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Es ist nicht nur Andrew Tate: Diese 5 Gefahren sollten Eltern auf TikTok & Co. kennen

Wegen der Verbreitung von Verschwörungsmythen und Frauenhass wurden kürzlich sämtliche Social-Media-Accounts des Influencers Andrew Tate gesperrt. Der ehemalige Kickboxer war besonders bei jungen Burschen beliebt. Tate ist jedoch nicht die einzige Gefahr, mit denen Kinder und Jugendliche besonders auf Plattformen wie TikTok konfrontiert werden. Wir stellen weitere Trends, Filterblasen und Akteur:innen vor, bei denen die Alarmglocken läuten müssen.

#1 Die „Manosphere“

Frauenhass ist im Internet leider weit verbreitet. Vor allem Foren wie 4chan oder 8chan, die hauptsächlich von jungen Männern besucht werden, sind für die Verbreitung von frauenfeindlichen Inhalten bekannt. Meist werden diese in Memes verpackt, die vor makaberen Humor strotzen.

Eine Bewegung, die daraus entstand, sind sogenannte Incels. “Incel” steht für “Involuntary Celibate”, also unfreiwilliges Zölibat. Die Selbstbezeichnung definiert eine Gruppe von überwiegend heranwachsenden Burschen, die Frauen und Mädchen dafür verantwortlich machen, dass sie keinen Geschlechtsverkehr haben. Sie tauschen sich in Foren unter anderem auch darüber aus, wie sie mit Hilfe von Schönheitsoperationen zu einem besseren Aussehen gelangen und damit zum Frauenhelden “aufsteigen”. Innerhalb der Szene besteht die Gefahr der Radikalisierung, was schließlich in frauenfeindlicher Gewalt ausufern kann. So wird zum Beispiel der Kanadier Elliot Rodger mit der Szene in Verbindung gebracht. Er tötete bei einem Amoklauf 6 Menschen.

Incels sind wiederum eine Zielgruppe sogenannter Pick-Up-Artists. Das sind selbsternannte “Verführungskünstler”, die Frauen manipulieren, um sie “aufzureißen”. Auf Youtube und TikTok dokumentieren sie, wie sie ihre “Ziele” auf öffentlichen Plätzen und in Bars ansprechen. Pick-Up-Artists bieten häufig Seminare und Online-Workshops zu horrenden Preisen an. Damit locken sie junge Männer und Burschen an, die bei der Partnerinnensuche erfolglos sind.

Incels und Pick-Up-Artists sind Teil der “Manosphere”. Dieser Begriff fasst antifeministische und frauenfeindliche Bewegungen im Netz zusammen. Auch Influencer wie der umstrittene Andrew Tate gehören dieser Szene an. Sie zeichnet sich durch einen eigenen, zutiefst frauenfeindlichen Slang aus. In seinen Strukturen gleichen die Strömungen oft denen eines religiösen oder ideologischen Kultes. Auch rechtsradikales Gedankengut wird innerhalb der Manosphere verbreitet und tief in deren Ideologie verankert. Aber nicht nur deshalb ist die Szene für Heranwachsende gefährlich – in einem Forum beraten sich die Männer gar darüber, wie sie ihren Suizid planen und ausführen wollen.

 

#2 DiY-Beauty-Trends

Gerade auf Videoplattformen wie TikTok sind vermehrt Trends zu beobachten, die Praktiken zur Verschönerung und Modifizierung des eigenen Körpers zeigen. Oftmals werden sie durch Beauty-Influencer:innen verbreitet. Was diese Trends eint, ist der Do-it-Yourself-Charakter: anstatt eine Klinik für ästhetische Chirurgie zu besuchen, werden User:innen dazu animiert, ungeschult gefährliche Eingriffe durchzuführen.

Dazu gehört zum Beispiel das Aufspritzen der eigenen Lippen mit Hyaluronsäure. Diese ist im Internet frei erhältlich. Die Injektion birgt allerdings große Gefahren: So kann es zu Durchblutungsstörungen und zur Blutvergiftung kommen. Hyaluron wird auch für die Aufpolsterung des Pos, dem “Brazilian Butt Lift” verwendet: Ein solcher Eingriff kann, wenn nicht von einer Fachkraft durchgeführt, sogar tödlich enden.

Weitere gefährliche Trends sind zum Beispiel das “Sunscreen Contouring”, bei dem nur vereinzelte Stellen mit Sonnencreme eingeschmiert werden. Das birgt erhöhte Hautkrebsgefahr. Auch zum “Cupping”, dem Schröpfen des Gesichts, das eine straffere Haut verspricht, gibt es über 500 Millionen Beiträge. Dabei können schwere Blutergüsse und bakterielle Infektionen entstehen.

#3 Challenges und Mutproben

Was in den frühen 2010ern mit der “Ice Bucket Challenge” begann, verselbständigt sich jetzt auf TikTok in verschiedensten Formen: virale Herausforderungen und Mutproben. Was einst aber noch unter dem Prädikat „für einen guter Zweck“ ablief und höchstens nervte, nimmt heute gesundheitsgefährdende bis lebensgefährliche Ausmaße an.

Die Mutproben laufen meist nach demselben Konzept ab: Ein User stellt ein Video als Beweismaterial online und verlinkt dann drei weitere Personen darauf, die er zum Nachahmen animiert. Bei der gefährlichen “Blackout Challenge” schneiden sich Kinder und Jugendliche die Luft ab, bis sie in Ohnmacht fallen. Zuletzt kamen dabei zwei Mädchen ums Leben – weshalb TikTok jetzt auch vor Gericht steht.

Beliebt ist auch “Dry Scooping” – dabei nehmen vor allem Fitness-Influencer:innen vor dem Sport einen Löffel Proteinpulver oder andere vermeintlich leistungsfördernde Mittel zu sich. Das ist nicht nur unangenehm, sondern kann sogar zum Erstickungstod führen. Eine Influencerin erlitt zuletzt einen Herzinfarkt, weil sie einen Löffel hoch dosiertes Koffeinpulver zu sich nahm.

Oft sind die “Challenges” kein Grund zur Panik. Bei den meisten handelt es sich um Nonsens, dessen Slapstick-Charakter lediglich zur Belustigung der Zuseher:innen dient. Dennoch kommen immer wieder Trends auf, bei denen sich Jugendliche in Gefahr bringen oder auch anderen damit schaden. Auch die bereits angesprochenen Schönheitstrends sind teilweise mit “Challenges” verknüpft. Das nimmt mitunter bizarre Ausmaße an: Dazu zählt zum Beispiel die No Water Challenge, bei der Fitness-Begeisterte versuchen, statt Wasser nur noch Säfte zu trinken. Beim „Skinny Check!“ stellen junge Mädchen den Verlauf ihrer Essstörung zur Schau.

#4 Falschmeldungen und Hoaxes

Das Internet ist voller gefährlichen Falschinformationen – spätestens seit der Trump Ära und der COVID-19-Pandemie ist der Begriff Fake News in aller Munde. TikTok ist dabei keine Ausnahme: Minderjährige, die ihre politische Meinung noch nicht ausgebildet haben, werden auf der Plattform von politischen Akteur:innen beeinflusst – oftmals mit Desinformation.

So stellte ein 15-jähriger Deutscher vor der Bundestagswahl 2021 ein Video online, in dem er erklärte, welche Verbote die Grünen durchsetzen würden, falls sie in die Regierung gewählt werden: darunter unter anderem Fleisch. Das Video erreichte rund 2 Millionen Views. Ein Faktencheck-Team der dpa stellte schließlich fest, dass sämtliche Informationen in dem Video falsch sind.

Das große Problem: die gezielte Einflussnahme auf TikTok von Jugendlichen ist oft nur schwer bis gar nicht zu erkennen. Eine amerikanische Extremismusforscherin erklärt gegenüber dem Bayerischen Rundfunk gar, dass es Versuche aus dem Ausland gibt, einflussreiche Jugendliche gegen Geld dazu zu bringen, politische Inhalte zu posten. TikTok verweist währenddessen darauf, dass Inhalte mit Fehlinformationen konsequent gelöscht werden. Oft kommt der Dienst dabei aber nicht hinterher und steht deshalb in der Kritik.

 

#5 Geheime Codes

Dass Kinder und Jugendliche im Internet eine Codesprache verwenden, um sich von Erwachsenen abzugrenzen, ist nichts Neues. Mittlerweile dürften Eltern die Bedeutung von Begriffen wie “lol” oder “hdl” kennen. Auf TikTok wird so allerdings auch toxisches und selbstverletzendes Verhalten vertuscht. Dazu zählen zum Beispiel hashtags wie #thinspo (Dünn-Spiration), #proana (Pro-Anorexie, Magersucht) oder #promia (Pro-Bulimia, Bulimie). TikTok versucht bereits, solche Hashtags zu sperren. Die User:innen einzelner Filterblasen, unter anderem von essgestörten Mädchen, lassen sich aber stets neue Begriffe einfallen, um die Kommunikation vor der Moderation zu verbergen.

Diese Praktik findet auch bei suizidgefährdeten Jugendlichen statt. So sind Hashtags wie #secretsociety123, #KMS oder #tobeornottobe Signale für Selbstmordgedanken. Auch mit ganzen Sätzen und Phrasen wie “I had Pasta tonight” oder “I told someone my favorite Pasta Recipe” sind Marker für Depression, Angstgefühle und Suizidgedanken. Für Eltern können sie ein Warnsignal dafür sein, dass es ihren Kindern nicht gut geht.

Codes werden nicht zuletzt auch verwendet, um diskriminierende Aussagen zu vertuschen. So verwenden frauenfeindliche Männer die Kombination eines Kaffee-Emojis mit dem Wort “women” dazu, Frauen in sozialen Netzwerken zu verhöhnen und sich über ihre Inhalte lustig zu machen.

 

Was tun gegen gefährliche TikTok-Trends?

Der Gebrauch von TikTok und andere soziale Medien wird nicht aus dem Alltag von Kindern und Jugendlichen verschwinden. Eltern wird daher empfohlen, die Aktivitäten ihrer Kinder proaktiv zu beobachten. Expert:innen aus dem Bildungsmilieu betonen allerdings, dass es wichtig ist, soziale Netzwerke nicht zu verteufeln oder den Jugendlichen die Smartphone-Nutzung gar zu verbieten. Vielmehr sollten sich Erziehende selbst in Medienkompetenz schulen, damit sie ihre Sprösslinge beim Gebrauch der Apps begleiten und mit Rat zur Seite stehen können.

Zur Hilfe gibt es Apps, die bei der Überwachung helfen. Eine dieser Apps ist Bark: Sie überwacht Texte, E-Mails, YouTube und mehr als 30 Apps und soziale Medienplattformen auf Anzeichen von wie Cybermobbing, sexuelle Inhalte, Depressionen, Selbstmordgedanken, Gewaltandrohungen. Ähnliche Apps sind Custodio, WebWatcher oder NetNanny. In sozialen Netzwerken machen sich verschiedene Influencer:innen auch gegen toxische Trends stark. Auf Instagram und TikTok klärt die Autorin Tara-Louise Wittwer unter dem Hashtag #tiktoxic zum Beispiel über problematische Inhalte auf der Videoplattform auf.

 

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