Ein älterer Arbeitsloser erzählt: "Die Politik betrachtet uns als nutzloses Gesindel"
59 und arbeitslos: Stefan* glaubt nicht mehr daran, dass er Arbeit finden wird. Bei uns erzählt er, was er sich von der Politik wünschen würde.
Bis vor etwa 9 Jahren war ich sehr erfolgreich in meinem Beruf. Ich hatte eine leitende Position in der Pharmabranche. Als ich mit 50 Jahren entlassen wurde, fand ich zwar bald eine neue Arbeit. Dort diente ich aber nur als Sündenbock, der eine Abteilung schließen sollte. Danach machte ich mich mit zwei Projekten selbständig, die beide scheiterten. Das war vor zwei Jahren, seitdem bin ich durchgehend arbeitslos.
AMS hat ältere Arbeitslose aufgegeben
Beim AMS habe ich unterschiedliche Erfahrungen gemacht, aber es endete eigentlich immer mit dem Satz: “Ich kann nichts für Sie tun.” Ich glaube, man hat dort ältere Arbeitslose aufgegeben. Kurse bekomme ich sowieso keine bezahlt. Dennoch habe ich von Termin zu Termin mehr Druck bekommen und musste immer mehr Bewerbungen schreiben.
Nach einem Jahr sagte mit mein Betreuer, dass ich in den sekundären Arbeitsmarkt muss, wenn ich nichts finde. Hauptsache, ich arbeite irgendwas. Dabei würde ich so gerne etwas Sinnvolles im sozialen Bereich machen, aber das scheint momentan unmöglich. Später kam ich beim AMS in die Einzelbetreuung für ältere Arbeitslose. Aber auch hier wurde der Druck bald immer höher. Sie wollten mich unbedingt in die Selbständigkeit zwingen.
Im Jänner dieses Jahres wurde bei mir eine schwere Depression diagnostiziert. Ich war fast dankbar dafür. Irgendwie war das der Beweis, dass ich nicht verrückt werde. Ich war zuvor oft sehr wütend, ohne zu wissen warum. Der Lockdown war dann für kurze Zeit sogar positiv für mich, weil ich anscheinend in Krisensituationen besser funktioniere. Jetzt kümmere ich mich um meine sechsjährige Tochter und helfe meiner Frau im Geschäft aus. Aber den Rest der Zeit beschäftige ich mich mit meiner Situation. Ich habe schon Angst vor dem Jänner, wenn meine Krankschreibung ausläuft. Dann geht beim AMS wieder alles von vorne los.
Die Politik interessiert sich nicht für ältere Arbeitslose
In der Politik gibt es eigentlich schon lange niemanden mehr, der sich um ältere Arbeitslose kümmert. Von der ÖVP erwarte ich nichts, aber auch von den Grünen hört man nichts mehr. Es wird ständig nur über Leistung gesprochen, als ob das eine Lösung wäre. Ich würde ja wahnsinnig gern etwas leisten – aber ich bekomme nicht die Chance dafür! Ich wünsche mir, dass sich endlich jemand ganzheitlich um die Situation kümmert. Dass sich jemand die Zeit nimmt und uns zuhört. Doch momentan betrachtet uns die Politik eher als nutzloses Gesindel.
Perspektiven sehe ich momentan eigentlich keine. Vielleicht schafft die Regierung irgendwann einen Rahmen, damit ich etwas Sinnvolles machen und der Gesellschaft noch etwas zurückgeben kann. Eigentlich wäre die Zeit reif für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Aber ich weiß, dass es nach diesem Lockdown noch weniger Stellen geben wird und die Anforderungen dafür höher sein werden. Die Situation wird also nur noch schwieriger.
*Name von der Redaktion geändert