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Arbeitswelt

Ein Koch erzählt: “In der Küche erleben wir oft reinsten Psychoterror”

Was ich wirklich denke Cover zeigt den Schriftzug "Was ich wirklich denke" und Gekritzel im Hintergrund.
Alexandra fordert mehr Entscheidungskompetenz für Pflegekräfte: "Momentan können wir nicht als Gruppe wahrgenommen werden, die ihre eigenen Entscheidungen trifft."

Ein Koch berichtet von ständigem Mobbing und warum er die Solidarität und den Zusammenhalt in der Gastronomie vermisst.

Wolfgang (Name von der Redaktion geändert) ist Koch und arbeitet seit über zwanzig Jahren in einer Industrieküche in Oberösterreich. Er wurde selbst gemobbt und erlebt auch heute noch als Betriebsrat viele Mobbing-Fälle. Warum er die Solidarität und den Zusammenhalt in der Gastronomie vermisst, erzählt er dir in dieser Ausgabe von “Was ich wirklich denke”.

 Als ich fünfzehn Jahre alt war habe ich eine Lehre als Koch begonnen und arbeite seither in der Gastronomie. Ich habe in vielen verschiedenen Restaurants und Betrieben gearbeitet. Nun bin ich seit über 20 Jahren in Industrieküchen.

Viel Arbeit und Stress – dafür wenig Lohn und Wertschätzung

Die Probleme waren fast überall die gleichen: Extreme psychische und körperliche Belastung, lange Arbeitszeiten und viele Wochenend- und Feiertagsdienste. Dafür gab und gibt es aber keine Wertschätzung und wenig Lohn. Ich hatte zwar einige tolle Chefs, aber oft musste ich um meinen Lohn betteln.

In dem Betrieb, in dem ich jetzt arbeite, ist das Betriebsklima extrem schlecht. Die Leute sind einfach überarbeitet. Wir sind zu wenig. Es ist bei uns normal, dass wir 10 Tage durcharbeiten. Dann bekommst du zwar vier Tage frei, davon brauchst du aber zwei zur Regeneration. Eine Kollegin ist zusammengebrochen, nachdem sie elf Tage durchgearbeitet hat.

Wir sind zwar eine Industrieküche, haben aber auch einen Catering-Betrieb und deshalb müssen wir oft am Wochenende arbeiten. Ich habe einmal sieben Wochenenden hintereinander gearbeitet. Das ist ein Wahnsinn – und nebenbei natürlich absolut familienfeindlich.

Neid und Missgunst 

Die Mitarbeiter sind deshalb bei uns grundsätzlich sehr angespannt, erschöpft und gestresst. Und wer sich etwas ausverhandelt, was andere nicht haben, dem schlägt sofort Neid und Missgunst entgegen. Einige haben zum in ihrem Dienstvertrag festgehalten, dass sie nicht zwei Wochenenden hintereinander arbeiten müssen. Weil sie eben Familie haben. Aber wegen so etwas wurden sie von anderen Mitarbeitern extrem gemobbt.

Auch ich wurde schon einmal psychisch so fertig gemacht, dass ich rund ein Jahr lang in Krankenstand gehen musste. Eine Kollegin hat einmal ein Schnitzel fotografiert, dass mir etwas zu dunkel geraten ist. Sie ging damit zum Chef und wollte mich anschwärzen.

Ich will Veränderung

Ich habe mich dazu entschieden, wieder in den Job in diesem Betrieb zurückzukehren, weil ich etwas verändern möchte. Ich bin nun auch Betriebsrat und bekomme eben noch mehr Fälle mit und weiß jetzt, dass ich nicht das einzige Mobbing-Opfer bin. Eine Kollegin ist so fertig gemacht worden, dass sie nun ein psychisches Wrack ist und die Invaliditätspension bekommen hat. In der Küche erleben wir oft den reinsten Psychoterror.

Chefs sehen zu

Ich versuche regelmäßig mit den Chefs zu sprechen, aber von ihnen erhalten wir leider keine Rückendeckung. Ich habe öfters schon die Themen Wertschätzung und Burnout angesprochen, doch dann höre ich immer nur, dass wir ja eigentlich sogar überbesetzt wären. Das ist grotesk. Wir haben extrem viele Krankenstände und erhalten jedes Jahr mehr Aufträge, haben aber nicht mehr Leute angestellt.

Zum Thema Burnout hat mir einer der Vorgesetzten erklärt, was er in der Wirtschaftskammer dazu gehört hat: Nämlich, dass bei diesen Fällen zu 80 Prozent das Privatleben Schuld sei und nur zu 20 Prozent der Job. Ich glaube ja, dass es zumindest bei uns umgekehrt ist. Mitarbeiter, die sich beklagen, aber gerade nebenbei ein Haus bauen, oder sonstwie in ihrer Freizeit auffällig aktiv sind, bekommen grundsätzlich zu hören, dass sie sich eben im Privatleben übernehmen würden und nicht zu wundern brauchen, wenn sie dann keine Energie mehr für den Job haben.

Schwache Gewerkschaft – schlechte Arbeitsbedingungen

Dass die Arbeitsbedingungen in der Gastronomie so schlecht sind, wundert mich nicht mehr. Sie hat ja auch die schwächste Gewerkschaft. Die Solidarität ist hier eben schwach ausgeprägt. Das liegt vermutlich aber auch daran, dass es viele Saisonarbeiter gibt, aber auch zahlreiche kleine Betriebe, wo es sich aufgrund der Größe gar nicht auszahlt, einen Betriebsrat zu gründen. Eine schwache Gewerkschaft kann sich bei Kollektivvertrags-Verhandlungen nicht durchsetzen wie die Metaller, bei denen rund achtzig Prozent bei der Gewerkschaft sind.

Anstatt der Neid-Debatte würde ich mir mehr Zusammenhalt und Solidarität in der Gastro wünschen. Und natürlich müssten sich mehr in der Gewerkschaft engagieren, damit wir wirklich etwas verändern können.

Ich hoffe auf eine baldige Besserung, denn uns geht auch der Nachwuchs aus. Ich verüble es jungen Menschen nicht, dass sie unter diesen Bedingungen nicht mehr in dem Bereich arbeiten wollen. Bei uns hat gerade ein Lehrling gekündigt, weil er nur als billiger Lückenfüller missbraucht wurde. Vielleicht führt ja der Fachkräftemangel endlich zu einem Umdenken, vor allem bei den Wirten und Chefs.

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