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Gesundheit
Ungleichheit

"Ich muss zu Dr. Viola": Ein Code für Gewaltopfer im Krankenhaus

"Dr. Viola" funktioniert in der Klinik Innsbruck als Code für Opfer von Gewalt. Die Umsetzung ist einfach und billig. Trotzdem sind solche Initiativen in Österreich kaum verbreitet.
Wenn eine Person in der Klinik Innsbruck nach “Dr. Viola” fragt, löst sie damit eine Kettenreaktion aus. Dabei gibt es gar keine Ärztin mit diesem Namen. “Dr. Viola” ist ein Code, eine Art Notruf für Menschen, die sich in akuter Gefahr befinden. In den meisten Fällen geht diese Gefahr von Partnern aus, die im Krankenhaus mit dabei sind.

Das ganze Krankenhauspersonal kennt den Code, lässt die Betroffene nicht mehr aus den Augen und bringt sie zur zuständigen Stelle in der Klinik. Diese leistet Erstversorgung und benachrichtigt die Opferschutzgruppe. Falls die Betroffene in Begleitung ist, wird sie von der möglicherweise gefährdenden Person unter einem Vorwand getrennt.

Laut Klinik Innsbruck funktioniert der Hilferuf, den es seit August 2021 gibt. In den ersten vier Monaten wurde der Code bereits zwölf Mal genutzt. Die Umsetzung ist denkbar billig. Infokarten auf der Damentoiletten informieren auf 15 Sprachen über “Dr. Viola”, das Personal wurde geschult. Trotzdem ist die Klinik Innsbruck das einzige Krankenhaus, in der es diese Art von Notruf gibt.

Dabei ist Gewaltschutz in Krankenhäusern sogar gesetzlich geregelt. Seit 2011 müssen sie Opferschutzgruppen einrichten. Diese sind darauf geschult, gewaltbetroffene Patient:innen zu erkennen und das Krankenhauspersonal zu sensibilisieren.

Gewaltschutz im Krankenhaus

Die Klinik Innsbruck zeigte sich bereits früh bemüht, diese gesetzliche Vorgabe umzusetzen. „Unsere Opferschutzgruppe hat ein skandinavisches System bei uns eingeführt, das geradezu lachhaft einfach ist: Wir fragen bei der Notaufnahme alle Patient:innen drei Fragen: Weiß jemand, dass Sie hier sind? Soll jemand nicht wissen, dass Sie hier sind? Bereitet Ihnen jemand Angst?”, sagt Johannes Schwamberger vom Medienservice der Klinik Innsbruck.
 
Es kann für Opfer schwer sein, von alleine die Gewalt anzusprechen, der sie ausgesetzt sind. Die Fragen des Personals und der Code “Dr. Viola” können die Hemmschwelle senken. “Es konnten damit sehr viele Leute identifiziert werden, die Opfer von Gewalt sind. Der Effekt war enorm“, sagt Schwamberger.

“Code ist eine Erleichterung für Opfer”

Maria Rösslhumer von den Autonomen Österreichischen Frauenhäusern (AÖF) begrüßt die Initiative “Dr. Viola”. “Es ist gut, dass es für von Gewalt betroffene Frauen einen Code gibt, um im Krankenhaus anzukündigen, dass sie Opfer sind. Das ist eine Erleichterung: So können sie gleich zeigen, dass sie Hilfe brauchen. Die Ärzt:innen wissen, dass diese Frau vielleicht vorgezogen wird, damit sie nicht zu lange im Wartezimmer sitzt und speziell auf diese Problematik eingegangen wird.“
 
Doch nicht in allen Krankenhäusern läuft Gewaltschutz reibungslos. Ein Problem sieht Maria Rösslhumer in der fehlenden Sensibilisierung des Krankenhauspersonals: „Es müssen alle geschult werden. Auch zum Beispiel das Reinigungspersonal, weil es direkt im Zimmer mit Patient:innen arbeitet und dadurch vielleicht zur Ansprechperson wird. Vielen Ärzt:innen ist außerdem nicht klar, wann die Anzeigepflicht bei Gewalt gilt.” Zusätzlich müsse eine Risikoeinschätzung erfolgen und das Opfer gegebenenfalls weitervermittelt werden, auch das sei nicht immer der Fall.

Wann zieht der Rest Österreichs nach?

Der Notruf “Dr. Viola” ist einfach und billig umzusetzen. Wieso sind andere Krankenhäuser sind längst nachgezogen? MOMENT fragte bei den Krankenhausträgern aller Bundesländer nach. Viele wussten gar nichts von dem wirksamen Code.

Bei einem Treffen einiger Opferschutzgruppen der Krankenhäuser stieß die Idee nun aber auf große Zustimmung. Finanzierung und Umsetzung werde in einigen Krankenhäusern geprüft. “Dr. Viola” könnte also bald in ganz Österreich Gewaltopfern im Krankenhaus helfen.

 

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