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Arbeitswelt

Die Post bringt vor allem den AktionärInnen was 

Die österreichische Post wird geführt wie ein Privatunternehmen, obwohl die Republik immer noch die Mehrheit hält. Die Folge: Steigender Arbeitsdruck, Ausgliederungen – und fette Gewinne für private AktionärInnen und Hedgefonds.
„Es ist körperlich total anstrengend. Du trägst enorm viel Gewicht herum, dazu der Zeitdruck. Und du musst bei jedem Wetter draußen sein, egal ob Hitze, Regen oder Schnee.“ Postler Fabian Polifka seufzt tief, wenn er über seine Arbeitsbedingungen erzählt. Fabian Polifka heißt tatsächlich anders – aus Angst vor möglichen Folgen möchte er nicht unter mit seinem echten Namen erzählen.

 Als Polifka bei der Post zu arbeiten begonnen hat, hat er teilweise nicht einmal die Mittagspause gemacht, die ihm gesetzlich zusteht. „Stattdessen habe ich öfter schnell im Gehen eine Semmel heruntergeschlungen.“ Was ihn am meisten nervt? „Die Werbung“, sagt Polifka sofort. „Das Zeug ist extrem schwer und völlig sinnlos.“

Alles nicht so einfach

Manches würde mit der Zeit einfacher, erzählt der junge Wiener. „Die Arbeit ist gar nicht so einfach, es gibt viel zu beachten. Du brauchst ein paar Monate, um dich auszukennen und alles zu checken.“ Etwa das Sortieren der Briefe und Pakete vor dem Austragen. Die elektronische Vor-Registrierung von Paketen. Oder wo die einzelnen Stiegen in den großen Wohnhausanlagen sind.

„Wenn Du genau weißt, wo Du Dein Wagerl am besten stehen lässt und welche Stiegen Du auf einmal versorgst, kannst Du viel Zeit sparen“, erzählt Polifka. Immer wieder beschweren sich KundInnen, dass bei Paketen gar nicht versucht würde, sie an der Wohnungstür zuzustellen. Stattdessen würden die „gelben Zettel“, also die Paketbenachrichtungen, einfach in den Briefkasten geworfen.

Polifka kennt KollegInnen, die das machen. Er ersucht um Verständnis: „Das ist nicht böse gemeint. Wir haben einen unglaublichen Arbeitsdruck und bräuchten viel mehr Personal.“

Post wird wie ein Privatbetrieb geführt

Der Arbeitsdruck, von dem Polifka spricht, kommt nicht von ungefähr. Denn obwohl die Post weiterhin mehrheitlich in Staatsbesitz ist, wird sie schon lange wie ein normales privatkapitalistisches Unternehmen geführt. Die Post ist heute eine Aktiengesellschaft, die im ATX-Index der 20 größten börsennotierten Unternehmen in Österreich gelistet ist.

Die Post wurde dem Aktienrecht unterworfen und muss damit privatwirtschaftlich agieren. Das Elend ist von den Verantwortlichen gewählt: Hintergrund ist die Liberalisierung der Postdienste ab den 1990er Jahren, die die EU-Mitgliedsstaaten beschlossen hatten. Zuerst kamen die Paketdienste dran und schließlich auch die Briefpost.

Der Druck der Liberalisierung

Heute ist die Postzustellung völlig liberalisiert. Sowohl private Anbieter wie Postbetreiber aus verschiedenen Ländern können sich gegenseitig Konkurrenz machen. Die Folgen sind weitreichend: Personalkürzungen und steigender Arbeitsdruck. Eigene Filialen werden geschlossen und durch billigere „Postpartner“ ersetzt.

Packerl können nicht mehr wie früher nur auf der Postfiliale liegen sondern auch bei diversen – oft weiter entfernten – Abholstationen privater Anbieter. Die Arbeitsbedingungen der privaten Zusteller wie Amazon sind berüchtigt. Gleichzeitig zahlt die Post seit Jahren fette Dividenden an ihre AktionärInnen.

Wem gehört die Post?

Mehrheitseigentümer der Post AG ist die ÖBAG, die „Österreichische Beteiligungs AG“. Sie hält 52,8 Prozent an der Post. In der ÖBAG sind wichtige Beteiligungen der Republik zusammengefasst, etwa die OMV, die Telekom Austria, die Casinos Austria oder eben die Post. Aufgestellt wurde diese ÖBAG unter der schwarz-blauen Regierung ab 2017.

Hintergrund könnten Privatisierungs-Überlegungen gewesen sein. In einer Aussendung hielt der damalige ÖVP-Finanzminister und Ex-Versicherungsmanager Hartwig Löger im Oktober 2018 zwar fest, dass „die Privatisierung von Anteilen aktuell nicht angestrebt“ werde. Die Einschränkung „aktuell“ ist dabei allerdings durchaus bedeutsam.

Denn in der gleichen Aussendung hieß es, dass die „Veräußerung von Beteiligungen“ eine der Aufgaben der ÖBAG sein könne. Die Aussendung des Finanzministeriums wurde von Löger und dem damaligen FPÖ-Finanzstaatsekretär Hubert Fuchs herausgegeben, der als neoliberaler Scharfmacher gilt.

Internationale Hedgefonds haben sich eingekauft

Neben der Mehrheitsbeteiligung der ÖBAG an der Post gibt es zahlreiche weitere AktionärInnen, die gemeinsam 47,2 Prozent am Unternehmen halten. Wer diese AktionärInnen sind, ist weitgehend unklar. „Streubesitz“ heißt es offiziell. Die Post spricht von institutionellen Anlegern „vor allem aus Europa, Nordamerika, Großbritannien und Irland“. Ziemlich nichtssagend.

Beteiligungen müssen erst ab 4 Prozent gemeldet werden. Laut finanzen.net aber ist einer der bedeutenderen Aktionäre der US-amerikanische Hedgefonds Vanguard. Es ist der vermutlich größte Anleihefonds der Welt und nach BlackRock der zweitgrößte Vermögensverwalter der Welt. In Österreich hat sich Vanguard neben der Post auch bei der privatisierten BUWOG/Vonovia, der ehemaligen Wohnbaugesellschaft des Bundes, eingekauft. Und solche Hedgefonds wollen Kasse machen.

Hohe Dividenden für die AktionärInnen

„Die Post bringt allen was“ lautet ein langjähriger Werbeslogan der Post. Doch tatsächlich bringt die Post vor allem den AktionärInnen was. Am Markt präsentiert sich die Post als sogenanntes „Dividendenpapier“, erzählt Mathias Grandosek von der Arbeiterkammer Wien: „Die Post lockt ihre AktionärInnen mit überdurchschnittlichen Dividendenzahlungen.“

Die Zahlen geben dieser Einschätzung recht: Für das Jahr 2019 lag die Dividendenrendite der Post bei beachtlichen 7,47 Prozent. Auch in den Jahren davor gab es regelmäßig Jubelmeldungen. Die jeweiligen Überschriften auf finanzen.net beschreiben eine eindeutige Entwicklung: „Post hebt die Dividende leicht an“, hieß es Anfang 2019. „Österreichische Post schüttet mehr Dividende aus“ Anfang 2018, „Österreichische Post erhöht die Dividende“ im März 2017.

 
Die Meldungen über Post-Dividenden auf Finanzen.net Die letzten Jahre wurde verlässlich stets eine erhöhte <span class=Dividende ausgeschüttet." width="1008" height="230" />

Die Meldungen über Post-Dividenden (Screenshot: Finanzen.net)

Auch die Gewinne steigen kräftig: 2019 hatte die Post einen Gewinn vor Zinsen und Steuern von 318,7 Millionen Euro gemacht. 2018 waren es 210,9 Millionen gewesen.

Immer mehr Geschäftsfelder

Um noch mehr Gewinne zu machen, steigt die Post in immer neue Geschäftsfelder ein. Mit Shöpping soll eine Amazon-Konkurrenz aufgebaut werden, mit der Bank 99 gibt es seit kurzem eine eigene Bank. Die Post ist auch ins Werbegeschäft eingestiegen – und wurde im Oktober 2019 (nicht rechtskräftig) zu einer Strafe von 18 Millionen Euro verurteilt, nachdem sie mit den Daten ihrer Kunden gehandelt hatte.

International kauft die Post ebenfalls kräftig zu und erhöht so wiederum den Druck auf lokale Anbieter. So hat die Post neben Österreich auch Tochterfirmen in Deutschland, Osteuropa (Bulgarien, Slowakei, Ungarn), am Westbalkan (Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Montenegro, Serbien) sowie in der Türkei.

Ausgliederungen und billige Leiharbeit

Tochterfirmen in Österreich sind einerseits ausgelagerte Betriebe wie die Post IT-Services GmbH oder die Post Immobilien GmbH. Aber auch große Firmen wie der Werbe-Zusteller Feibra gehören der Post. Der übliche Nebeneffekt solcher Ausgliederungen: Schlechtere Löhne und Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten – und immer die drohende Gefahr der kompletten Privatisierung durch einen Verkauf.

Parallel dazu setzt die Post auch im eigenen Unternehmen auf billige Arbeitskräfte aus Sub-Unternehmen. Einer breiteren Öffentlichkeit bewusst wurde das im Mai, als im Postzentrum Hagenbrunn in Niederösterreich Dutzende Corona-Fälle bekannt wurden. Viele Betroffene waren geflüchtete Menschen aus dem Flüchtlingswohnheim in Wien-Erdberg, die über eine Leiharbeitsfirma angestellt waren. Laut Postchef Georg Pölzl seien insgesamt gerade einmal die Hälfte der PaketzustellerInnen der Post auch bei dieser beschäftigt.

Arbeitsdruck steigt

Postzustellung ist ein sehr spezielles Geschäft, sagt Grandosek. „Die KundInnen sind ja immer die AbsenderInnen und nicht die Menschen, die die Briefe oder Pakete empfangen. Und die AbsenderInnen schauen mehr auf die Kosten als auf die Qualität der Zustellung. Die Folge, so Grandosek: „Der Druck auf die Beschäftigten steigt immer weiter.“

Soziale Absicherungen würden in der Branche regelmäßig unterlaufen, vor allem bei den privaten Zustellern müssten viele KollegInnen prekär arbeiten, etwa selbstständig oder auf Werkvertrag. Auch die Aufgaben seien gewachsen, ohne dass beim Personal aufgestockt wurde. So gäbe es durch die Online-Versandhäuser viel mehr Pakete als früher, schnellere Zustellung würde erwartet und schließlich sei auch die Bevölkerung gewachsen.

„Und mit Corona ist dann die psychische und physische Belastung nochmals enorm angestiegen“, so der AK-Experte. Bei der Post seien die Arbeitsbedingungen zwar weiterhin besser als bei privaten Zusteller wie Amazon. Aber: „Besser als bei anderen heißt noch lange nicht gut.“

Schließt die Post tatsächlich Filialen?

Eine weitere Form der Ausgliederung ist die Umwandlung von Postfilialen in sogenannte Postpartner. Die ursprüngliche Recherche-Annahme für diesen Artikel waren regelmäßige Berichte über die Schließung von Postfilialen in verschiedenen Regionalmedien. Doch bei der Recherche zeigte sich, dass die Filialen so gut wie nie ohne Ersatz geschlossen werden. Stattdessen werden sogenannte Postpartner beauftragt, also beispielsweise die Bäckerei im Ort, die dann zusätzlich die Postdienstleistungen anbietet.

Das muss die Post auch tun, erklärt AK-Experte Grandosek: „Im Postmarktgesetz ist klar festgelegt, wie viele Filialen die Post betreiben muss. Es sind bundesweit mindestens 1650 Postgeschäftsstellen.“ Dabei gäbe es auch bestimmte Kriterien, erklärt Grandosek.

In Gemeinden mit über 10 000 EinwohnerInnen dürfe die nächste Postfiliale laut Gesetz für 90 Prozent der Bevölkerung nicht mehr als 2000 Meter entfernt sein, in kleineren Orten seien es zehn Kilometer. Für die Post ist das Partnerwesen dennoch ein gutes Geschäft: Sie spart Personal und Miete.

Das gehört besser bezahlt

Postler Polifka mag den Job eigentlich. „Ich bin gern im Freien unterwegs und mag es auch, dass ich manchmal im Gemeindebau kurz mit den Leuten plaudern kann.“ In seiner Dienststelle ist auch der Zusammenhalt unter den KollegInnen sehr gut, wie er erzählt: „Oft wird auch nach der Arbeit gemeinsam etwas unternommen. Die KollegInnen sind leinwand miteinander.“

Was er ebenfalls schätzt: „In meiner Dienststellen gibt es weder offenen Rassismus noch Frauenfeindlichkeit. Das ist mir sehr wichtig.“ Seine wichtigste Forderung: „Unsere Arbeit ist extrem anstrengend. Die gehört gewürdigt und vor allem viel besser bezahlt.“

Du kannst Michael Bonvalot auf Facebook und Twitter folgen.

 

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