Auslandskatastrophenhilfe: Knausriges Österreich

Derzeit blickt die Welt nach Beirut. Wie aus einem Katastrophenfilm wirken die Bilder, die derzeit von Nachrichtenstationen überall in Dauerschleife gespielt werden und von der Zerstörung der libanesischen Hauptstadt zeugen. Mehr als 150 Menschen sind zu Tode gekommen, rund 5000 wurden verletzt und die Hälfte der Stadt ist kaputt. 300.000 Menschen wurden plötzlich obdachlos. Das Land hatte bereits vor der Katastrophe lange gelitten: unter Korruption, einer desaströsen Wirtschaftspolitik und einer horrenden Staatsverschuldung. Für einen Wiederaufbau ist kein Geld da. Leidtragende ist die Zivilbevölkerung.
Macron besucht Beirut – Kurz widmet Land nicht einmal Tweet
Während PolitikerInnen aus der ganzen Welt sofort ihr Bedauern ausdrückten und der französische Präsident Emmanuel Macron sogar persönlich der krisengeschüttelten Stadt einen Besuch abstattete, hat sich der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz zu der Katastrophe noch nicht einmal geäußert. Er hat lediglich den Kondolenz-Tweet von Außenminister Alexander Schallenberg geteilt.
Österreich hat dem Libanon eine Kompanie aus dem ABC-Abwehrzentrum angeboten. Diese Hilfe hat Beirut aber abgelehnt, weil vor allem zivile und nicht militärische Hilfe gefragt sei. Derzeit leistet ein einziger österreichischer Soldat Hilfe vor Ort, nämlich ein Mitglied des Katastrophenerkundungs- und Koordinierungsteams der Vereinten Nationen (UNDAC). Der österreichische Hauptmann koordiniert in Beirut mit einem 12-köpfigen Stab nationale und internationale Hilfsorganisationen bei der Krisenbewältigung.
Dass der Libanon das Angebot Österreichs ablehnt, überrascht nicht: Das Land lehnt auch eine unabhängige Untersuchungskommission ab. Militärische Hilfe ist eben heikel. Und es ist auch nicht das, was der Libanon dringend braucht. Es braucht humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung: Nahrungsmittel, Medikamente und Hilfen für den Wiederaufbau.
Andere EU-Länder leisten bereits Hilfe vor Ort
Das EU-Krisenzentrum hat bereits über 100 KatastrophenhelferInnen nach Beirut geschickt. Die Such- und Rettungsfachleute kommen aus sieben Ländern: Aus den Niederlanden, Griechenland, Tschechien, Deutschland, Frankreich, Italien und Polen.
Weiters haben in einem Brief EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel alle EU-Mitgliedsstaaten zu mehr Engagement bezüglich der Hilfsleistungen für Beirut aufgerufen. Darauf wurde schließlich reagiert: Eine Million Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds werden dem Libanon als Soforthilfe bereitgestellt.
Auslandskatastrophenfonds: Österreichs Leistung im internationalen Vergleich beschämend
Im Gegensatz zu vergleichbar reichen Ländern sind die Zahlungen Österreichs an krisengeschüttelte Länder insgesamt mickrig. Von rund 25 auf mindestens 60 Millionen Euro müsste der Auslandskatastrophenfonds erhöht werden. Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern wird klar, dass Österreich weit mehr tun könnte:
Auch was die finanziellen Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit anbelangt, ist Österreich säumig. Die Arbeitsgemeinschaft für Entwicklung und Humanitäre Hilfe kritisiert in einem aktuellen Bericht, dass Österreichs nur bei etwa einem Drittel des international vereinbarten Ziels von 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens liegt.
Immerhin hat Türkis-Grün bereits im Regierungsprogramm eine Erhöhung des Auslandskatastrophenfonds zugesagt, sowie Verbesserungen bei der Entwicklungspolitik versprochen. Im Mai wurde auch wirklich eine Aufstockung beschlossen – allerdings angesichts der Corona-Pandemie, die viele Länder hart trifft, war es laut Experten zu wenig. Hilfsorganisationen haben zusätzlich ein Soforthilfepaket in der Höhe von 100 Millionen Euro gefordert, um Entwicklungsländern und Staaten, die besonders unter der Corona-Krise leiden, schnell helfen zu können. Dieses wurde bislang nicht bewilligt. Die Katastrophe im Libanon wäre ein guter Anlass gewesen, hier umzusteuern.