischer selbst sehen das erwartungsgemäß anders. Ein Krabbenfischer am Wattenmeer bezeichnet es als “absolutes Berufsverbot” für ihn und 95 Prozent seiner Kollegen, da sie nicht auf andere Fangmethoden ausweichen könnten. Beim Nachbarn Deutschland stärken die Ministerien den Fischern den Rücken.

Das Ministerium für Landwirtschaft, ländliche Räume, Europa und Verbraucherschutz des Landes Schleswig-Holstein ist nicht nur um die Existenz der Fischer, sondern auch um weitere sozioökonomische Folgen eines Verbots besorgt. “Ein Verbot würde nicht nur viele berufliche Existenzen in der Fischerei vernichten, sondern hätte auch erhebliche sozioökonomische Auswirkungen auf nachgelagerte Bereiche der Fischerei und den Tourismus.“ Gemeint sind Verarbeitungsunternehmen, Vermarktungseinrichtungen, Werften und Handwerksbetriebe in der Region betroffen. Krabbenkutter und Krabbenbrötchen gehören zum Nordseeurlaub dazu und Einkommens- und Arbeitsplatzverluste wären die unvermeidliche Folge eines Verbotes, heißt es auf Anfrage. Auch die niedersächsische Fischereiministerin Miriam Staudte hält ein pauschales Verbot von Grundschleppnetzen nicht für die Lösung.

Cem Özdemir, Bundeslandwirtschaftsminister (Grüne), bezeichnete ein pauschales Verbot der Schleppnetzfischerei als „das Ende“. „Die Fischer hoffen auf einen Kompromiss zwischen Naturschutz und dem traditionellen Krabbenfang, sodass auch die jüngere Generation keine Angst um ihre Zukunft haben muss“, heißt es. Einen konkreten Vorschlag für einen Kompromiss gibt es nicht.

Das halten andere EU-Länder von dem Verbot

Auch andere Mitgliedsstaaten protestieren gegen ein pauschales Verbot der Grundschleppnetzfischerei. Abgesehen von Deutschland fürchten auch Spanien, Portugal, Italien, Irland, Frankreich und Dänemark, ein Verbot könne die gesamte Industrie gefährden.

Und welche Position vertritt Österreich in der Debatte? Wir haben beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft nachgefragt: “Da sich das Thema ‘EU-Verbot von Schleppnetzen bis 2030’ auf die marine Aquakultur bezieht, ist Österreich als besonders kleinstrukturiertes Binnenaquakulturland, mangels eigener Meeresfischerei, nicht direkt betroffen. Derzeit liegt uns lediglich ein Vorschlag als Aktionsplan vor, der dementsprechend keine rechtlich verbindlichen Auswirkungen haben wird. Des Weiteren steht die Bearbeitung auf Fachebene noch aus.”

Die Debatte wird sich vermutlich noch einige Jahre hinziehen. Generell ist der Aktionsplan der EU-Kommission eine Mitteilung an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen. Ein Gesetz ist es damit noch lange nicht. Was jedoch Gesetz ist, sind Schutz und Wiederherstellung des Meeresbodens. Geeinigt wurde sich bereits auf den Schutz von 30 Prozent der EU-Meere, die Frage ist nun, wie dieses Ziel erreicht werden soll, sollte der Plan der EU-Kommission doch nicht in die Tat umgesetzt werden.

 

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