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Gesundheit

Contact-Tracing: Kann dein Bundesland die Ansteckungen verfolgen?

Corona-Tracing wird medial kaum noch besprochen, dabei ist es ein wichtiges Mittel im Kampf gegen Corona. Wir haben uns wieder angesehen, wie die Situation in den Ländern aussieht.

 
Seit unserer letzten Recherche von Anfang Dezember sind die Corona-Fälle in Österreich zwar zurückgegangen. Die Werte liegen aber trotz des Lockdowns auf einem immer noch zu hohen Niveau. Und es ist zu befürchten, dass sich die Situation durch die erstmals in Großbritannien nachgewiesene Virusmutation (B1.1.7), die bereits in einigen Bundesländern nachgewiesen wurde, in den nächsten Wochen verschlimmern könnte. Mit der Impfung gäbe es zwar ein weiteres wichtiges Mittel gegen die Ausbreitung, doch diese läuft nur langsam an.

 

Wir wollten wieder wissen, wie sich die Länder auf dieses Situation vorbereitet haben. Über Contact-Tracing – also zu verfolgen, woher die Infektion kam und wer noch angesteckt worden sein könnte – wurde die letzten Wochen kaum berichtet. Es bleibt aber weiterhin ein wichtiges Werkzeug, um das Infektionsgeschehen kontrollieren zu können. Die Maßnahme ist nötig, um Cluster korrekt zuordnen und abschotten zu können. 

Verbesserte Aufklärungsquote 

Im Herbst gerieten die Länder dabei an ihre Grenzen: Ab Anfang Oktober sank die Aufklärungsquote, also der Wert der zugeordneten Corona-Fälle, österreichweit von 66 auf knapp unter 20 Prozent. Die Rückverfolgung kam in manchen Bundesländern zwischenzeitlich praktisch zum Erliegen, Anfang Dezember konnte keines der Länder mehr als die Hälfte aller Fälle zuordnen.

Die gute Nachricht vorweg: Diese Zahlen sind mittlerweile um einiges höher, als noch vor sechs Wochen. Besonders in den westlichen Bundesländer konnten wieder wesentlich mehr Fälle zugeordnet werden. Vertreter der Länder selbst zeigen sich in einem Beitrag im Ö1 Mittagsjournal zufrieden mit der aktuellen Situation. Nur in der Steiermark ist aktuell ein Rückgang bei der Aufklärungsquote zu sehen.
 

 

Die Aufklärungsquoten sind mit einer gewissen Vorsicht zu betrachten, nicht immer decken sie sich, wie im Fall der Steiermark, auch mit den Zahlen der einzelnen Länder. Zudem wurden sie im Dezember auf Wunsch von Oberösterreich dem offiziellen Bericht der Ampelkommission gestrichen und werden seitdem nicht mehr veröffentlicht. 

Bei den steigenden Werten muss man bedenken, dass sich die Länder mit wesentlich weniger Fällen konfrontiert sehen, als noch vor einigen Wochen. Mit dem Infektionsgeschehen kam man mit den damaligen Personalkapazitäten kaum zurecht. Wir haben bei den Ländern nachgefragt, wie sich diese seitdem entwickelt haben. Und hier ist zu sehen, dass beim Personal kaum nachgebessert wurde. Die im Dezember vielfach  angekündigten Aufstockungen konnte kein Land erreichen.
 

 

Bei den Zahlen ist zu beachten, dass sie nur eine Annäherung sein können. Denn nicht alle MitarbeiterInnen sind in allen Ländern ausschließlich für das Contact-Tracing zuständig, sondern werden auch noch für andere Aufgaben herangezogen werden. Die Bundesländer selbst können in den meisten Fällen keine klaren Angaben zur Zahl der TracerInnen geben. Die Anzahl der “Stellen” bezieht sich nicht auf einzelne Personen, sondern Vollzeitäquivalente. SoldatInnen des Bundesheers, die zur Unterstützung aktiv sind, sind bei den Zahlen eingerechnet. Diese Werte sind zwar nicht alleine für die Qualität des Tracings entscheidend, liefern aber einen wichtigen Anhaltspunkt.

So sieht die Situation in den einzelnen Bundesländern aktuell aus:

Burgenland:

Anzahl der Stellen aktuell: 58 auf 100.000
Anzahl der Stellen Anfang Dezember: 58 auf 100.000 

Aktuelle Aufklärungsquote: 62%
Aufklärungsquote Anfang Dezember: 16%

Das Burgenland konnte die Aufklärungsquote die letzten Wochen stark verbessern, aktuell können 62% aller Fälle zurückverfolgt werden. Das Land plant, wie auch schon im Dezember, nicht damit, weiteres Personal für das Contact-Tracing einzustellen. Auf einen Anstieg der Fallzahlen könne man intern reagieren.

Kärnten:

Anzahl der Stellen aktuell: 65,9 auf 100.000
Anzahl der Stellen Anfang Dezember: 64,1 auf 100.000

Aktuelle Aufklärungsquote: 41%
Aufklärungsquote Anfang Dezember: 30%

Das Land Kärnten wollte, so die Aussage Anfang Dezember, die Stellen beim Contact-Tracing bis Ende des Jahres von 360 auf 400 aufstocken. Geworden sind es bis jetzt allerdings nur 370. Auf die aktuelle Situation wolle man flexibel reagieren und “je nach Bedarf” laufend aufstocken. 

Niederösterreich:

Anzahl der Stellen aktuell: 55,6 auf 100.000
Anzahl der Stellen Anfang Dezember: 55,6 auf 100.000 

Aktuelle Aufklärungsquote: 51%
Aufklärungsquote Anfang Dezember: 11%

Das Land Niederösterreich hat bei unserer letzten Anfrage eine Aufstockung um 100 Stellen angekündigt, geworden ist daraus jedoch nichts. Mit der aktuellen personellen Situation sei man zufrieden, zudem könne man jederzeit “auf die aktuelle Situation mit größter Flexibilität reagieren”.

Oberösterreich:

Anzahl der Stellen aktuell: 45,5 auf 100.000
Anzahl der Stellen Anfang Dezember: 47,9 auf 100.000 

Aktuelle Aufklärungsquote: 30%
Aufklärungsquote Anfang Dezember: 15%

Das Land Oberösterreich kann die Stellen nur sehr unklar zuordnen, da das Personal in den Krisenstäben nicht ausschließlich zum Contact-Tracing eingesetzt wird. Die Zahl der Contact-TracerInnen, die in Linz, Wels und Steyr im Einsatz sind, konnte das Land nicht nennen, diese mussten extra erfragt werden. Der angegebene Wert stellt auf jeden Fall das Maximum der möglichen Contact-TracerInnen dar.

Pläne zur Aufstockung von Stellen gibt es keine, der Bedarf kann aber “flexibel zusätzlich erhöht werden”. Das Land wurde Ende September scharf kritisiert, weil es nur 1.100€ für eine Vollzeitstelle in den Krisenstäben anbot. Aktuell werden immer noch PraktikantInnen gesucht, der Lohn von 1.100€ gilt mittlerweile zumindest für eine Mindestarbeitszeit von 20 Stunden.
 

Salzburg:

Anzahl der Stellen aktuell: 173,8 auf 100.000
Anzahl der Stellen Anfang Dezember: 173,8 auf 100.000.

Aktuelle Aufklärungsquote: 41%
Aufklärungsquote Anfang Dezember: 8%

Die hohe Zahl an Stellen in Salzburg erklärt sich auch dadurch, dass das Land Gemeindebedienstete zum Contact-Tracing heranzieht. Salzburg lag im Dezember bei der Zahl der aufgeklärten Fälle, trotz der am Papier höchsten Zahl an TracerInnen, an letzter Stelle. Mittlerweile hat sich die Aufklärungsrate zwar deutlich erhöht, es werden aber immer noch nicht einmal die Hälfte der Fälle zurückverfolgt. 

Im Dezember gab es die Ankündigung, dass die Zahl der Contact-TracerInnen erhöht werden soll. Getan hat sich hier aber nichts, man plant auch nicht mit einer weiteren Aufstockung. Wie schon im Dezember, ist Salzburg auch aktuell bei den 7-Tages-Inzidenzen das Land mit der höchsten Rate. 
 

Steiermark:

Anzahl der Stellen aktuell: 56,3 auf 100.000
Anzahl der Stellen Anfang Dezember: 56,3 auf 100.000 

Aktuelle Aufklärungsquote: 13%
Aufklärungsquote Anfang Dezember: 17%

Die Steiermark ist das einzige Land, in dem die Aufklärungsquote seit Dezember zurückging. Anfang Jänner lag der Wert sogar bei nur 4%, von Seiten des Landes wurde jedoch beklagt, dass die Daten der Ampelkommission nicht korrekt seien. Und auch die aktuell ausgewiesenen Zahlen sind laut dem Land Steiermark so nicht richtig. Demnach sei die Nachverfolgung zwischen 30 und 40% der Fälle erfolgreich. Schuld sei eine unvollständige Datenauswertung auf Seiten der AGES. 

Die Situation war bis jetzt so angespannt, dass erst ab 18. Jänner die automatische Testung von Kategorie-1-Kontaktpersonen wieder aufgenommen wurde. Diese Maßnahme war am 13. November wegen der Überlastung der Kapazitäten ausgesetzt worden. Die Steiermark ist zudem das Land mit der höchsten Anzahl an Todesfällen pro EinwohnerIn.

Bei unserer letzten Anfrage versicherte das Land, dass in den kommenden Wochen Personalaufstockungen “im dreistelligen Bereich” erfolgen sollten, 700 Stellen gab es damals. Jetzt seien es insgesamt 600-700 BearbeiterInnen – wovon allerdings nur die Hälfte im Einsatz ist. Aktuell habe man die Rückverfolgung des Infektionsgeschehens damit im Griff, so ein Sprecher des Landes.

Tirol:

Anzahl der Stellen aktuell: 79,5 auf 100.000
Anzahl der Stellen Anfang Dezember: 86,1 auf 100.000 

Aktuelle Aufklärungsquote: 50%
Aufklärungsquote Anfang Dezember: 18%

In Tirol ist die Zahl der aktiv verfügbaren TracerInnen etwas zurückgegangen. Wie in den meisten anderen Ländern setzt man allerdings auf eine flexible Personalkapazität. Diese soll garantieren, dass man je nach Bedarf bei steigenden Zahlen intern reagieren kann. Externe Aufstockungen sind also nicht geplant.

Vorarlberg:

Anzahl der Stellen aktuell: 50,7 auf 100.000
Anzahl der Stellen Anfang Dezember: 54,5 auf 100.000

Aktuelle Aufklärungsquote: 45%
Aufklärungsquote Anfang Dezember: 9%

Vorarlberg war im Herbst das erste Bundesland, dass das Contact-Tracing wegen Überforderung massiv einschränken musste. Durch den kurzfristig stark erhöhten Einsatz von Landesbediensteten konnte der Rückstau damals abgearbeitet werden. Aufgrund der gesunkenen Fallzahlen sind aktuell weniger Bedienstete im Einsatz. Zusätzlich schult man etwa 100 Landesbedienstete ein, um das Contact-Tracing unterstützen zu können. Auch in Vorarlberg wird kein zusätzliches Personal eingestellt.
 

Wien:

Anzahl der Stellen aktuell: 34,3 auf 100.000
Anzahl der Stellen Anfang Dezember: 31,6 auf 100.000 

Aktuelle Aufklärungsquote: 68%
Aufklärungsquote Anfang Dezember: 50%

Anfang Dezember hat Wien eine Erhöhung des Contact-Tracing-Personals um 100 Stellen angekündigt. Tatsächlich ist deren Zahl bis heute allerdings nur um 50 Personen auf 650 gestiegen. Bürgermeister Michael Ludwig hat zur Eröffnung der Wiener Impfstraße wieder eine Aufstockung um 100 Stellen angekündigt, damit käme man auf fast 40 Stellen pro 100.000.

Wien hat, hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung, immer noch die mit Abstand niedrigste Zahl an Stellen. Es ist allerdings noch immer das einzige Land, in dem dieses Personal ausschließlich für Contact Tracing eingestellt ist, was den niedrigen Wert relativiert. Wie schon im Dezember weist Wien mit aktuell 68% die höchste Rückverfolgungsrate aus. Außerdem hat Wien die niedrigste 7-Tages-Inzidenz in Österreich.
 

Immer noch zu wenig Contact-TracerInnen in Österreich

Der Überblick zeigt, dass sich beim Personalbestand für das Contact-Tracing in den Ländern sehr wenig verändert hat, obwohl viele Bundesländer Aufstockungen versprochen hatten. Vielfach wird betont, dass man aber auch bei der Optimierung der Abläufe sowie der Digitalisierung weiter fortgeschritten sei. Zudem gebe es mittlerweile einen größeren Personal-Pool, aus dem man schöpfen könne.

Es liegt auch nicht nur an der Anzahl der Contact-TracerInnen, wie hoch der Erfolg jeweils ist. Nicht jede Person, die erkrankt ist, will aus unterschiedlichen Gründen angeben, mit welchen Personen er oder sie Kontakt hatte. Wer etwa andere bei einer Tätigkeit angesteckt haben könnte, die derzeit nicht erlaubt ist, wird dies aus Angst vor rechtlichen Folgen möglicherweise verschweigen. Dazu sind Contact-TracerInnen allerdings gar nicht berechtigt, sie unterliegen einer Verschwiegenheitserklärung. Und teilweise gibt es auch die Forderung von ArbeitgeberInnen, Kontakte nicht der Gesundheitsbehörde zu melden, um Personalengpässe zu verhindern, wie etwa beim Fall einer Wiener Polizeidienststelle.

Immer noch gilt jedoch, dass Österreich laut WHO eigentlich 13.000 Contact-TracerInnen benötigen würde, um das Infektionsgeschehen erfassen zu können. Aktuell gibt es nach unseren Recherchen etwa 5.070 Stellen. Zudem müsste die 7-Tages-Inzidenz unter 50 fallen, damit das Contact Tracing lückenlos funktionieren kann. Davon sind wir mit einem aktuellen Wert von 121 Fällen noch sehr weit entfernt. Ob die Länder im Moment gut genug gewappnet sind, um das Contact-Tracing bei einer möglichen weiteren Infektionswelle aufrecht zu erhalten, ist fraglich.
 

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