print print
favorites-circle favorites-circle
favorites-circle-full favorites-circle-full
Arbeitswelt
Kapitalismus

Ein arbeitsloser Koch erzählt: “Arbeitslosengeld reicht einfach nicht”

Illustration mit dem Titel Was ich wirklich denke in der Mitte
Gerhard (Name von der Redaktion geändert) kommt aus Kärnten und ist 28 Jahre alt. Er arbeitet seit seinem 15 Lebensjahr in der Gastronomie und hat wie viele Kolleginnen durch die Corona-Krise seinen Job verloren. Ihm wurde wie so vielen eine Wiedereinstellung versprochen, die nun aber nicht eingehalten werden kann. Über seine Verzweiflung und Wut spricht er hier.

Noch eine Woche vor der Corona-Krise habe ich mit einem Kollegen gescherzt: Wenn wir unseren Job verlieren, finden wir als Köche binnen Minuten eine neue Anstellung. Denn immer und überall werden in der Gastronomie Leute wie wir händeringend gesucht.

Und nun hat diese Corona-Krise die gesamte Branche zerstört. Damit hat einfach niemand gerechnet.

 

Habe während der Krise einvernehmlich gekündigt

Ich habe mit 15 Jahren die Lehre zum Koch begonnen und habe seither immer in der Gastronomie gearbeitet. Zuletzt war ich bei einem Gasthof mit typischer österreichischer Küche in einer Kärntner Kleinstadt Vollzeit angestellt. Wir wurden gut behandelt und ich wurde bestimmt überdurchschnittlich bezahlt.

Als wegen Corona alle Gastro-Betriebe schließen mussten, wurden wir wie in vielen Betrieben gekündigt. Allerdings mit einem Versprechen, dass ich sogar schriftlich dem AMS vorlegen konnte: Dass wir nach der Krise wieder eingestellt werden. Am 15. Mai dürfen die Lokale und Restaurants wieder aufsperren – ich werde allerdings an diesem Tag nicht wieder in der Küche stehen.

 

Versprechen der Wiedereinstellung hält nicht

In der Zusage zur Wiedereinstellung steht nämlich auch, dass dies nur möglich ist, wenn das Restaurant wieder “vollen Betrieb” aufnimmt. Und das wird es nicht. Das ist ja auch bei diesen strengen Auflagen nicht möglich. Zwischen den Tischen muss mindestens ein Meter Abstand gehalten werden, deshalb können weniger Gäste versorgt werden, außerdem sind die Öffnungszeiten beschränkt und viele Menschen werden sich wegen dem Coronavirus gar nicht erst in ein Lokal trauen.

Ich bin als letzter zu dem Team gestoßen und wohl verhältnismäßig auch teurer als andere MitarbeiterInnen. Ich werde erst als einer der letzten wieder zu arbeiten beginnen können. Nur wann und ob überhaupt, dass kann mir meine Chefin nicht sagen. Das letzte Gespräch mit ihr war auch für sie hart, das hat man ihr deutlich angesehen. Natürlich ist es nicht einfach, MitarbeiterInnen vertrösten zu müssen. Aber es ist alles ungewiss: Bleiben die Gäste aus? Wird eine zweite Welle kommen?

 

Wohnung gekauft – aber wie soll ich den Kredit abbezahlen?

Ich habe mir erst im Jänner eine Wohnung gekauft. Das hat uns ja auch der Bundeskanzler geraten: Investiere in Eigentum, das schützt vor Altersarmut. Doch jetzt wo ich arbeitslos bin, kann ich den Kredit kaum zurückbezahlen. Und das, obwohl ich nebenbei geringfügig arbeite. Ich helfe bei einem Bekannten aus, der einen Vertrieb hat.

Ich rechne vor: In meinem Job als Koch hab ich vor der Corona-Krise 1.900 Euro Netto verdient. Nun bekomme ich mit Arbeitslosengeld und dem geringfügigen Einkommen 1.480 Euro. Da ich den Kredit zurückbezahlen muss, bleiben mir nun monatlich genau 164 Euro für alle anderen Kosten. Zwei Monate kann ich das mit meinen Rücklagen noch durchstehen, aber wenn ich dann nicht wieder normal arbeiten kann, wird es eng für mich.

 

Arbeitslosengeld muss erhöht werden

Für den Bezug des Arbeitslosengeldes wurde mein Einkommen von Anfang 2018 hergenommen. Damals habe ich viel weniger verdient. Und von diesem Gehalt bekomme ich nun 55 Prozent! Das ist einfach zu wenig. Es müssten zumindest während dieser Corona-Krise 70 Prozent sein. Das sage nicht nur ich, sondern viele Wirtschaftsexperten. Laut einer profil-Umfrage befürworten rund 65 Prozent der Österreicher eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes. Oder zumindest müsste die Grenze für die geringfügige Beschäftigung ausgedehnt werden.

Menschen wie ich, die immer gearbeitet haben und nun völlig unverschuldet vor einem Trümmerhaufen stehen, werden einfach im Regen stehen gelassen. Wie vielen Menschen geht es jetzt gerade wie mir? Wie viele werden ihr hart erarbeitetes Eigentum verlieren?

Mir ist bewusst, dass mich die Corona-Krise gar nicht so hart trifft wie andere, die derzeit null Umsatz oder Einkommen haben und denen kein Arbeitslosengeld zusteht. Aber ich merke, dass ich wirklich existenzielle Ängste habe und nachts oft nicht schlafen kann. Ich brauche wie so viele Menschen eine Perspektive. Ich fühle mich im Stich gelassen. Und eigentlich wirklich verarscht, wenn die Regierung dauernd sagt, dass allen geholfen wird und Slogans wie “Koste es, was es wolle!” von sich gibt.

 

    Neuen Kommentar hinzufügen

    Kommentare 0 Kommentare
    Kommentar hinzufügen

    Neuen Kommentar hinzufügen

    Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Beitrag!