Die Mutter eines Kindes mit Autismus spricht: “Ein Nachbar hat Wasser auf meinen Sohn geschüttet”
Ich verstehe nicht, wie Menschen so grausam sein können. Wie kann jemand einfach auf den Balkon gehen und Wasser auf ein Kind mit Autismus schütten, das im Garten darunter ist?
Und die Laute, die mein Sohn von sich gibt, können die Anrainer auch nicht schon seit Ewigkeiten gestört haben: Leo ist ja nur vier Tage im Monat und drei Wochen zusätzlich im Sommer bei seinem Vater und in dessen Gartenwohnung.
Nachbarn fragten nie nach, was eigentlich los ist
Die Nachbarn haben nie gefragt, was eigentlich los ist. Davor haben sie aber schon einmal das Jugendamt eingeschaltet. Gut, sie wussten damals ja vielleicht noch nichts über den Autismus meines Sohnes und dass er deshalb nicht sprechen kann. Leo kommuniziert in Lauten, er summt auch oft laut vor sich hin, das beruhigt ihn.
Jetzt aber wissen sie definitiv, was mit meinem Sohn los ist. Verständnis haben sie dafür nicht. Einmal fanden wir einen Zettel im Postkasten, unterzeichnet von der Hausgemeinschaft: “Bitte können Sie ihrem Sohn ein Beruhigungsmittel geben, damit dieses laute, tierische Geheule ein Ende hat?”
Sohn war völlig geschockt
Mein Ex-Mann lässt meinen Sohn kaum mehr in den Garten. Der war nach der Wasser-Attacke völlig verstört. Für den Nachbarn, der Wasser über Leo geschüttet hat, könnte dieses Vorgehen übrigens ein Kündigungsgrund für den Mietvertrag sein – wegen sogenannten “unleidlichen Verhaltens”. Kinderlärm ist zu dulden, auch wenn mein Sohn spezielle Geräusche macht.
Zu wenig Aufklärung über Autismus
Wir wollen nicht rechtlich gegen die Nachbarn vorgehen. Aber ich finde, dass die Leute viel besser aufgeklärt werden müssen, über Autismus oder ähnliche Entwicklungsstörungen wie das Asperger-Syndrom. Immerhin sind in Österreich fast 50.000 Kinder betroffen.
Es fängt schon damit an, dass die meisten Kinderärzte zu wenig über Autismus und seine vielfältigen Formen und Ausprägungen Bescheid wissen und frühe Symptome oft gar nicht erkennen. Bereits zur Diagnose ist es oft ein langer Weg. Das war auch bei uns so. Leo entwickelte im Kindergarten Verhaltensstörungen, damals war uns klar, dass etwas nicht stimmt. Wir mussten aber ein halbes Jahr auf die Testung und die Diagnose frühkindlicher Autismus warten. Seine Sprachfähigkeit verlor er später.
Zu wenig Hilfe für autistische Kinder und Eltern
Generell müsste es viel mehr Therapiemöglichkeiten und Unterstützungsangebote für autistische Kinder und deren Eltern geben. In den USA gibt es teilweise bis zu dreißig Stunden Therapie pro Woche für Kinder mit Autismus. In Österreich muss man oft froh sein, wenn es einmal die Woche eine Stunde erhält. Die Wartelisten auf Kassenplätze sind oft sehr lang. Außerdem ist meiner Meinung nach mit einer Stunde Musiktherapie auch wenig gewonnen.
Immerhin werden die Betreuungsmöglichkeiten ausgeweitet. Seit heuer gibt es erstmals ein Autismus-Kompetenzzentrum in Wien. Dort können 42 Kinder im Jahr behandelt werden. Doch kaum war es eröffnet, waren alle Plätze schon vergeben. Auch dieses neue, zusätzliche Angebot deckt also den Bedarf bei weitem nicht ab.
Natürlich ist die Situation auch für uns Eltern besonders herausfordernd. Doch uns wird kein Verständnis entgegengebracht, Hilfe können wir schon gar keine erwarten. Dafür werden wir auch noch schikaniert.