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Arbeitswelt
Gesundheit

Eine Pflegerin auf der Kinder-Intensivstation erzählt, was das Problem mit ihrem Beruf ist

Was ich wirklich denke Cover zeigt den Schriftzug "Was ich wirklich denke" und Gekritzel im Hintergrund.
Alexandra fordert mehr Entscheidungskompetenz für Pflegekräfte: "Momentan können wir nicht als Gruppe wahrgenommen werden, die ihre eigenen Entscheidungen trifft."
Was eine Pflegerin wirklich denkt: "Die Zusammenarbeit mit den ÄrztInnen funktioniert gut, aber man wird oft nicht ernst genommen. Ich würde mir wünschen, mehr Entscheidungskompetenz zu bekommen."
Alexandra* ist Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin auf einer Intensivstation für Kinder. Warum sich zu wenige Menschen für den Pflegeberuf interessieren, liegt für sie auch daran, dass sie kaum selbständig Entscheidungen treffen können. 

Ich arbeite als Pflegerin auf einer Kinderintensivstation. Wir versorgen schwer- und schwerstkranke Kinder. Ich arbeite 40 Stunden ‘am Bett’, also direkt mit den PatientInnen. Ich mag die Nähe zu den Kindern und den Eltern und mache den Beruf gerne. Aber es gibt zu wenige Menschen, die als Pflegekräfte arbeiten wollen.

Die Arbeit ist psychisch sehr belastend. Es geht um Kinder, die teilweise Herz-Lungenmaschinen brauchen, am Herzen operiert wurden oder einen Tumor hatten. Man lernt zwar mit der Zeit damit umzugehen, aber es gibt immer besonders schwierige Situationen. Vor allem, wenn die PatientInnen das Alter meiner eigenen Kinder haben. 

Bei uns arbeiten viele Pflegekräfte 40 Stunden pro Woche. Wenn es zu wenig Personal gibt, noch zwei bis drei Dienste pro Monat mehr. Dann merken auch die Jungen schon, dass es sehr anstrengend wird. Trotzdem machen sie den Job und wechseln nicht gleich von der Intensivstation woanders hin. Eine Arbeitszeitverkürzung wäre schön, aber es sind nicht die Arbeitszeiten, die die Pflege unattraktiv machen. Es gibt andere Berufe, in denen auch sehr viel gearbeitet wird und die trotzdem mehr BewerberInnen als Plätze haben.

Man wird nicht ernst genommen

Ich sehe das Problem woanders: Die Zusammenarbeit mit den ÄrztInnen funktioniert gut, aber man wird oft nicht ernst genommen. Theoretisch haben wir einen eigenen Arbeitsbereich, aber er ist nicht so klar abgegrenzt wie jener von den PhysiotherapeutInnen oder SozialarbeiterInnen. Sie haben komplett abgegrenzte Bereiche, in die ihnen keiner reinreden kann. Dort treffen sie ihre eigenen Entscheidungen, die sie dann auch verantworten müssen. 

Auch ich treffe jeden Tag Entscheidungen. Mit so mancher habe ich das Leben von Kindern gerettet. Aber trotzdem muss ich oft zuerst die ÄrztIn fragen. Wenn es um Medikamente oder Therapien geht, dann ist das auch völlig in Ordnung. Das ist ihre Aufgabe.

MedizinerInnen haben aber auch die Letztentscheidung bei Themen, die eindeutig in meinen Bereich fallen. Das ändert sich auch nicht, wenn ich zusätzliche Kompetenzen beispielsweise durch eine Wundmanagement-Ausbildung erwerbe. In der Praxis muss ich mir für jeden spezielleren Verband die Unterschrift eines Arztes holen, der auch noch weniger Erfahrung hat als ich. Das ist bitter und frustrierend.

Eigene Entscheidungen treffen

Außerdem bekommen das die Eltern mit. Sie fragen nicht, was ich heute getan habe. Sie wollen wissen, was die ÄrztInnen gesagt haben oder was bei der Visite passiert ist. Das spiegelt sich in der Gesellschaft wider. Wer einmal eine Notärztin bei ihrer Arbeit beobachtet hat, denkt sich, Arzt-sein ist toll. Sie hat diese oder jene Entscheidung getroffen und dann geht’s mir oder der Oma besser. Das gibt es in der Pflege nicht. Momentan können wir nicht als Gruppe wahrgenommen werden, die ihre eigenen Entscheidungen trifft. 

Alle reden vom kommenden Pflegenotstand und den fehlenden Pflegekräften. Die Arbeitszeitverkürzung ist sicher ein Punkt, der in die richtige Richtung geht. Es ist auch wichtig, den Lohn anzuheben. Aber es muss sich mehr ändern, wenn wir Junge für diese Arbeit begeistern wollen. Ich würde mir wünschen, mehr Entscheidungskompetenz zu bekommen. 

——

*Name geändert. 

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