Aus für Eigentümerregister – Wie Österreich und EU Transparenz verhindern
Was ist das Wirtschaftliche-Eigentümer-Register (WiEReG)?
Das öffentliche Eigentümerregister hat den Zweck, transparent zu machen, wer die Eigentümer:innen eines Unternehmens sind. Im Gegensatz zum bereits bestehenden Firmenbuch sind darin auch Gesellschaften, Privatstiftungen und Treuhandgesellschaften eingetragen.
Das Register wurde 2018 erstellt und 2020 gemäß der 5. EU-Geldwäscherichtlinie für alle zugänglich gemacht. Sie legte fest, dass die Öffentlichkeit Einsicht in Eigentumsverhältnisse haben muss, Österreich somit verpflichtet ist, ein solches Register aufzusetzen.
Wie hat das Eigentümerregister bisher funktioniert?
Um einen Auszug aus dem Register zu bekommen, musste man sich online registrieren. Gratis war die Einsicht nicht, 3 Euro musste man dafür zahlen. Dann konnte jede Person abfragen, wer hinter einem komplexen Firmengeflecht steckt.
Perfekt war das Register nicht. Eine umgekehrte Anfrage, welche Unternehmen und Organisationen hinter einer Person stecken, konnte man nicht stellen. Außerdem konnte das österreichische Register nur Institutionen abfragen, die ihren Sitz im Inland hatten. Nachdem die öffentliche Einsicht aber nach EU-Recht verpflichtend war, konnte man sich die Informationen zumindest aus den Registern anderer Länder zusammensammeln.
Zwei Kläger aus Luxemburg sahen mit dem Register den Schutz ihrer persönlichen Rechte und Daten missachtet. Durch die öffentliche Einsicht wären sie auf Reisen größerer Gefahr ausgesetzt, entführt oder erpresst zu werden. Luxemburgische Gerichte hatten diese Klage bereits abgewiesen. Der EuGH gab den Klägern allerdings recht.
Die Entscheidung des EuGH ist ungewöhnlich. „Bevor das Urteil gefällt wird, gibt der Generalanwalt im Schlussantrag des Falles seine Meinung, wie die Richter:innen entscheiden sollten“, sagt David Walch von Attac zu MOMENT.at. Der Schlussantrag ist unparteilich und fasst die bisherige Rechtsprechung des EuGH in vergleichbaren Urteilen zusammen. „Und in den allermeisten Fällen folgt der EuGH dieser Meinung“, ergänzt Walch. Im Jänner beurteilte der zuständige Generalanwalt Giacomo Pitruzzella die derzeitige Lösung als unproblematisch.
War das öffentliche Register tatsächlich gefährlich?
Es war keineswegs so, dass jede Person uneingeschränkten Eingriff in alle verzeichneten Daten hatte. Sensible Informationen, wie die private Wohnadresse der Eigentümer:innen, konnte man nicht abfragen. Außerdem musste man ja registriert sein.
Wenn eine Person Angst hatte, durch die offenzulegenden Informationen einem besonders hohen Risiko ausgesetzt zu sein, konnte die öffentliche Einsicht eingeschränkt werden. Staaten waren sogar verpflichtet, solche Ausnahmen vorzunehmen, um die Grundrechte der Eigentümer:innen zu schützen. Das Absurde: Ob das Risiko sich tatsächlich dadurch erhöht wird, im Register als wirtschaftlich Berechtigte:r aufzuscheinen, hat der EuGH für sein Urteil gar nicht geprüft.
Wer profitiert von Intransparenz?
David Walch sieht die Begründung der Kläger:innen und des EuGH fadenscheinig. Die unverhältnismäßige Gefährdung sei nicht nachvollziehbar. So urteilte auch der EU-Generalanwalt. Außerdem sind in vielen Fällen die Informationen ohnehin in Firmen- oder Grundbuch einsehbar.
Dass der Fall aus Luxemburg eingebracht war, ist kein Zufall. „In Luxemburg gibt es eine juristische Industrie, die Eigentumsverhältnisse verschleiert; Anwält:innen, die darauf spezialisiert sind, intransparente Konstruktionen aufzusetzen“, erklärt Walch. Sein Vermögen verheimlichen möchte man aus zwei Gründen: „Erstens, wenn man Geld, das illegal erwirtschaftet wurde – zum Beispiel durch Korruption oder Verbrechen – in den regulären Wirtschaftskreislauf bringen möchte. Zweitens, wenn man sich steuerliche Vorteile verschaffen will.“ Es geht also um Steuerbetrug, Korruption, Geldwäsche und organisiertes Verbrechen, bis hin zur Finanzierung von Terrorismus.
Wie geht es mit dem Register weiter?
Das Register wird weiterhin bestehen, aber nur mehr Behörden werden freien Zugriff haben. Alle anderen müssen ein „berechtigtes Interesse“ vorlegen. Was genau so ein berechtigtes Interesse auszeichnet, müssen die einzelnen Staaten nun entscheiden. Wenn sich das nur auf einen konkreten Verdacht beschränkt, wird präventive Arbeit von NGOs oder investigativem Journalismus praktisch verunmöglicht.
Österreich hat in der Vergangenheit keinen übermäßigen Einsatz für Transparenz gezeigt. „Die österreichische Politik steht in ihrer Tradition den Vermögensinteressen sehr nahe. Auch international versuchen sie oft, Bemühungen für mehr Transparenz zu blockieren“, meint Walch. Trotzdem wäre die Hoffnung, dass durch eine breite Definition die Einsicht weiterhin möglich bleibt. Dass Presse und Organisationen ein berechtigtes Interesse an diesen Informationen haben, erkennt der EuGH theoretisch an.
Wessen Interessen sollen geschützt werden?
Am Ende steht die Frage, wessen Rechte Vorrang haben. Der EuGH erklärt in seinem Urteil nicht, wieso den Personen hinter Treuhändern oder verschachtelten Unternehmensstrukturen mehr Anonymität zusteht, als jenen, die sowieso im Firmenbuch stehen.
Auf der anderen Seite ignoriert das Urteil die Sicherheit der Personen, die Informationen abfragen. Wenn dafür eine Registrierung und Begründung überprüft werden muss, wissen Behörden genau, wer potenziell schmutzigen Geschäften auf der Spur ist. Das kann schnell gefährlich werden.
Wieso braucht es öffentliche Eigentümerregister?
Zu wissen, welches Vermögen und welche Unternehmen wem gehören, ist für uns alle wichtig. Denn Steuerbetrug, Geldwäsche und Korruption gehen alle etwas an. Informationen über Vermögen werden von Journalist:innen, NGOs, Wissenschaftler:innen Aktivist:innen und der Zivilgesellschaft genutzt, um Steuerbetrug und Co aufzudecken.
„Der EuGH ignoriert dabei völlig die Tatsache, dass es gerade die kritische Öffentlichkeit und nicht die Behörden waren, die in der Vergangenheit große Skandale rund um Steuerbetrug und Geldwäsche aufgedeckt und damit auch Druck für politische Fortschritte erzeugt haben“, so Walch. Die öffentliche Einsicht war das Ergebnis eines langen Kampfes für Transparenz. Die Entscheidung des EuGH beschreiben viele Expert:innen als schweren Rückschlag.
Update 07.12.2022: In der ersten Fassung stand der Satz „Dann konnte jede Person abfragen, wer hinter komplexen Firmengeflechten steckt, auch wenn sie in ausländischen Steuersümpfen sitzen.“ Das stimmt so nicht, da das Register nur in Österreich gemeldete Institutionen erfasste. Der Abschnitt wurde korrigiert und ergänzt.