Eigentlich wollte ich Arbeiterkindern Mut machen.
Gleiche Chancen für alle?
Heute wird es mal persönlich. Ich habe letzte Woche in diesem Internet erzählt, wie es sich für mich als Kind einer Arbeiterfamilie angefühlt hat, auf die Uni zu gehen. Einmal als langer Text, einmal als kurzes Video. Im Video hab ich erzählt, wie schwer der erste Tag war. Und wie schwer es ist, darüber zu sprechen.
Damit wollte ich Mut machen. Allen, denen es auch so gegangen ist. Allen, denen es jetzt gerade jetzt so geht. “Hey, wenn du dich nicht zurechtfindest, dann heißt das nicht, dass du hier nicht her gehörst.” Darum ging es mir. Zurück kam: viel Kritik.
Schon klar, all tun sich schwer, am ersten Tag den Hörsaal zu finden. Aber nicht alle zweifeln deshalb daran, ob sie überhaupt studieren sollten. Für die einen ist es ein Ärgernis. Am Abend lacht man drüber.
Für viele andere ist es ein Signal: Du gehörst hier nicht her. Die haben niemanden, den sie um Rat fragen können. Weil sie die ersten aus der Familie sind, die es bis hierher geschafft haben.
Herausforderungen sind je nach Herkunft unterschiedlich
Dieselben Herausforderungen, dieselben Schwierigkeiten wirken je nach Herkunft sehr unterschiedlich. So wie bei jedem mal die Waschmaschine eingeht. Aber der eine, der ruft halt den Techniker. Oder bestellt sich schnell eine Neue. Und die andere, die hat Schweißausbrüche und schlaflose Nächte. Weil sie weiß: Das war jetzt nicht vorgesehen, das geht sich dieses Monat nimmer aus. Und nächstes eigentlich auch nicht.
Mit meiner Geschichte wollte ich genau das sichtbar machen. Und denen Druck von den Schultern nehmen, die glauben, sie sind falsch, sie sind der Fehler, sie seien irgendwie “schuld”. Schuld, dass die Lehrerin vor einem steht und sagt: “Für jemanden wie dich ist das Gymnasium nichts” – wie es mir mit 9 passiert ist. “Jemand wie dich”, das hieß: Jemand, der halt nicht studierte Eltern hat.
Keine Chancengleichheit in Österreich
Von 100 Studierenden kommen in Österreich nur 7 aus einer Arbeiterfamilie. Das hat sich seit 150 Jahren kaum verändert.
1860 waren es von 100 Studierenden sogar 9 Arbeiterkinder. Besonders zu kämpfen haben übrigens jene Studierenden, die aus einer migrantischen Arbeiterfamilie an die Uni schaffen.
Die Rahmenbedingungen sind offiziell für alle “gleich”. Aber wo wir herkommen, was wir an Unterstützung mitkriegen, was wir als selbstverständlich wahrnehmen oder was uns vor Rätsel stellt, das unterscheidet sich grundlegend – je nach Herkunft und Klasse.
Arbeiterkinder fühlen sich verstanden
Viele wissen das ja auch und erkennen sich in meiner Geschichte wieder; viele haben verstanden, was ich sagen will. Und viele haben geschrieben, dass sie eine ähnliche Geschichte erlebt haben. Sie würden sich aber nicht trauen, davon auch zu erzählen. Eben weil man schnell falsch verstanden wird – und nur das Erlebnis gesehen wird, aber nicht die Folgen, die es für manche hat.
Tja, das heißt für mich, dass wir noch mehr Mut machen müssen, noch mehr Aufmerksamkeit auf das Thema lenken. Schickt mir doch eure Erlebnisse. Und sagen wir allen, die es gerade brauchen können und hören sollten: Nein, du bist hier nicht falsch; das System ist falsch. das müssen wir endlich ändern.