print print
favorites-circle favorites-circle
favorites-circle-full favorites-circle-full
Arbeitswelt

David Graeber: Seine Thesen zu "Bullshit Jobs" in 5 Punkten

Das letzte Buch und die dazu passenden Thesen des Ethnologen David Graebers in einer kurzen Zusammenfassung.

David Graeber ist tot. Der bekannte Anthropologe und Professor an der London School of Economics ist im Alter von 59 Jahren in einem Spital in Venedig gestorben. Aus diesem traurigen Anlass stellen wir noch einmal in aller Kürze seine These aus seinem letzten Buch und Beiträgen rund um das entsprechende Thema vor.

In „Bullshit Jobs: Vom wahren Sinn der Arbeit“ (2018) meinte Graeber, dass die Arbeitswelt zunehmend von sinnlosen Jobs befüllt wird. Auf diese Idee gestoßen ist er bei der Frage danach, warum die Menschheit nach Jahrhunderten der ständigen Produktivitätssteigerung eigentlich noch nicht bei der 15-Stunden-Woche angelangt ist, die John Maynard Keynes zu Beginn des 20. Jahrhunderts eigentlich für die Zukunft vorausgesagt hatte.

Die wichtigsten fünf Punkte:

#1 Ein Bullshit Job muss kein schlechter Job sein

 
David Graber Zitat: "Wenn Sie glauben, dass die Welt ohne ihre Tätigkeit gleich oder sogar etwas besser wäre - das ist ein Bullshit-Job."

Ein häufiger Irrtum laut Graeber selbst sei, dass ein Bullshit-Job ein schlechter Job sein müsste. Dabei habe er festgestellt, dass nicht harte, schmutzige oder gefährliche Arbeit als besonders sinnlos gesehen würde, sondern eher Bürotätigkeiten und Arbeiten im mittleren Management. Im Interview mit dem Standard sagte er einst: „Wenn Sie glauben, dass die Welt ohne Ihre Tätigkeit gleich oder sogar etwas besser wäre – das ist ein Bullshit-Job“.

Das Gegenstück zum sinnlosen Job ist demnach kein guter, sondern ein sinnbringender Beruf.

#2 Ein großer Teil der Jobs ist Bullshit

Für Graeber gibt es fünf Gruppen an sinnlosen Jobs, die insgesamt etwa ein Drittel der Wirtschaft besetzen würden: Lakaien (engl.: „flunkies“), Trottel („goons“), Überkleber („duct tapers“), Abhaker („box tickers“) und Aufgabenverwalter („taskmasters“)

Manche dieser Jobs gebe es nur, damit Vorgesetzte sich wichtig fühlen können. Andere, damit sie mit anderen sinnlosen Gruppen streiten könnten (etwa Lobbyisten). Wer nur kurzzeitige Lösungen für Probleme schaffe, obwohl langfristige Lösungen eigentlich möglich wären, gehört ebenso dazu wie jemand, der nur den Anschein nützlicher Arbeit erwecke oder Arbeit verwalte, die niemand eigentlich brauche. 

„Es ging vor allem um Konzernstrukturen, um unnötige Rollen darin; Konzernanwälte, PR-Spezialisten, Telemarketer oder Lobbyisten haben sich gemeldet. Aber auch Rezeptionisten in Büros ohne Kundenverkehr – ihre Rolle ist rein repräsentativ“, sagte er.

Die meisten dieser Berufe gäbe es im Privatsektor, obwohl eigentlich der Staat den schlechten Ruf ineffizienter Strukturen hätte.

#3 Viele Menschen halten ihren Job selbst für sinnlos

Diese Behauptung von Graeber wurde natürlich kontrovers diskutiert und riefen (bis heute) auch Widerspruch hervor. Er berief sich aber immer wieder auf Erhebungen, wo ein erstaunlich großer Anteil an Menschen ihre Arbeit selbst als sinnlos einstuften. Entweder brauche es sie gar nicht oder für viel weniger Zeit, als sie angestellt seien. Das wurde auch außerhalb seiner eigenen Arbeit immer wieder bestätigt. Umfragen in den Niederlanden und Großbritannien unterstrichen seine Thesen.

#4 Die Arbeit als Tugend ist eine neue Idee

Dass Arbeit so identitätsstiftend ist, ist laut Graeber eine recht neue Idee. Adelige hätten sie früher etwa verachtet, andere einfach nur keine andere Wahl gehabt. Erst später sei Arbeit als Tugend und etwa im Puritanismus sogar eine religiöse Aufgabe umgedeutet worden. Bullshit-Jobs reiht er in diese Tradition ein. Diese würden es möglich machen, zu konsumieren und der Konsum würde die schmerzhafte Arbeit legitimieren. Zudem würde die Beschäftigung dafür sorgen, dass die Bevölkerung keine Zeit habe, um aufmüpfig zu werden. Der bekennende Anarchist Graeber sah sie deshalb auch als politisches Instrument.

#5 Ein Bedingungsloses Grundeinkommen könnte ein Ausweg sein

Auch wenn ein Job der Welt nichts bringt, so braucht ihn natürlich meist die Person, die ihn hat. Diese wird also dafür sorgen, dass es weiterhin so wirkt, als würde es sie brauchen und ihre Stunden im Job absitzen. Ein Bedingungsloses Grundkeinkommen ist für Graber ein möglicher Ausweg aus diesem Dilemma. Arbeit würde dann nicht mehr existenzsichernd sein müssen. Der Sinn könnte in den Vordergrund rücken.

 

Graebers Buch und folgende Aussagen waren natürlich bewusst provokant und sorgen bis heute noch für viele Debatten. Gesagt zu bekommen, dass die eigene Arbeit eigentlich nichts wert ist, das muss man erst einmal verkraften. Graeber hat das Buch deshalb auch launig mit einer Portion Humor geschrieben. Es wird ihm wohl klar gewesen sein, dass viele Aussagen für eine akademische Debatte etwas zu grobschlächtig waren und mehr Differenzierung benötigen würden.

Die These ist aber nicht gänzlich von der Hand zu weisen und jedenfalls ein erfolgreicher Beitrag dazu, dass sich mehr Menschen über die Zukunft und den Sinn ihrer Arbeit Gedanken machten. In einer Welt, in der Digitalisierung und Automatisierung viele Jobs bedrohen und einmal mehr Ungewissheit darüber herrscht, ob sie durch neue ersetzt werden können (oder eben überhaupt sollten) und die Klimakrise auch nötig machen dürfte, dass wir weniger unnütze Dinge herstellen und kaufen, traf er jedenfalls einen Nerv.

    Neuen Kommentar hinzufügen

    Kommentare 0 Kommentare
    Kommentar hinzufügen

    Neuen Kommentar hinzufügen

    Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Beitrag!