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Gesundheit

Ein Arzt erzählt aus der Corona-Zeit: “Die Unsicherheit hängt wie ein Damoklesschwert über uns”

Illustration mit dem Titel Was ich wirklich denke in der Mitte
Stefan* ist Arzt in einem Wiener Krankenhaus. Dort hat die Coronakrise alles verändert. Er erzählt uns, wie er und seine MitarbeiterInnen mit der Situation umgehen und wie es dort die nächsten Wochen weitergeht.

Eigentlich sind wir Ärzte es gewohnt, Krankheiten zu diagnostizieren und zu behandeln. Aber jetzt können wir eigentlich nur unsere Ressourcen möglichst gut verteilen. Natürlich ist unsere Arbeit im Krankenhaus wichtig, um Menschen am Leben zu halten. Die eigentliche Bekämpfung der Krankheit erfolgt aber außerhalb. Und für die Lösungen dort braucht es Menschen, die sich wissenschaftlich damit auseinander setzen, also Epidemiologen oder Mathematikerinnen. 

Die Stimmung bei uns im Krankenhaus ist im Moment von Unsicherheit geprägt. Wir arbeiten nur auf Sicht und wissen nicht genau, was die nächsten Wochen bringen. Grundsätzlich ist zwar weniger los, weil nur PatientInnen da sind, die dringend ärztliche Betreuung brauchen. Diese gehören aber auch zur Hochrisikogruppe. Ich arbeite etwa in einer Abteilung, in der PatientInnen aufgrund ihrer Therapie ein geschwächtes Immunsystem haben. Das bedrückendste Gefühl für mich ist momentan, dass ich Überträger des Virus sein und diese Menschen anstecken könnte. 

Strenge Sicherheitsmaßnahmen

Im Krankenhaus wurden erst strengere Vorkehrungen getroffen, nachdem wir einen Corona-Fall hatten. Sie wären zwar vermutlich dennoch irgendwann gekommen, dadurch wurden sie allerdings beschleunigt. Es gibt jetzt eine zentrale Aufnahme, durch die alle PatientInnen müssen, andere Eingänge sind verschlossen. Die einzelnen Stationen sind streng voneinander abgetrennt und auch innerhalb dieser gibt es separierte Gruppen. Wenn möglich liegen alle PatientInnen alleine in einem Zimmer. Wir arbeiten in unterschiedlichen Blöcken, um möglichst wenig miteinander in Kontakt zu kommen. Das ist momentan das Wichtigste, was wir tun können.

Dennoch hängt ständig ein Damoklesschwert über unseren Köpfen, denn die Situation kann sich schnell verändern. Wir hatten schon einen positiven Fall innerhalb des Personals, auch deswegen sind momentan etwa 100 MitarbeiterInnen bei uns in Quarantäne. Es kann also jederzeit ein großer Teil des Personals wegfallen – und was dann? Momentan gibt es nicht genügend Tests, um ständig welche durchzuführen. Deren Ergebnisse sind auch nicht ganz fehlerfrei, und ein negativ Getesteter kann am nächsten Tag schon positiv sein. Auch Schutzmaterial ist nur für jene da, die mit Verdachtsfällen in Berührung kommen. Eigentlich sollten aber zumindest alle, die mit RisikopatientInnen in Berührung kommen, ständig welches tragen können.

Warten auf den Höhepunkt

Die Unsicherheit wird auch noch dadurch verstärkt, dass wir nicht wissen, wann der Höhepunkt der Epidemie erreicht und wie groß dieser Peak sein wird. Jetzt werden, wenn möglich, Operationen und Therapien verschoben, weil die Leute möglichst nicht im Krankenhaus sein sollten. Doch es kann auch zum Problem werden, wenn diese in der Phase nachgeholt werden müssen, in der uns das Virus am meisten beschäftigt. Daher muss man bei jeder dieser Entscheidungen abwägen, das macht die Planung schwierig.

Wir stellen uns natürlich darauf ein, dass in nächster Zeit immer mehr Fälle auf uns zukommen – dass dieser Anstieg einige Wochen anhalten wird, scheint momentan klar. Aber wenigstens nehmen durch das wärmere Wetter die Fälle ab, bei denen Menschen mit anderen Erregern wie der echten Grippe angesteckt werden. Dadurch wird das System weniger belastet.

Anstehende Herausforderungen

Ich denke das größte Problem – neben einer ausreichenden Zahl an Beatmungsplätzen – wird in nächster Zeit sein, die Ausbrüche in Krankenhäusern und anderen Pflegeeinrichtungen einzudämmen. Denn was passiert, wenn das System im Gesundheitsbereich kippt, haben wir in Italien beobachten können. Es bräuchte abgeschottete Bereiche, in denen man gesichert davon ausgehen kann, dass es keine positiven Fälle gibt. Dazu müsste man aber täglich testen und strenge Sicherheitsmaßnahmen durchführen, was mit den momentanen Ressourcen nicht möglich ist. 

Besonders wichtig wäre es, jene zu schützen und zu kontrollieren, die die Beatmungsgeräte bedienen können. Denn wir werden diese Menschen in nächster Zeit sehr dringend brauchen, außerdem kommen sie verstärkt mit RisikopatientInnen in Berührung. 

Das Coronavirus wird auf jeden Fall noch lange Zeit präsent sein. Auch wenn die Fälle nachlassen und Beschränkungen aufgehoben werden, heißt das nicht, dass es keine Ausbrüche mehr geben wird. Therapien und Impfungen werden kommen, aber das wird noch dauern. Das Virus werden wir bis dahin auf jeden Fall ständig im Hinterkopf haben.

*Name geändert

 

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