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Gesundheit
Kapitalismus

Corona-Impfungen in der EU: Warum in den USA und Großbritannien schon so viel mehr geimpft wird

Im Vergleich zu anderen Regionen hinken die EU-Länder bei den Corona-Impfungen hinterher. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass die EU im Gegensatz zu Großbritannien und den USA immer noch Impfstoffe an andere Länder liefert.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Die Impfquote in der Europäischen Union liegt weit unter denen anderer westlicher Staaten. Während in der EU aktuell nicht einmal 13 von 100 Personen eine Impfdosis erhalten haben, sind es etwa in den USA 36 und in Großbritannien sogar 42 Personen. Der Sündenbock dafür war für viele schnell ausgemacht: Die EU habe bei der Beschaffung der Impfstoffe zu langsam gehandelt und nicht gut genug verhandelt, so der Vorwurf. 

Fakt ist, dass die EU bisher weniger Impfstoffe erhalten hat, als erhofft wurde. Vor allem AstraZeneca musste wiederholt zugesagte Lieferungen kürzen. Doch der Mangel liegt nicht nur daran, dass die EU mit den Firmen zu langsam verhandelt hat oder auf falsche Hersteller gesetzt hat. Ein wesentlicher Grund dafür liegt auch in Bestimmungen, die Länder wie Großbritannien und die USA festgelegt haben, wie der Journalist Dave Keating auf Twitter schreibt.

Fehlender Egoismus?

Der Impfstoff von AstraZeneca wurde etwa an der Universität Oxford entwickelt und von der britischen Regierung mitfinanziert. Die Gegenleistung: Großbritannien sollte mit den im eigenen Land produzierten Dosen zuerst beliefert werden. Deshalb wurde auch mit der britisch-schwedischen Firma AstraZeneca kooperiert.

Ursprünglich wollte die Universität den Impfstoff gemeinsam mit der Pharmafirma Merck produzieren, die Erfahrung mit der Herstellung von Impfstoffen hat. Doch der Deal wurde im letzten Moment vom britischen Gesundheitsminister verhindert. Denn Merck hätte in den USA produziert, und der Impfstoff hätte daher einem Exportstopp unterliegen können.

Das ist auch der Grund, warum die EU die vertraglich zugesicherte Menge von AstraZeneca nicht geliefert bekommt. Das Unternehmen hat je zwei Produktionsstätten in der EU und in Großbritannien. Die Probleme in der Herstellung treten in deren europäischen Niederlassungen auf – Ersatz aus Großbritannien gibt es wegen der Klausel keinen für die EU.

Ein Nehmen ohne Geben

Wie realistisch die Befürchtungen der britischen Regierung über das Verhalten anderer Staaten waren, zeigt sich am Impfstoff von Biontech. Die Firma fand mit Pfizer einen Hersteller, der große Produktionskapazitäten in den USA hat. Dort bedienten sich Donald Trump und aktuell Joe Biden des sogenannten “Defense Production Act”, um die Impfstoff-Produktion anzukurbeln – und um den Export von Impfdosen und Rohstoffen für die Herstellung einzuschränken.

Die EU bekommt also aktuell weder von den USA, noch von Großbritannien Impfstoffe geliefert. Gleichzeitig exportiert man aber Impfstoffe, die in der EU produziert werden: 42 Millionen Dosen wurden bisher an andere Länder geliefert. In der EU selbst verabreicht wurden bisher 57 Millionen. 

Was man der EU also vorwerfen kann ist, nicht so egoistisch wie andere Staaten gehandelt zu haben. Das kann man als Prinzipientreue oder Naivität auslegen. Hätte kein Land einen Exportstopp ausgerufen, könnte die EU deutlich besser dastehen. Wobei die Länder, die profitieren, vor allem Großbritannien (das viele Dosen des Biontech/Pfizer-Impfstoffes aus Deutschland erhält), Kanada, Japan und Mexiko sind. Dort gehen die meisten EU-Exporte nämlich derzeit hin. Sie helfen also zumindest derzeit eher kaum den ärmeren Staaten, die zudem von den Patentregeln der Industriestaaten daran gehindert werden, selbst Impfstoffe zu produzieren. 

Exportverbot als Bumerang

Die EU überlegt jetzt, jene Länder mit einem Exportstopp zu belegen, die selbst auch keinen Impfstoff liefern. Vor allem Großbritannien wäre von dieser Maßnahme betroffen. Das würde laut Berechnungen zwar kaum Auswirkungen auf die Impf-Geschwindigkeit in der EU haben, etwa eine Woche wäre man dadurch den Impfzielen näher. Großbritannien würde im Gegenzug aber etwa zwei Monate verlieren. Geholfen wäre damit niemanden wirklich.

Ein Exportverbot ist allerdings auch immer für die Länder riskant, die es aussprechen. Es könnte zur Folge haben, dass andere Staaten ihrerseits den Export von Rohstoffen einschränken, die man für die Impfstoffproduktion braucht. Dann könnte es zu einem Engpass und einer weiteren Verzögerung bei der Impfstoffproduktion kommen.
 

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