print print
favorites-circle favorites-circle
favorites-circle-full favorites-circle-full
Demokratie

Können Demos den Rechtsextremismus stoppen?

Die Großdemo gegen Rechtsextremismus in Berlin
Die Großdemo gegen Rechtsextremismus in Berlin Foto: Stefan Müller / CC BY-NC 2.0
In Deutschland und Österreich gibt es riesige Demonstrationen gegen Rechtsextremismus. Können sie den Aufstieg der extremen Rechten aufhalten? Natascha Strobl analysiert.

Die Correctiv-Redaktion hat aufgedeckt, dass sich Rechtsextreme in Potsdam geheim getroffen haben, um über Vertreibungen zu fantasieren und sie zu planen (Hier erkläre ich, warum wir ihren Propagandabegriff „Remigration“ nicht übernehmen dürfen.).

Über eine Million Menschen demonstrierten daraufhin in Deutschland gegen diese Pläne. In Österreich schließt sich Wien am Freitag mit einer Demo für die Verteidigung der Demokratie an. Doch hilft das überhaupt etwas? Stoppen Demonstrationen Rechtsextremismus?

Die kurze Antwort lautet: nein.

Die längere Antwort lautet: jein.

Klar: Demos gegen Rechtsextremismus sind kein Allheilmittel

Selbstverständlich sind Demonstrationen kein alleiniges Mittel, um Rechtsextremismus zu stoppen und im Zaum zu halten. Es wäre naiv anzunehmen, dass sich alle Probleme lösen, selbst wenn eine Million Menschen auf die Straße gehen. Zumal die Menschen, die nicht dabei sind, weiter rechtsextrem sein und auch weiter bereit sein können, Menschen mit rechtsextremen Einstellungen zu wählen.

Die Ursachen für Rechtsextremismus sind auch viel zu vielfältig, als dass sie mit einem Ereignis beiseite gewischt werden könnten. Insofern ändern eine oder auch fünf Demos rein gar nichts an den Verhältnissen oder Einstellungen im Land. 

Beispiel Polen: Widerstand von Tag eins an

Ich durfte vor wenigen Tagen dem Journalisten Bartosz T. Wieliński zuhören, wie er über die Zeit der weit rechten PIS-Regierung in Polen berichtete. Diese wurde vor wenigen Wochen abgewählt. Wieliński betonre, dass der Wahlsieg gegen diese demokratiefeindlichen Kräfte keiner von Oppositionsführer Donald Tusk alleine war. Der Gegenwind kam vor allem aus der polnischen Zivilgesellschaft. Von Tag eins an sei sie auf der Straße gestanden. In kleinen Dörfern kam Widerstand oft nur von ein oder zwei Menschen alleine – und das mit hohen sozialen Kosten für sie. 

Aber: Die polnische Zivilgesellschaft war da und wuchs zu einer großen Protestbewegung heran. Den Widerspruch zum Ausdruck zu bringen, war von Anfang an wichtig, um Normalisierung zu vermeiden. Das zeigte anderen Menschen, dass sich eben nicht alle damit abfinden, wie es ist. Es zeigte, dass es da noch Menschen gibt, die für eine andere, solidarische Gesellschaft zu haben wären. 

Das macht Mut und ist enorm wichtig, weil Menschen dann merken, dass man sich den Zuständen nicht ergeben muss. Es vermeidet Fatalismus und Zynismus.  Die besonders von der rechten polnischen Regierung angegriffenen Rechte von Frauen und der Widerstand dagegen war dann auch wahlentscheidend.

Rechtsextremismus stoppen: An die Wurzeln gehen

Um rechtsextreme Parteien und deren Aufstieg zu verhindern, braucht es aber natürlich mehr. Dafür muss man sich die Ursachen für rechtsextreme Einstellungen in der Gesellschaft ansehen. 
Dazu gehört zum Beispiel: Was beeinflusst Menschen, rechtsextreme Denkweisen aufzugreifen? Wie werden rassistische, antifeministische und ähnliche Standpunkte in den Medien nach und nach normal gemacht? Und was können demokratische Menschen dagegen tun?

Dafür muss man aber auch erkennen, was die wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen sind, die den rechtsextremen Aufstieg begünstigen. Unsere Gesellschaft wird seit Jahrzehnten immer mehr von einer Ideologie geprägt, die Neoliberalismus heißt. Alles muss darin flexibler werden. Weniger Regeln bedeuten auch ein Element von Unsicherheit. Rechtsextreme versprechen hingegen dem Schein nach mehr Sicherheit. Auch wenn das für die große Mehrheit der Bevölkerung trügerisch ist. 

Mehr Unsicherheit in der Gesellschaft, mehr scheinbare Sicherheit als Versprechen der Rechtsextremen. Das sind gesellschaftliche Bewegungen, die einander verstärken können. Von diesen Bedingungen können rechtsextreme Parteien profitieren. Das ist ein Teil ihres Aufstiegs, den Demos nicht direkt verändern können.

Zivilgesellschaft: Tun, was man tun kann

Aber der rechtsextreme Aufstieg passiert nicht automatisch und hat nie nur eine Ursache. Insofern ist es wichtig, dass alle dort ansetzen, wo sie können. Solange man auf Parteipolitik keinen direkten Zugriff (etwa in Form von Wahlen) hat, solange kann man sich anderweitig einbringen. Dazu gehört auch, klar zu zeigen, dass man nicht einverstanden ist. 

Natürlich braucht es mehr. Aber: weniger braucht es bestimmt nicht.

    Neuen Kommentar hinzufügen

    Kommentare 0 Kommentare
    Kommentar hinzufügen

    Neuen Kommentar hinzufügen

    Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Beitrag!