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Klimakrise

Warum Atomkraft nicht "grün" ist

Ein Atomkraftwerk auf einem grünen Feld.

Grüne Atomkraft? Die EU-Kommission stuft Atomenergie als klimafreundlich ein. Wir haben drei Argumente gesammelt, warum Atomkraft nicht “grün” sein kann.

Die Diskussion um Kernenergie nimmt in letzter Zeit wieder Fahrt auf. Am Neujahrstag machte ein Gesetzesentwurf der EU-Kommission Schlagzeilen: Er stuft Atomenergie neben Erdgas als klimafreundlich ein. Wegen des geringen CO₂-Ausstoßes wird Kernenergie wieder zunehmend als “grün” dargestellt. Wir haben drei Argumente für dich, warum es eine grüne Atomkraft nicht geben kann.
 

#1 Wohin mit dem Müll?

Um als “grün” eingestuft zu werden, darf eine Technologie keine negativen Auswirkungen auf Flora, Fauna und Mensch haben. Atomkraftwerke produzieren allerdings massenweise radioaktiven Müll, der eine große Gefahr für die Lebewesen der Zukunft darstellt. Die Halbwertszeit bestimmter radioaktiver Stoffe, die bei der atomaren Stromproduktion entstehen, beträgt bis zu Milliarden von Jahren.

Mindestens 65 Millionen Tonnen Atommüll warten laut Schätzungen der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) auf ihre Entsorgung. Bisher hat die EU noch keine befriedigende Lösung gefunden, wo er sicher deponiert werden soll. Ein Endlager entsteht derzeit auf der finnischen Insel Olkiluoto, dessen Sicherheit ist allerdings umstritten: “Die Container sollten eigentlich 3000 Jahre halten, jetzt zeigen neue Untersuchungen, dass es weniger als 800 Jahre sind” erklärt Greenpeace-Aktivist Jan Haverkamp im MOMENT-Interview. Das sind immer noch ungefähr 17 Millionen Jahre bevor Iod-236 die Hälfte seiner radioaktiven Wirkung verliert.

Wenn die Stoffe in die Erde und das Grundwasser sickern sollten, wird das verheerende Folgen für die Lebewesen der Zukunft haben, konkret: ein massiv erhöhtes Krebsrisiko. Bis eine sichere Lösung gefunden wird, kann hier also nicht von “Grüner Energie” gesprochen werden.

#2 Grüne Atomkraft? Kernenergie ist nicht CO2-neutral

Das beliebteste Argument für die Kernenergie sind geringe CO2-Emissionen. Das trifft auf den ersten Blick: Bei der direkten Stromgewinnung aus Kernenergie entstehen 60-mal geringere CO2-Emissionen als bei Kohlekraftwerken. Solche Rechnungen vernachlässigen allerdings eine entscheidende Variable: CO2 entsteht nämlich auch indirekt, etwa beim Bau von Atomkraftwerken, beim Abbau und der Aufbereitung von Uranerz oder bei der späteren Behandlung und Lagerung radioaktiver Abfälle.

atomstrom statistik

Die Grafik zeigt: Zwar ist Atomstrom auch bei Berücksichtigung des kompletten Lebenszyklus deutlich sauberer als Kohle oder Gas. Dennoch schlagen ihn erneuerbare Energien bei der CO2-Bilanz um Weiten.

Besonders der Abbau von endlichen Stoffen wie Thorium oder Uran könnte einen Rattenschwanz nach sich ziehen. Sie sind nur begrenzt verfügbar und ihre Gewinnung wird in Zukunft immer komplizierter und umweltbelastender werden. Die Urangewinnung in den USA und Russland wird zurzeit durch Strom aus Kohlekraftwerken ermöglicht. Auch die Wiederaufbereitung abgebrannter Brennelemente ist mit massiven Umweltrisiken verbunden. Welche CO2-Emissionen durch die Endlagerung der Abfälle in den nächsten Jahrhunderten und Jahrtausenden entstehen werden, ist heute überhaupt nicht absehbar. Es soll technologische Innovationen geben, die diese Probleme lösen sollen – es gibt sie allerdings noch nicht.

#3 Die Kosten verhindern echte grüne Investitionen

Der Bau von Kernkraftwerken ist alles andere als wirtschaftlich. Das britische Kernkraftwerk Hinkley Point C hätte bereits 2018 kommerziellen Strom produzieren sollen, befindet sich allerdings noch im Bau. Die Baukosten sind währenddessen von geplanten 5 Milliarden auf 27 Millarden Euro gestiegen. Kernkraftwerke kosten oft doppelt so viel wie berechnet und auch die Fixkosten ab Inbetriebnahme steigen. Unfälle würden nicht nur eine große Gefahr für die Umwelt bedeuten, sondern ebenfalls extreme Kosten verursachen. Das  Institut de Radioprotection et de Sûreté Nucléaire (IRSN) berechnete für einen schweren Unfall in Frankreich Folgekosten von über 400 Milliarden Euro.

In jedem Fall entstehen durch ein Atomkraftwerk immense Kosten, die die öffentliche Hand decken muss, sprich: die Steuerzahlenden. Ohne die Hilfe vom Staat sind Atomkraftwerke schlichtweg nicht konkurrenzfähig. Wenn weiter in Kernkraft investiert wird, verdrängt sie tatsächlich nachhaltige Innovationen wie Solar- oder Windkraft aus dem Budget. Der finanzielle Fokus läge damit auf einer Technologie, die langsam, teuer und nach wie vor riskant für Mensch und Umwelt ist

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