print print
favorites-circle favorites-circle
favorites-circle-full favorites-circle-full
Arbeitswelt
Ungleichheit

Betrügen? Für Unternehmen leicht gemacht.

Bitte akzeptiere unsere Cookies um den Inhalt zu sehen.
Warum Überstunden nicht bezahlt werden? Lohnraub hat kaum Konsequenzen. Wer bei Sozialleistungen trickst, wird hingegen streng verfolgt. Jetzt werden die Strafen für Unternehmen sogar noch lascher. Wir spielen nicht alle nach den gleichen Spielregeln. Wie würde wohl ein Fußballspiel ablaufen, wenn es für ein Team keine Strafen gibt? Keine gelben Karten, keine roten Karten. Kein Elfmeter für die Gegner:innen, niemals. Das wäre wohl eine ordentliche Abreibung, für das andere Team. Das klingt absurd? Ja aber so läuft es bei uns.

Wir spielen nicht alle nach den gleichen Spielregeln. Was eigentlich für alle gelten sollte, gilt für die ganz oben noch lange nicht. Drei Beispiele:

#1 Wenn der Chef deine Überstunden nicht bezahlt

Wenn es um Sozialleistungen geht, dann schauen wir ganz, ganz genau hin. Innenminister Nehammer hat sogar eine eigene Taskforce eingerichtet, die jenen auf die Schliche kommen soll, die zum Beispiel zu Unrecht Mindestsicherung beziehen. Gleichzeitig gibt es zahlreiche Unternehmen, die es mit der Bezahlung der Überstunden nicht ganz so genau nehmen, sprich: Überstunden nicht voll bezahlen.

Allein im vergangenen Jahr wurden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer um 682 Millionen Euro an Lohnzahlungen betrogen – weil ihnen Überstunden schlicht nicht ausbezahlt worden sind. Kurzer Vergleich: Auf der einen Seite 682 Millionen Euro. Und auf der anderen? Die Schadenssumme bei unrechtmäßig bezogenen Sozialleistungen sind mickrige 20 Millionen Euro, obwohl die tolle Taskforce von Nehammer ganz eifrig sucht. Der Schaden durch Lohndiebstahl ist also 34 Mal höher. Eine Taskforce um Lohnbetrüger aufzuspüren gibts trotzdem keine.

#2 Übertriebene Kontrolle bei den Ärmsten

Zweitens: Wer sich Sozialleistungen holt, die ihm oder ihr nicht zustehen, wird – natürlich! – auch hart bestraft. Ein Beispiel: Ein Ehepaar lebt im Bezirk Neunkirchen. Um eine höhere bedarfsorientierte Mindestsicherung zu erhalten, hat es vorgetäuscht, nicht in einem gemeinsamen Haushalt zu leben, heißt es seitens der Behörde. Wer Mindestsicherung bezieht, beim Partner oder der Partnerin wohnt und das nicht meldet, riskiert eine bedingte Haftstrafe! Die volle Mindestsicherung bekommt man dann nämlich nicht mehr, dann soll doch bitte der Partner oder die Partnerin für den Lebensunterhalt aufkommen.

Wer hingegen Steuern hinterzieht – auch im ganz großen Stil – muss sich gar nicht so viele Sorgen machen. Ein reales Beispiel: Wer dem Staat fast eine Million Euro an Umsatz- und Einkommenssteuer stiehlt – bekommt keine bedingte Haftstrafe. Da reicht plötzliche eine Geldstrafe völlig aus, das heißt vor allem auch: Das Strafregister bleibt sauber. Noch leichter ist es für Arbeitgeber, die Überstunden unterschlagen – das ist ein banales Verwaltungsdelikt. Wie falsch parken oder zu schnell fahren.

#3 Harte Strafen für Unternehmen? Fehlanzeige.

Drittens: Hier hat die Regierung erst letzte Woche sogar noch laschere Regeln beschlossen. Für Unternehmer:innen natürlich. Bis jetzt galt: Wenn ein Unternehmer mehreren Mitarbeiter:innen zu wenig Gehalt bezahlt, wird er auch mehrmals bestraft. Ganz logisch: Wer über zehn rote Ampeln rast, zahlt zehnmal Strafe. Wer zehn Mitarbeiter:innen nicht genug bezahlt, zahlte zehnmal Strafe. Jetzt werden die Strafen zusammengelegt – egal wie viele Mitarbeiter:innen betroffen sind, die Strafe ist nur noch EINMAL fällig. Das hilft massiv Großkonzernen. Ein Kleinbetrieb, der einmal nicht korrekt abrechnet, zahlt dieselbe Strafe wie ein Unternehmen, das hunderte, ja tausende Leute um ihr Geld prellt.

Die Wirtschaftskammer und die Industriellenvereinigung feiern das:

„Die heute präsentierte Novellierung des Kumulationsprinzips bedeutet ein Ende für unternehmerfeindliche und existenzbedrohende Mehrfachstrafen. Bei kleinen Versehen wird in Zukunft mit Augenmaß vorgegangen.“

Ja, gut, dann halt Augenmaß für alle. Das heißt, ich flader jetzt ein paar Monate lang jeden Tag einen Kaugummi im Supermarkt, dank Augenmaß zahl ich eh nur einmal Strafe. Damit es gar nicht erst so weit kommt, haben große Unternehmen obendrein eine Art ‚Joker‘ bekommen. Sie können sich von der Kontrolle freikaufen. Wie das geht? Eine einfache Rechnung: Wer kontrolliert wird und erwischt wird, dass er zum Beispiel Überstunden nicht korrekt auszahlt, muss bis zu 400.000 Euro bezahlen. Wer aber eine Kontrolle behindert, muss nur mit bis zu 40.000 Euro rechnen.

Wo Arbeitnehmer:innen also drakonisch bestraft werden – wegen Kleinigkeiten, können Unternehmen ganz trocken durchkalkulieren: Wenn sie nur dreist und schmutzig genug sind, dann lohnt es sich am Ende auf jeden Fall.

    Neuen Kommentar hinzufügen

    Kommentare 0 Kommentare
    Kommentar hinzufügen

    Neuen Kommentar hinzufügen

    Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Beitrag!