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Die Kronen Zeitung und der Sozialleistungsbetrug

Sozialleistungsbetrug ist bei der Kronen Zeitung ein großes Thema. Vor allem die Task Force Sozialleistungsbetrug bekommt viel Platz - kritische Fragen werden aber nicht gestellt.

Sozialleistungsbetrug: Das ist die Frau, die für ein paar Tage ihre Eltern in Tschechien besucht und sich beim AMS nicht abmeldet. Aber auch der Mann, der zwar in Österreich gemeldet ist und Mindestsicherung bezieht, aber seit Jahren woanders lebt.

Sozialleistungsbetrug ist bei vor allem bei der Kronen Zeitung ein großes Thema. Das Blatt berichtet regelmäßig über einzelne Fälle. Es sind Ausreißer. Menschen, die sich über lange Zeit große Summen vom Staat erschleichen. Alleine vier Artikel in diesem Jahr widmete die Krone sogar der „Task Force für Sozialleistungsbetrug“, die seit 2018 im Innenministerium installiert ist.

Im August durfte die Task Force gleich zwei Mal in einer Woche ihre Arbeit in der Kronen Zeitung präsentieren; erst die gemeinsame Aktion mit Finanzpolizei an der Grenze („Aktion scharf gegen Sozialbetrüger“), dann die Dreijahresbilanz („Sozialbetrüger ergaunern mehr als 50 Millionen Euro vom Staat“). In beiden Artikeln darf ÖVP-Innenminister Karl Nehammer sprechen. „Grenzüberschreitender Sozialbetrug hat offenbar System“, wird er zitiert. Dabei geht es unter anderem um die Frau, die ihre Eltern in Tschechien besucht hat.

Allein im April gab es gleich zwei Berichte innerhalb einer Woche über die Task Force in der Kronen Zeitung. Wieder spricht Nehammer, zusätzlich gibt es ein Interview mit dem Leiter der Task Force.

Was alle Artikel gemeinsam haben: Es gibt keine kritische Einordnung der berichteten Zahlen, jedes Mal kommen ausschließlich der Minister und Ermittler der Task Force vor. Die Krone schreibt, dass es „rasch klar“ war, dass die neue Abteilung erfolgreich sein würde. Den erfolgreichen Ermittler:innen stehen die „dreisten Täter“ gegenüber. Das sprachliche Bild der „Jagd“ wird immer wieder bedient.

Wer die Kronen Zeitung liest, bekommt den Eindruck, dass Sozialleistungsbetrug ein Riesenproblem ist. Das stimmt so aber nicht. Nichts spricht dagegen, ausgewogen und kritisch über das Thema Sozialleistungsbetrug zu berichten. Zumindest eine kritische Einordnung der Arbeit der Task Force und der angeblich großen Erfolge hätte die Zeitung aber liefern müssen.

Der “große Schaden”

Innerhalb von drei Jahren haben Sozialleistungsbetrüger:innen 50 Millionen an „Schaden“ verursacht, heißt es aus dem Innenministerium. Gemeint ist damit das Geld, das unberechtigt ausbezahlt wurden. Um bei unserem Beispiel zu bleiben, ist das auch die Frau, die für ein paar Tage in Tschechien war. Sie muss das Geld zurückzahlen, dass sie in diesem Monat erhalten hat und wird wahrscheinlich auch Strafe zahlen müssen.

Die Krone schreibt auf der Titelseite: „50 Millionen Euro vom Staat ergaunert.“ Das zeichnet ein anderes Bild. Man stellt Betrug im großen Stil vor, Leute, die absichtlich und wissentlich den Staat um Millionen bringen. Auch die gibt es bestimmt, aber sie machen wohl nicht den Großteil aus.

Denn auf die Anzeigen gerechnet fallen pro Fall etwa 5.800 Euro an Schaden an. Das ist ungefähr ein halbes Jahr Mindestsicherungsbezug – und sicher keine große Gaunerei.

Laut einer Anfragebeantwortung von Karl Nehammer handelt es sich bei den allermeisten angezeigten Fällen um „Betrug“. Die schwereren Straftaten „Schwerer Betrug“ und „Gewerblicher Betrug“ kommen deutlich seltener vor. Auch das spricht dafür, dass die Task Force häufiger kleine Fische fängt.

Verglichen mit anderen Betrugsformen sind 50 Millionen Euro Schaden eher wenig. Unternehmen verursachen beispielsweise in einem einzigen Jahr rund 680 Millionen Euro Schaden, indem sie Löhne und Zuschläge nicht korrekt ausbezahlen.

#2 Die „großen Erfolge“

Die Ermittlungen der Task Force werden von der Kronen Zeitung als große Erfolge verkauft. In Wahrheit sind 50 Millionen Euro in drei Jahren gemessen am Aufwand nicht viel. Alleine beim Missbrauch von E-Cards hätte die Task Force viel mehr Geld einbringen sollen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) kündigte 2017 an, er wolle mit stärkerer Kontrolle in diesem Bereich 200 Millionen Euro einsparen.

#3 Die Kosten der Task Force

Dazu kommt, dass niemand genau beziffern kann, wie viel die Task Force überhaupt kostet. Zwar gibt es eine Abteilung im Innenministerium, aber im Grunde ermitteln alle Polizeibeamt:innen gegen Sozialleistungsbetrug. Die Kosten für die Bekämpfung von Sozialleistungsbetrug lassen sich also nicht von den Kosten der alltäglichen Polizeiarbeit trennen.

Das macht es schwierig, abzuschätzen, inwiefern sich die Task Force überhaupt rechnet.

Fazit

Die Krone übertreibt die Erfolge der Task Force und überlässt einem verhältnismäßig kleineren Problem erstaunlich viel Platz im Blatt. Wieso tut sie das?

Das Thema provoziert und emotionalisiert. Facebook-Posts der Krone dazu häufen regelmäßig um die 1.000 Reaktionen und hunderte Kommentare an. Wenn eine Zeitung schreibt, dass sich Menschen Geld vom Staat ergaunern, regt das auf. Vor allem, wenn viele Menschen in Österreich selbst Probleme damit haben, über die Runden zu kommen. Die Fehltritte einzelner Personen ändern daran natürlich nichts. Die Wut richtet sich dennoch gegen die „Sozialleistungsbetrüger“. Die Kronen Zeitung spielt da offenbar gerne mit und verschafft gleichzeitig dem Projekt und Innenminister Karl Nehammer positive Berichterstattung.

 

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