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Arbeitswelt

Beim langen Kampf Obdachloser um den Klimabonus ist ein Ende in Sicht

Beim langen Kampf Obdachloser um den Klimabonus ist ein Ende in Sicht
Obdachlose Menschen müssen seit langem auf ihren Klimabonus warten und hoffen
Seit mehr als sechs Monaten kämpfen Obdach- und Wohnungslosenvertretung um die 500 Euro-Klimabonus für alle Menschen, die ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben. Jetzt zeichnet sich eine Lösung ab.

Das Ende der Geschichte kommt zum Beginn. Es ist dieser Satz: “Nach Evaluierung durch das BMK sind diese Personen auch als anspruchsberechtigt zu betrachten.” – es ist ein Satz, der Anfang Mai das Ende eines monatelangen Prozess bedeutet. Ein Satz, der für viele besonders bedürftige Menschen in Österreich doch noch 500 Euro bedeutet. Ein Satz, der eine lange Unsicherheit für eine Vielzahl von obdach- und wohnungslosen Menschen in Österreich beendet. 

Klimabonus für Obdachlose: Ein Hindernislauf

 Doch, zunächst ein Blick zurück, in den April 2023: 

“Es gibt bereits Tage, da denk ich mir: Ach komm, mach einen Haufen drauf. Aber dann denk ich mir wieder: Nein, es steht mir zu!”, so Elisabeth. Ihr voller Name ist der Redaktion bekannt, auf Wunsch von Elisabeth bleiben wir beim Vornamen. Es ist Ende April, ein windiger Tag in Wien. Treffpunkt heute: Das P7, die Erstanlaufstelle der Caritas für wohnungslose Menschen in Wien. Von hier aus werden wohnungslose Menschen etwa zu verfügbaren Wohn- und Schlafplätzen beraten oder erhalten auch Unterstützung im Umgang mit Ämtern und Behörden. Der Grund für das Treffen an diesem Tag im P7 ist aber ein anderer. Elisabeth wartet, wie auch zahlreiche andere Menschen, noch immer auf ihren Klima- und Anti-Teuerungsbonus von 2022. 

Der Klimabonus ist die begleitende Maßnahme zur CO2-Bepreisung. Der CO2-Preis macht klimaschädliches Verhalten teurer. Die Einnahmen werden über den Bonus an alle ausgezahlt. Das soll klimafreundlicheres Verhalten finanziell belohnen. 2022 wurde er wegen der Teuerung verdoppelt.

Nicht alle sind „alle“

“Wer bekommt den Klimabonus? Alle” – steht in Fett auf der Frontseite der Website zum Klimabonus. Alle, sofern sie im Anspruchsjahr mindestens sechs Monate ihren Hauptwohnsitz in Österreich hatten und über die österreichische Staatsbürgerschaft oder einen rechtmäßigen Aufenthaltsstatus verfügen. Das bedeutete im letzten Jahr 500 Euro für jede erwachsene Person, 250 Euro für Menschen unter 18 Jahren.

Funktioniert hat das bis  Ende April 2023 für einen Großteil der Anspruchsberechtigten, wie das zuständige Klimaschutzministerium (BMK) auf Moment Magazin-Anfrage angibt: “Mit Ausnahme von 19.041 Personen, die zwar anspruchsberechtigt sind, für die jedoch zum Zeitpunkt der Auszahlung weder aktuelle Kontodaten noch eine valide Adresse vorlagen, wurde an alle 9.082.715 Anspruchsberechtigten entweder eine Überweisung getätigt oder es erfolgte eine RSa Zustellung.” Bei über 98 Prozent der Fälle war der Auszahlungsversuch erfolgreich, so das Ministerium. 

“Caritas zählt nicht” 

Auf das heutige Treffen ist Elisabeth gut vorbereitet. In ihren Händen hält sie einen grauen Klarsichthefter. Darin abgeheftet ist eine minutiöse Dokumentation ihrer Konversation mit der eigens für Anliegen zum Klimabonus eingerichteten Kontakt-Hotline. Mindestens einmal im Monat habe sie von Oktober 2022 bis Dezember 2022 diese kontaktiert und wiederholt ihren Ausweis und ihre Meldebestätigung geschickt. 

Im Dezember hieß es, die nächsten Zahlungen kämen im Februar. Ende Februar griff sie erneut zum Hörer, wurde auf März vertröstet. Im Gespräch schwankt Elisabeth immer wieder zwischen Tränen und Wut. “Was mich besonders ärgert, ist, dass sie mich immer wieder in der Hoffnung gelassen haben”, sagt sie. Der Anruf im März endet unschön, wie sie erzählt. Die Mitarbeiterin hätte sie gefragt, ob sie denn nicht lesen könne. Der Klimabonus stehe ihr nicht zu, Caritas zähle nicht.

Hauptwohnsitz bei einer sozialen Einrichtung

Mit “Caritas” ist in dem Zusammenhang eine Adresse über eine soziale Einrichtung gemeint, wie in dem Fall das P7 der Caritas Wien. “Es gibt hier vier Varianten”, so Alexander Machatschke, Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (Bawo).

In institutionellen Einrichtungen, in denen wohnungs- oder obdachlose Menschen für eine bestimmte oder unbestimmte Zeit nächtigen, sind diese im Normalfall mit einem klassischen Hauptwohnsitz gemeldet, so Machatschke.

Über Beratungsstellen wie dem P7 können Menschen mit einer Hauptwohnsitzbestätigung gemeldet sein. Dadurch können obdachlose Menschen auch ohne Wohnsitz gemäß dem österreichischen Meldegesetz ihren Lebensmittelpunkt in einem bestimmten Gemeindebezirk nachweisen. 2021 waren 8.973 Personen in dieser Form in Österreich gemeldet.

Eine weitere Möglichkeit besteht in dem Einrichten einer einfachen Postadresse über Einrichtungen wie dem P7. Einem offiziellen Hauptwohnsitz entspricht das allein allerdings nicht.

“Bitte rufen Sie nicht mehr an” 

Mehr als sieben Monate lebt Arkan Aljanabi inzwischen wieder in seinen eigenen vier Wänden. Trotzdem ist auch er Ende April im P7 der Gesprächseinladung gefolgt. Ein gutes Jahr war er über eine Hauptwohnsitzbestätigung beim P7 gemeldet. Während des Gesprächs wirkt er resigniert. Traurig sei er, an den Erhalt des Klimabonus glaubt er nicht mehr. Gestern habe er noch einmal die Hotline zum Klimabonus gewählt. “Bitte rufen Sie nicht mehr an, Sie haben keinen Anspruch”, hieß es dort. 

Günter Wimmer ist der Leiter des P7. Seit dem Tag der Bekanntgabe des 500-Euro Bonus hätten sie Rückfragen von Klient:innen dazu erhalten, sagt er. Im Kontakt mit dem Klimaministerium stehen sie seit Herbst 2022. Im Herbst wurden sie auf Februar verwiesen. Im Februar trudelten erneut Rückmeldungen zu fehlenden Zahlungen ein. 

Es ist kein Phänomen, das sich auf Wien beschränkt. Seit der zweiten Auszahlungswelle hätten sich bis Ende April 64 Personen über die Tiroler Beratungsstellen des Dowas wegen des fehlenden Klimabonus gemeldet, so Josef Mooser vom Verein zur Förderung des Dowas. Mitte März hatte er sich bereits per E-Mail an das Klimabonus-Serviceteam bezüglich der Thematik gewandt. Wenige Tage später folgte eine gemeinsame Anfrage mit fünf weiteren Obdach- und Wohnungslosenservicestellen aus Tirol an das Klimaschutzministerium, in der sie um Auskunft  zu den fehlenden Zahlungen und Klärung der Sachlage auffordern. Beide Dokumente liegen der Redaktion vor. Beide Schreiben blieben, Stand Ende April, unbeantwortet, so Mooser. 

Keine Erfahrung im Ministerium im Umgang mit Obdachlosen

Über die Gründe der Verzögerung können Mooser und Wimmer Ende April nur mutmaßen. Beide gehen davon, dass es an der Art der Meldung liegt. Eine Hauptwohnsitzbestätigung kann auch gleichzeitig als “Abgabestelle im Sinne des Zustellgesetzes” gelten. “Die Post gilt dann als zugestellt, sobald sie hier abgegeben ist. Dann beginnen gegebenenfalls Fristen an zu laufen”, so Wimmer. Für Klient:innen kann das von Nachteil sein. Ein Grund für das P7, Hauptwohnsitzbestätigungen auszustellen, die keine Abgabestellen im Sinne des Zustellgesetztes sind. 

Grundsätzlich nimmt er die Verantwortlichen des Klimaschutzministeriums als “sehr bemüht” wahr. Die Verzögerungen führt er auf die Unerfahrenheit des Ministeriums in puncto Meldemöglichkeiten für Wohn- und Obdachlose zurück: “Offensichtlich ist die erste Übung die schwierigste.” 

Schwierigkeiten mit Daten von Wohnsitzen

Eine Nachfrage des Moment Magazins beim zuständigen BMK gibt Aufschluss. “Anfangs hatte das BMK aus Datenschutzgründen nur die Daten über die Hauptwohnsitzmeldung”, so das Ministerium. Nachdem sich fehlende Zahlungen an Personen mit Hauptwohnsitzbestätigungen herausstellten, wurden die Daten zur Hauptwohnsitzmeldung und zur Hauptwohnsitzbestätigung mit Abgabestelle angefordert. Ab Februar 2023 haben in der zweiten Auszahlungswelle “alle Personen mit Hauptwohnsitzbestätigung und Abgabestelle” den Klimabonus erhalten, so die Angabe des Ministeriums. 

Trotzdem fielen weiterhin Menschen durch das Raster. Dem BMK war “ursprünglich nicht bekannt, dass viele obdachlose Personen bei der Hauptwohnsitzbestätigung (…) nicht angeben, dass dieser Wohnsitz auch ihre Abgabestelle ist”. Das sei erst durch den Austausch mit den karitativen Einrichtungen ersichtlich geworden, begründet das Ministerium die Situation. Es sind also Lernprozesse im Umgang mit Gruppen, zu denen das Ministerium normalerweise keinen Kontakt hat.

“Habe nicht den Eindruck, dass Menschen mutwillig ausgeschlossen werden” 

Welpenschutz gewährt ihnen Adam allerdings nicht, er ist wütend. Seit 2019 ist Adam mit einer Hauptwohnsitzbestätigung über das P7 gemeldet. Er geht von Vorsatz aus, glaubt, „an den Obdachlosen soll gespart werden.” Adam hat auch den schriftlichen Kontakt zum Klimabonus-Serviceteam gesucht, der Mailaustausch liegt gedruckt vor ihm und der Redaktion vor. Im Dezember 2022  erhielt er vom Klimabonus-Serviceteam eine Antwort, in der explizit darauf verwiesen wird, dass Personen ohne einen festen Wohnsitz, die über eine Hauptwohnsitzbestätigung mit Abgabestelle verfügen, im Februar berücksichtigt werden. Der Passus “Hauptwohnsitzbestätigung mit Abgabestelle” ist in Fett gehalten. 

“Es in den allermeisten Fällen so, dass Hauptwohnsitzbestätigungen nicht im Sinne des Zustellgesetzes gelten, wenn sie von einer sozialen Einrichtung ausgestellt sind”, so Machatschke von der Bawo. Er verordnet aber “guten Willen” bei den Verantwortlichen. “Ich habe nicht den Eindruck, dass Menschen mutwillig ausgeschlossen werden. Das stimmt mich ein bisschen milder”, so Machatschke.

An den Fakten ändert das nichts. Seit Februar wartet er auf Mitteilung, wie es weitergeht. Wie es zu der Situation gekommen ist, interessiert ihn inzwischen “herzlich wenig”. Er fordert eine “schnelle und gute Lösung, die möglichst wenig Personen außen vor lässt.”

Auszahlung spätestens “im Laufe des Julis”

Anfang Mai war es nun schlussendlich soweit. Sowohl Wimmer, als auch Machatschke wurden in das Ministerium geladen und erhielten Recht. Auch Personen mit Hauptwohnsitzbestätigung, welche nicht als Abgabestelle im Sinne des Zustellgesetzes gilt, sind für den Klima- und Anti-Teuerungsausgleich 2022 anspruchsberechtigt. Spätestens im Laufe des Julis 2023 sollen diese die Auszahlung erhalten, entweder auf das eigene Konto oder über die Adresse der Einrichtung, bei der sie gemeldet sind. 

Wie viele Menschen das betrifft, kann das BMK Anfang Mai nicht sagen. Dazu erfolgt ein Datenabzug aus dem Zentralen Melderegister (ZMR). Über das P7 waren Ende April etwa 950 Personen mit einer Hauptwohnsitzbestätigung gemeldet, so Wimmer. Daher: “Ich bin sehr froh, jetzt endlich was Definitives zu unseren Klient:innen sagen zu können.” In einigen Monaten, wenn es um die Auszahlung des Klimabonus 2023 geht, gilt das hoffentlich auch noch. „In Absprache mit karitativen Einrichtungen werden beim Klimabonus 2023 von Beginn auch Personen mit Hauptwohnsitzbestätigung und jene ohne Abgabestelle abgefragt”, so das Ministerium.

Also, Happy End?

Damit klingt alles nach einem Happy End. Doch eine Gruppe ist weiterhin außen vor. Die Menschen, die nur eine Postadresse über eine Einrichtung haben. “Seit wir von dem Klimabonus wissen, vergeben wir eigentlich nur noch Hauptwohnsitzbestätigungen”, so Wimmer. Vorher wurde aber mehrheitlich mit einer Postadresse gearbeitet. Ein Bezug von Arbeitslosengeld oder Mindestsicherung ist so möglich, gibt Wimmer an. Ende April betraf das noch rund 600 Menschen bei der Caritas Wien. 

Die Frage, ob Menschen ohne Hauptwohnsitz, aber mit Postadresse über eine Beratungsstelle auch noch für den Erhalt des Klimabonus in Frage kommen, verneint das Ministerium. „Der Hauptwohnsitz ist das zentrale anspruchsbestimmende Kriterium für den Klimabonus und auf Basis der Meldepflicht ist von dem Vorliegen einer Meldung bei Lebensmittelpunkt in Österreich auszugehen”, lautet die Begründung. 

Für den Geschäftsführer der Bawo ist der Kampf damit noch nicht ganz beendet: “Die Frage ist doch: Stellt das Gesetz auf einen Lebensmittelpunkt in Österreich ab? Dann müsste es meiner Meinung nach noch andere Methoden geben, wie beispielsweise der Nachweis des AMS-Bezugs.” Die Abfrage für diese Personengruppe ist jedenfalls ungleich aufwändiger. Das ist auch Machatschke bewusst. Eine einheitliche Lösung hat er für diese Fälle bisher auch nicht. Offen bleibt die Frage: Wie viel Zuhause braucht der Klimabonus? 

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