Dein Auto frisst deine Daten und gibt sie weiter
Die Mozilla Foundation kennst du vielleicht, weil sie den Internet-Browser “Firefox” entwickelt. Sie ist aber eine breitere amerikanische Non-Profit-Organisation mit den Schwerpunkten Datenschutz, KI und digitale Rechte. Ihr neuester Streich ist eine Studie, die Datenschutzerklärungen von Autoerstellern untersuchte. Das Auto – der heilige Gral der Menschheit – ist ein moderner “Datenschutz-Albtraum”. Nicht einmal Gesundheits-Apps für Smartphones schneiden bei den Expert:innen so schlecht ab wie die Automobilbranche.
Wer seine Daten schützen will, muss zu Fuß gehen
Insgesamt wurden 25 Automarken untersucht. Die wichtigsten sind vertreten. BMW, Audi, VW, Mercedes, Tesla, Ford, Nissan, Fiat, und Co. lassen in Sachen Datenschutz zu wünschen übrig. Allesamt sammeln sie mehr persönliche Daten als nötig und nutzten sie für – aus Konsument:innen-Perspektive – fragwürdige Praktiken. Smart-Home Geräte sind dagegen schon fast harmlos.
Eigentlich ist es egal, was man im Auto macht. Sobald man sich darin befindet, wird jede Interaktion von Kameras, Sensoren und Mikrofonen erfasst. Das moderne Armaturenbrett erweist sich als äußerst nützliches Werkzeug zum Datensammeln. Auch wenn man nichts tut, bleiben die Sensoren ständig auf Empfang. Gar nicht erst angefangen von entsprechenden Fahrzeug-Apps, die Tür und Tor zu Daten auf dem Handy öffnen. Die Möglichkeiten für Autohersteller persönliche Daten ihrer Kund:innen zu sammeln sind fast so unzählig wie die Menge an Daten, die erfasst werden.
Dein Auto weiß alles über dich
Neben den üblichen Verdächtigen wie Name, Alter und Standort sind darunter auch überraschende bis erschreckende Details. So geben bestimmte Hersteller etwa an, Gesundheitsdiagnosen, Verhaltensmerkmale, genetische Informationen, Fingerabdrücke, das Glaubensbekenntnis, die philosophische Überzeugung und sogar Informationen über das Sexualleben erheben zu können.
Mithilfe von Sensoren am Armaturenbrett kann der Ermüdungsgrad der Fahrer:in bestimmt werden. Das kann im besten Fall tatsächlich Leben retten. Es ist aber einer der wenigen Services, der tatsächlich den Betrieb des Fahrzeugs unterstützt. Der Großteil der gesammelten Daten dient lediglich dazu, das Geschäftsmodell der Autohersteller zu erweitern.
Datenschutzerklärung? Ja.
Man könnte denken, dass die gesammelten Daten im Besitz der Konzerne bleiben und zu Forschungs- und Marketingzwecken verwendet werden. Das wäre aber etwas naiv.
Die Mozilla Foundation bestätigte, dass 85 % der untersuchten Automarken persönliche Daten ihrer Kund:innen weitergeben. 19 von 25 verkaufen diese sogar. Informationen, die mitunter auch durch Rückschlüsse erhoben wurden, werden dann lukrativ an Werbe- und Marktforschungsunternehmen, Social-Media-Plattformen, Datenbroker, Autohäuser und viele andere, weitergegeben.
Möglich wird das alles durch undurchsichtige Datenschutzerklärungen. Einerseits sind die so formuliert, dass sie eh keiner versteht. Andererseits drückt man sich bewusst so vage aus, dass gar nicht eingegrenzt werden kann, welche Daten erfasst werden dürfen und welche nicht. Als Konsument:in hat man aber meistens keine Wahl. Ist man nicht willig die Datenschutzerklärung zu unterschreiben, muss man wohl oder übel ohne Auto zurechtkommen.
Der Wilde Westen der Autohersteller
Die Studie der Mozilla Foundation bezieht sich auf die amerikanische Situation. Die Autos in Europa sind dieselben. Wie die Lage in Österreich ist, ist aber auch für Experten schwer zu beurteilen. Österreich und Europa hätten zwar strengere Datenschutzgesetze als die USA, trotzdem sei es aktuell schwierig zu kontrollieren, was Autohersteller tatsächlich mit den erfassten Daten machen. Das läge an der hohen Intransparenz in diesem Bereich. Bis jetzt sei überhaupt nicht klar, welche Daten genau gespeichert und verarbeitet werden. Solange das nicht klar sei, sei es schwierig, Missstände aufzuzeigen und die Autohersteller zum Einhalten der europäischen Datenschutzgesetze zu bringen, so der Experte für digitale Technologien, Hannes Stummer von Grundrechts-Verein epicenter.works im Gespräch mit MOMENT.at.